Am Montag beginnt der Klimagipfel in Marrakesch. Aber die Bundesregierung bleibt weit hinter ihren energiepolitischen Zielen zurück, sagt Baden-Württembergs grüner Umweltminister Untersteller.

Stuttgart - Herr Minister Untersteller, viele Städte und Länder bemühen sich freiwillig um den Klimaschutz. Werden sie allein gelassen, weil der Bund seinen Klimaschutzplan nicht auf die Reihe kriegt?
Er wird ihn schon auf die Reihe kriegen. Fragt sich nur wann und in welcher Qualität. Länder und Kommunen sind darauf angewiesen, dass der Bund den Rahmen setzt, in dem sie sich bewegen und ergänzende Maßnahmen ergreifen können. Allein werden die Länder die Klimaschutzziele nicht erreichen. Wir sind auch auf den europäischen Rahmen– sprich einen funktionierenden Handel mit Emissionsrechten – sowie auf den Bund angewiesen.
Laufen die Bemühungen von Städten und Ländern ins Leere, wenn kein gesetzlicher Flankenschutz vom Bund kommt?
Wir haben in Baden-Württemberg seit drei Jahren ein Klimaschutzgesetz, so etwas wünsche ich mir auf Bundesebene. Es sollte Ziele enthalten mit Zwischenschritten für 2020 und 2030 und ein Maßnahmenprogramm, das zeigt, wie man die Ziele erreicht. Der vorliegende Entwurf eines Klimaschutzplanes ist seit Monaten ständig abgespeckt worden, im Kanzleramt, auf Druck von Verbänden und Ministerien. Er enthält nur noch Brosamen – und wo Zahlen stehen müssten, stehen nur drei Xe. Da genügt die Bundesregierung nicht mal ihren eigenen Anforderungen, die sie beim Pariser Klimagipfel aufgestellt hat. Sie blamiert sich vor der Weltgemeinschaft.
Für Städte ist die Energieeffizienz in Gebäuden das große Thema, wie müsste sie durch Gesetze beflügelt werden?
Ich stelle erst einmal fest, was gut läuft: Der Bund hat in den letzten Jahren die Fördermittel für energetische Modernisierung, die über die Kreditanstalt für Wiederaufbau ausgezahlt werden, erheblich erhöht. Das Problem liegt in den niedrigen Öl- und Gaspreisen, wegen ihnen fehlt der Anreiz für eine private Gebäudesanierung. In den Zeiten des Klimaschutzes werden verstärkt wieder Ölheizungen eingebaut – das ist ein Unding. Was Neubauten anbelangt, da greift die Energiesparverordnung (EnEV) und das ist ein Anfang. Aber es fehlt im Bund an den rechtlichen Rahmenbedingungen für den Gebäudebestand, da sind wir auf den „Good Will“ der Hausbesitzer angewiesen – das allein ist zu wenig. Wir in Baden-Württemberg sind mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz besser aufgestellt: Wird die Heizung ohnehin ausgetauscht, können Gebäudebesitzer in die Erneuerbaren Energien gehen. Sie müssen aber nicht, sie können die vorgeschriebenen 15 Prozent „Erneuerbare“ auch in Form höherer Energieeffizienz erbringen. Uns fehlt ein guter Rahmen auf Bundesebene, dazu zählen steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten.
Ist das alles, was Sie vorschlagen?
Wir könnten im Strombereich die Verbraucher entlasten, etwa durch die Abschaffung der Stromsteuer von 2,05 Cent oder die Herausnahme eines Anteils von zwei oder drei Cent aus der EEG-Umlage. Im Gegenzug könnten wir die Steuer auf fossile Brennstoffe um den gleichen Betrag anheben. Das wäre keine Mehrbelastung für den Bürger, aber es wäre ein Anreiz, bei fossilen Brennstoffen mehr an Effizienz zu denken. Der fehlt uns heute total.
Ihr E-Wärmegesetz war heftig umstritten, wann kommt denn eine Bilanz?
Wir werden 2018 eine Bilanz ziehen und eine Überprüfung vornehmen. Kritiker sagen, wir hätten in Baden-Württemberg einen höheren Sanierungsstau bei Heizungen als anderswo. Für diesen Vorwurf gibt es keine validen Belege. Wir haben bundesweit einen Sanierungsstau, aber es gibt keine abgesicherten Zahlen darüber, dass wir im Vergleich zu anderen Ländern einen höheren hätten. Der Sanierungsstau hängt, wie ich bereits sagte, mit den niedrigen Preisen für fossile Brennstoffe zusammen. Die Leute halten ihre Ölheizungen solange wie möglich. Aber ich prophezeie, der Bund wird nicht umhin kommen, neben Beratung und Förderung für mehr Energieeffizienz ordnungspolitisch einzugreifen und etwas Ähnliches zu machen wie unser E-Wärme-Gesetz.
Welche Städte sind Vorreiter beim Klimaschutz im Südwesten?
Zum Glück gibt es in ganz Baden-Württemberg ein großes Engagement von Städten und Gemeinden. Der Tübinger OB Boris Palmer hat zum Beispiel viel gemacht mit seiner Klimakampagne „Tübingen macht blau“, aber auch Freiburg und viele andere engagieren sich. Wir haben heute über 90 Bioenergiedörfer – Samstag weihe ich wieder eins ein in Wald, im Kreis Sigmaringen. Jedes Bioenergiedorf, in dem Nahwärmenetze verlegt werden auf der Basis von Erneuerbaren Energien, bedeutet, dass wir weniger fossile Energie nutzen und weniger Kohlendioxid ausstoßen. Wir haben in Baden-Württemberg flächendeckend ein hohes Engagement von Kommunen und Landkreisen, die wir jährlich auch auszeichnen. Da kann ich mich nicht beklagen. Aber wenn das Verschmutzungsrecht im Emissionshandel für eine Tonne Kohlendioxid bei sieben Euro liegt – erhofft waren einmal 30 Euro – dann führt das dazu, dass Braunkohle- und alte Steinkohlekraftwerke rund um die Uhr laufen und Gaskraftwerke mit weniger Emissionen abgeschaltet werden. Hätten wir einen funktionierenden Emissionshandel, wäre das nicht der Fall. Noch einmal: wir brauchen einen europäischen und nationalen Rahmen für den Klimaschutz.