Science Fiction oder ein realistischer Plan? Der Astrophysiker Stephen Hawking und der russische Milliardär Juri Milner haben ein Mega-Projekt für die Suche nach außerirdischem Leben vorgestellt.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

New York/Stuttgart - Seit 1968 sitzt Stephen Hawking im Rollstuhl und kann nur mit Hilfe eines Sprachcomputers kommunizieren. Der britische Star-Physiker leidet an einer amyotrophen Lateralsklerose, eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Doch die körperlichen Gebrechen tun seinen kühnen kosmologischen Visionen keinen Abbruch. Zusammen mit dem russischen Unternehmer Juri Milner will er mit einer spektakulären Mission tiefer ins All vorstoßen als je zuvor. Der name des spektakulären Projektes: „Breakthrough Starshot“ (auf deutsch: bahnbrechender Sternenschuss)

 

Vorstoß ins All

Stephen Hawking und Yuri Milner planen, eine Armee winziger Raumschiffe zum Sternensystem Alpha Centauri zu schicken. Dort soll nach möglichem außerirdischen Leben geforscht werden. Der 54-jährige Milner ist selbst theoretischer Physiker, der am Moskauer Lebedew-Institut unter der Leitung des späteren Nobelpreisträgers Witali Ginsburg gearbeitet hatte. 1990 wanderte er in die USA aus.

Die briefmarkengroßen Raumfahrzeuge sollen mit 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit – rund 60 000 Kilometer pro Sekunde – durchs Universum rasen. Ihre Reise soll etwa 20 Jahre dauern. Funktionieren soll das ganze mit Hilfe eines Lasersystems und Sonnensegeln, wie Hawking und Milner am Dienstag in New York berichteten.

Yuri Milner. Foto: dpa

Milliardär Milner will eine Anschubfinanzierung von 100 Millionen Dollar (fast 90 Millionen Euro) zur Verfügung stellen. Sein gesamtes Vermögen wird auf rund eine Milliarde US-Dollar geschätzt. Die Gesamtkosten des Mega-Projekts beziffert der Unternehmer auf fünf bis zehn Milliarden Dollar. Das Team will dabei nicht nur nach außerirdischem Leben suchen: „Die Erde ist ein wundervoller Ort, aber das könnte nicht immer so bleiben“, sagt Hawking. „Früher oder später müssen wir zu den Sternen schauen.“

Intergalaktische Reise nach Alpha Centauri

Mit einer Entfernung von 4,37 Lichtjahre oder 41,3 Billionen Kilometern gehört Alpha Centauri zu unseren nächsten Nachbarn im All. Es handelt sich um ein Doppelsternsystem im Sternbild Zentaur am Südhimmel. Nur zu dem Stern Proxima Centauri ist es mit rund 4,2 Lichtjahren noch etwas näher. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt, und entspricht knapp etwa 9,46 Billionen Kilometern. Das Licht bewegt sich mit 299 792,458 Kilometern pro Sekunde durch den Raum. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist eine grundlegende Naturkonstante in der Physik.

Zum Vergleich: Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, hat einen Durchmesser von mindestens 100 000 Lichtjahren. Mit bisherigen Raumfähren würde eine solche lange Reise zu Alpha Centauri theoretisch etwa 30 000 Jahre dauern.

Schüsse zu den Sternen

Marc Zuckerberg. Foto: dpa

An „Breakthrough Starshot“ sind auch Facebook-Gründer Marc Zuckerberg und ein internationales Team von Wissenschaftlern – darunter Pete Worden, ehemaliger Chef des AMES Research Centers der NASA, der das Projekt leiten soll –, Ingenieuren und Astronauten beteiligt.

Es sei an der Zeit, dass die Menschheit den nächsten großen Sprung in ihrer Geschichte wage, erklärt Milner. Daten und Erkenntnisse des Projekts sollen für jedermann offen zugänglich sein.

Juri Gagarin. Foto: dpa

Nach Angaben des Teams wurde bereits Kontakt mit der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa aufgenommen. Es strebt auch eine Zusammenarbeit mit europäischen Experten an.

Das Projekt wurde am 55. Jahrestag der historischen Mission von Juri Gagarin (1934-1968) vorgestellt. Am 12. April 1961 absolvierte der 1,57 Meter große russische Kosmonaut mit dem Raumschiff Wostok 1 den ersten Raumflug eines Menschen und umrundete dabei in 108 Minuten einmal die Erde.

Bahnbrechende Technologien für Reisen durchs Universum

High Tech auf Waffeln

Grundlage des Projekts „Breakthrough Starshot“ ist ein Konzept des US-Physikers Philip Lubin, der an der University of California in Santa Barbara an einem neuartigen Antriebskonzept forscht. Dieses sieht äußerst leichte Raumschiffe vor, bei denen alle Komponenten auf einem sogenannten Wafer versammelt sind. Wafer (englisch für Waffel) sind kreisrunde oder quadratische, ein Millimeter dicke Bauteile, die für integrierte Schaltkreise („Chip“), mikromechanische Bauelemente oder photoelektrische Beschichtungen verwendet werden. Die Rohlinge bestehen aus Silizium, Germanium, Galliumarsenid oder einem anderen Halbleitermaterial.

Starshot und Sonnensegel

Die winzigen Raumfahrtchips – „Starshot“ genannt – sollen auf Sonnensegel montiert werden, auf die von der Erde aus mehrere Laserstrahlen gerichtet werden. So sollen die Mini-Raumschiffe innerhalb weniger Minuten auf Reisegeschwindigkeit beschleunigt werden – 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

Solche Raumschiffe könnten massenhaft produziert und losgeschickt werden, um eventuelle einzelne Ausfälle zu kompensieren. Die Nano-Ufos sollen nicht mehr als 20 Gramm wiegen (so viel wie eine Zahnbürste) und mit Kameras, Photonentriebwerken und Energieversorgung sowie mit Navigations- und Kommunikationsgeräten vollgestopft sein.

Milner finanziert auch den „Breakthrough Prize“, einen der höchstdotierten Preise für Wissenschaftler, der jährlich in drei Kategorien verliehen wird. 2015 startete der Russe außerdem das 100-Millionen-Dollar-Projekt „Breakthrough Listen“, das mit Teleskopen nach Signalen von intelligentem Leben außerhalb unseres Sonnensystems fahndet.

Die Welt der Nano-Winzlinge

Nano – millionster Teil eines Millimeters

Die Nano-Partikel, die auf den Mini-Raumschiffe verbaut werden sollen, sind winzig klein und messen gerade mal Milliardstelmeter – eine Potenz von 10-9 Meter, 50 000-mal dünner als ein Haar. Ein Nanometer ist demnach der millionste Teil eines Millimeters oder 1/1 000 000 000 (1/1 Milliarde) eines Meters. Aus der Physik, Chemie, Mikroelektronik und Biotechnologie sind Nanoprodukte nicht mehr wegzudenken.

Hoffnungen auf die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts hegt nicht nur die Raumfahrt, sondern vor allem auch die Medizin. „Kein anderer Bereich wird von so vielen Hoffnungen begleitet und wird vergleichbare gesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen wie die zu erwartenden Entwicklungen der Nanomedizin“, heißt es in der Studie „Nanomedizin – Chancen und Risiken“, die ein Stuttgarter Forscherteam 2008 erstellt hat.

Nano-Revolution in der Wissenschaft

Nano-Produkte sollen medizinische Diagnostik und Therapie revolutionieren. Vor allem im Kampf gegen den Krebs setzen Forscher auf die atomaren und molekularen Winzlinge. Ein Beispiel für diese wegweisenden Projekte sind Arzneimittel-Container. Der kontrollierte Transport von Arzneien zum Karzinom ist ein großes Problem. Bei konventionellen Krebstherapien mittels Zytostatika besteht die grundsätzliche Problematik, die Substanzen, die das Zellwachstum und die Zellteilung hemmen, an die kranken Organe heranzuführen. Viele Arzneimittel scheitern auf dem Weg dorthin, da sie an Barrieren im Körperinnern abprallen oder vorher abgebaut werden.

Hier verheißt die Nanomedizin Abhilfe: Nanoskalige Systeme – also Materialien von einer Größe zwischen einem und 100 Nanometern – fungieren als Transporter von Wirkstoffen innerhalb des Organismus. Nanopartikel bilden dabei eine Art Schutzhülle für Medikamente auf ihrem Weg zum Tumor. Nanotaxis sollen angeblich biologische Barrieren wie Zellwände, die Magen-Darm-Wand und die Blut-Hirn-Schranke überwinden und direkt an den Krebszellen andocken, um dort den Wirkstoff zu injizieren.

Krebstherapie per Nano-Transporter

Manche solcher Medikamentenfähren verfügen über ein regelrechtes Navigationssystem. Mit Hilfe von Adressmolekülen auf der Nanopartikeloberfläche können sie ihren Zielort ansteuern. Sie bleiben genau an den Zellen hängen, für die sie bestimmt sind. Im Innern der Partikel befinden sich Wirkstoffe (Biomoleküle, die von Nanokapseln gelenkt werden), die vor Ort aus den Partikeln ausströmen. Wie das funktioniert, gehört zum Kompliziertesten in der Wissenschaft. Bisher wird bei Krebsbehandlungen neben krankem auch gesundes Gewebe entfernt. Mit Hilfe von Nano-Quantenpunkten sollen Tumore früher erkannt und gezielter operiert werden.

Nur Science-Fiction? In wenigen Jahren könnte die schöne neue Nano-Welt schon Realität sein. In der Medizin genauso wie in der Raumfahrt.