Angela Merkel will Jens Spahn ins Kabinett holen. Damit bindet die CDU-Vorsitzende den wichtigsten Wortführer der Konservativen ihrer Partei in die Kabinettsdisziplin ein, kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Jens Spahn hat der Kanzlerin die Entscheidung nicht leicht gemacht. Bereits seit einiger Zeit baut sich der 37-Jährige aus Münster zum wichtigsten Wortführer der konservativen, innerparteilichen Merkel-Kritiker auf. Gegen den erklärten Willen der CDU-Vorsitzenden führte er auf einem Parteitag ein Nein zum Doppelpass herbei. Er steht im Verdacht, gemeinsam mit dem FDP-Chef Christian Lindner und dem CSU-Politiker Alexander Dobrindt an einer Ablösung Merkels zu arbeiten.

 

Es hätte für Merkel also viele gute Gründe gegeben, den ehrgeizigen Kontrahenten möglichst weit auf Abstand zu halten – und ihn nicht an den Kabinettstisch zu holen. Die Kanzlerin tut es klugerweise nicht, sondern will Spahn im Falle einer großen Koalition mit der SPD zum Gesundheitsminister machen.

Als langjähriger gesundheitspolitischer Sprecher bringt Spahn die fachliche Qualifikation ohne Zweifel mit. Aber um Fachkompetenz geht es hier am wenigsten. Merkel reagiert auf die Rufe nach einer Verjüngung und stärkeren Berücksichtigung konservativer Kräfte in der Führung nicht durch Ausgrenzung, sondern durch Umarmung.

Einbinden der Unzufriedenen

Wenn sie Spahn übergangen hätte, wären diese Rufe immer lauter geworden. Es hätte sogar zu einem regelrechten Aufstand des konservativen Flügels kommen können. So aber bindet Merkel die Unzufriedenen und ihren wichtigsten Sprecher in die Kabinettsdisziplin ein.

Das ist richtig, um die ganze Breite der Unionspositionen auch personell sichtbar zu machen. Das ist aber auch machttaktisch und persönlich für Angela Merkel wichtig. Sie hält sich damit an einen Ratschlag von Lyndon B. Johnson. Dieser amerikanische Präsident war ein Mann klarer, manchmal auch drastischer Worte. Zum Umgang mit Rivalen und Wortführern gegnerischer Gruppen in der eigenen Truppe hatte Johnson geraten: „Besser, man hat sie im eigenen Zelt und sie pinkeln nach draußen, als dass sie draußen stehen und ins Zelt hineinpissen.“