Wahnwitzig gut: Ein alter Agatha-Christie-Krimi wird ganz anders verfilmt als gewohnt. In der Miniserie „Die Morde des Herrn ABC“ spielt John Malkovich den Detektiv Hercule Poirot. Heraus kommt grimmige Düsternis statt lockerer Rätselspaß.

Stuttgart - Es ist ein Moment extremer Erniedrigung. Auch wenn der belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot äußerlich aufrecht stehen bleibt, innerlich sieht man ihn unter dem Schlag taumeln. Der in Großbritannien lebende Exilant ist bei der Polizei vorstellig geworden, weil er die Ermittlungsprofis auf ein mögliches Verbrechen aufmerksam machen will. Einer der Beamten sagt: „Ihr Bart färbt ab, Monsieur Poirot.“

 

Das ist keine launige Bemerkung, keine kleine Stichelei. So wie Poirot im Einfärben seiner Haare mehr als ein wenig Altersretusche betreiben will, so packt der Polizist einen sehr grundlegenden Hass, eine rasende Verachtung in diese Bemerkung. Mit der Enthüllung einer kleinen scheiternden Eitelkeit wird der ganze Mythos des Superhirns Poirot zerstört.

Stimmung gegen Fremde

Zusammen mit der naseweisen Miss Marple ist Poirot die berühmteste Erfindung von Agatha Christie, der Königin des Rätselkrimis alter Schule. In etlichen Kinofilmen und TV-Serien ist er zum Einsatz gekommen, aber die famose britische Serie „Die Morde des Herrn ABC“ erfindet ihn so spektakulär neu, wie das „Sherlock“ mit Sherlock Holmes getan hat.

Allerdings wird Poirot, den John Malkovich grandios, stolz, brüchig und leidend verkörpert, nicht in unsere Tage verpflanzt. Die Handlung von Christies 1936 erschienenem Roman spielt hier 1933 in einem gereizten England, in dem die einheimischen Faschisten Stimmung gegen Fremde machen. Ein alt gewordener Poirot wird nicht nur von einem vermeintlich irren Briefeschreiber verfolgt – ein grausiger Restschaden seines einstigen Ruhms. Poirots allmähliches Heimischwerden in England wird Gespräch um Gespräch rückwärts aufgerollt. Man macht ihn zum Fremden, zum Unerwünschten, gar zum Feind.

Hölle der Glücksvernichtung

Wo andere noch keinen Zusammenhang zwischen einzelnen Verbrechen sehen, erkennt Poirot aufgrund der Briefe, die er erhält, einen Serienmörder am Werk. Agatha Christie wollte damals etwas Neues ausprobieren. Serienautorin Sarah Phelps hat das genial weitergedreht, ohne mit Christie zu brechen. Dieser von einer makellosen Kamera ins trübe Licht einer kleinbürgerlichen Glücksvernichtungshölle getauchte Dreiteiler sieht aus, als habe eine junge Christie unserer Tage nach Ansicht der TV-Serie „True Detective“ beschlossen, ihren Hercule Poirot in ein kein bisschen neckisches Dunkel und an seine Grenzen zu führen.

„Die Morde des Herrn ABC“ ist hierzulande im Premiumsegment von TV Now zu sehen, beim Streamingdienst der RTL-Gruppe. Ein erster Probemonat ist kostenlos, allerdings bietet TV Now unter anderem bei „The ABC Murders“ nicht, was anderswo Standard ist: die Option, die Originalfassung zu sehen.

Verfügbarkeit: Beim Streamingdienst TV Now, alle drei Folgen bereits abrufbar