Das Umweltministerium in Stuttgart sucht „konstruktive Gespräche“ mit zwei Landkreisen, die keine Biotonne haben wollen. Aber deutschlandweit gibt es noch wesentlich mehr Verweigerer.

Stuttgart - Vor zwei Jahren hat der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) das Gespräch mit sechs rebellischen Landkreisen und Stadtkreisen aufgenommen, die keine Anstalten machten die Einführung der Biotonne voranzutreiben. Dabei ist sie seit Anfang 2015 bundesweit Pflicht. Inzwischen ist die Gruppe der Widerständler auf zwei Landkreise im Südwesten geschrumpft: „Bis auf den Alb-Donau-Kreis und den Landkreis Sigmaringen sind alle Landkreise auf dem Weg zur Einführung der Biomülltonne“, sagt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage. „Und dort sind wir in konstruktiven Gesprächen.“

 

Mit Gesprächen war das Land auch bei den anderen Kreisen vorangekommen, nur im Landkreis Karlsruhe sei eine „Anordnung“ notwendig gewesen – der bisher einzige Fall. Dort wird derzeit geprüft, welches System man einführen wolle. Sowohl in Karlsruhe, als auch in den Kreisen Waldshut und Neckar-Odenwald wird das Biomüllsammeln wohl „spätestens 2020“ eingeführt sein, sagte der Sprecher. Im Kreis Biberach ist ein Bringsystem geplant, die Kreise Ortenau und Emmendingen sind als einzige Nutznießer einer Sonderregelung, denn hier besteht eine innovative Anlage zur mechanisch-biologischen Abfallbehandlung beim Zweckverband Kahlenberg.

Kreis Sigmaringen argumentiert mit hoher hohe Eigenkompostierungsquote

Der Landkreis Sigmaringen – in dem auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann wohnt – weist auf die hohe Eigenkompostierung in seiner Region hin, es gebe hier nur einen sehr geringen Anteil von Biomüll im Restmüll, der im übrigen durch Verbrennung energetisch genutzt werde. „Wir sehen den Bedarf für die Biotonne nicht“, sagt ein Sprecher des Landratsamtes Sigmaringen. Aber man sei mit dem Land noch im Gespräch. Ähnlich auch die Argumentation im Alb-Donau-Kreise, wo überdies eine enorme Gebührenerhöhung durch die Biotonne befürchtet wird.

Mit zwei Rebellen unter den Kreisen liegt im Südwesten die Verweigerungsquote bei 4,5 Prozent, im bundesweiten Durchschnitt liegt sie viermal höher. Laut einer Studie des Naturschutzbundes (Nabu) haben von den 402 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland immer noch 73 Kreise die Verpflichtung zum getrennten Sammeln von Biomüll „gar nicht oder nur unzureichend“ umgesetzt – das ist eine Verweigerungs-Quote von gut 18 Prozent. Am vorbildlichsten sind Hessen und Schleswig-Holstein, Brandenburg trägt die rote Laterne. Von bundesweit 24 Städten, die gar keine Biotonne anbieten und es auch nicht planen, liegen fünf in Brandenburg.

Brandenburg ist Schlusslicht: nur sieben Kilo Biomüll pro Kopf

Nabu-Präsident Olaf Tschimpke sagt, dass pro Jahr in Deutschland knapp fünf Millionen Tonnen Bioabfall gesammelt werden, doch das Potenzial sei noch erheblich. Während in Brandenburg der Studie zufolge jährlich pro Einwohner insgesamt nur rund sieben Kilogramm Biomüll in Biotonnen gesammelt werden, sind es in Hessen und Schleswig-Holstein rund 90 Kilogramm. Berlin steht mit rund 20 Kilogramm an der vorletzten Stelle. Im Mittelfeld liegen Baden-Württemberg mit 49 Kilo, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, das Saarland und Bayern. Der Sammeldurchschnitt liegt bei 59 Kilo. Als besonders vorbildlich gelten der Hohenlohekreise, sowie die Kreise Südwestpfalz und Cochem-Zell, wo mit der Einführung der Biotonne die Sammelmenge von null auf 87 bis 94 Kilogramm gesteigert worden sei.

Die Infrastruktur der Länder und ob es sich um Ballungsräume oder ländliche Regionen handele, spiele eine große Rolle sagt Michael Jedelhauser, Nabu-Referent für Kreislaufwirtschaft. Viele auf dem Land haben einen Komposthaufen, auf der anderen Seite sei nicht eine hohe Müllmenge an sich das Ziel – denn auch Lebensmittelverschwendung könnte die Sammelzahlen nach oben treiben. Als Negativbeispiel fällt die Stadt Duisburg auf, wo eine freiwillige Biotonne angeboten wird. Das Sammelergebnis: ein Kilo pro Jahr und Einwohner.