Die Pannen auf der Remsbahn sorgen auch im baden-württembergischen Verkehrsministerium für Missstimmung. Ganz so schlecht wie teilweise dargestellt, sei die Lage aber nicht, sagt der oberste Beamte, Uwe Lahl.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Remstal - Die Pannen auf der Remsbahn sorgen auch im baden-württembergischen Verkehrsministerium für Missstimmung. Ganz so schlecht wie teilweise dargestellt, sei die Lage aber nicht, sagt der oberste Beamte, Uwe Lahl.

 

Volle Züge, Ausfälle, Unpünktlichkeit – es läuft offenkundig noch nicht rund auf der Remsbahn. Hat sich das Land mit Go-Ahead den falschen Betreiber ausgesucht?

Eins vorweg: Wir sind gut unterrichtet, uns ärgert die Situation. Go-Ahead hatte in den vergangenen Monaten massive Probleme – dass es so kommen würde, war bei der Vergabe nicht absehbar. Es stimmt aber nicht, dass gegenwärtig alle Züge von Go-Ahead unpünktlich oder überfüllt sind. Uns werden weniger Verspätungen gemeldet. Aber es muss noch besser werden.

Dann hat man vielleicht auf den falschen Zughersteller gesetzt?

Go-Ahead fährt ausschließlich mit Zügen von Stadler. Wir hätten uns nicht vorstellen können, dass ein Unternehmen mit solch gutem Ruf derartige Probleme mit der Software-Steuerung bekommt. Da war einiges noch nicht ausgereift. Da die Wagen zu spät ausgeliefert wurden, gab es zu wenig Probebetrieb, um dies im Vorfeld zu beheben.

Die gefühlte Unzufriedenheit ist die eine Sache, gibt es aktuelle Zahlen zur Verlässlichkeit der Züge, wie war es vor Go-Ahead und was ist die Zielvorgabe?

Die Pünktlichkeitsquote hat sich in den letzten Wochen bereits verbessert, sie liegt derzeit auf der Remstalbahn zwischen 85 und 90 Prozent, aber wir wollen über 94 Prozent kommen. Aber festzuhalten ist auch: nur jeder sechste Zug hat mehr als sechs Minuten Verspätung. Die Anzahl der ausgefallenen Zugkilometer liegt unter zwei Prozent, das hat sich deutlich beruhigt. Auch das soll aber noch halbiert werden.

Go-Ahead kritisiert, dass es wegen langer Genehmigungsprozeduren keine Möglichkeit für ausreichende Testfahrten gegeben habe…

Stadler hat eine neue Softwaresteuerung in den Zügen verwendet. Dass deren Abnahme durch das Eisenbahnbundesamt Zeit erfordert, hätten die Fachleute dort einkalkulieren können. Noch einmal: Stadler ist kein Start-up, sondern ein erfahrener Marktteilnehmer. Allerdings müssen wir beobachten, dass andere Zughersteller zurzeit ähnliche Schwierigkeiten haben. Das ist bundesweit ein Problem, nicht nur bei uns – eine schlechte Entwicklung, wie wir finden.

Außerdem wird ein Gutteil der Probleme auf die „katastrophale Infrastruktur“ geschoben, welche die Deutsche Bahn auf der Strecke biete – unter anderem unterschiedliche Bahnsteighöhen, die nicht der EU-Norm entsprächen.

Es stimmt: Die Infrastruktur könnte in viel besserem Zustand sein, die DB ist damit seit Jahrzehnten im Rückstand. Allerdings standen die unterschiedlichen Bahnsteighöhen in den Ausschreibungen. Moderne Fahrzeugtechnik kann damit umgehen – es sei denn, der Probebetrieb fehlt und die Software spielt nicht mit, wie jetzt auf der Remsbahn geschehen.

Die DB ist ein ehemaliger Staatsbetrieb, welche Möglichkeiten hat das Land, in Sachen Infrastruktur auf rasche Nachbesserungen zu dringen?

Dem Land gehört an der Remsbahn und an der Murrbahn keine Schwelle und kein Schotterstein. Es ist Sache der DB und des Bundes, für Besserung zu sorgen. Angesichts des milliardenschweren Klimaschutzpakets haben wir gewisse Hoffnung, dass nun in die Infrastruktur investiert wird.

Wie lange geben Sie dem Betreiber noch Zeit, für vertretbare Verhältnisse zu sorgen, was können Sie dazu beitragen und welchen Druck können Sie aufbauen?

Wir bauen großen Druck auf: Seit Beginn der Umstellung gibt es wöchentliche Rapporte und Jour-Fixe-Treffen. Immer wieder holen wir Verkehrsunternehmen, Fahrzeughersteller und Streckenbetreiber zusammen, um Lösungen zu finden. Zudem schaffen wir einen Lokführerpool und einen Fahrzeugpool, um mehr Reserven aufzubauen.

Ist an eine Entschädigung der Passagiere gedacht?

Darüber wird nachgedacht – aber dafür müssten letztlich die betroffenen Fahrzeughersteller aufkommen. Schließlich sind überwiegend deren Versäumnisse für die Situation verantwortlich.

Hat sich das Land bei den Ausschreibungen etwas vorzuwerfen, sind etwa nicht ausreichende Kapazitäten bestellt worden?

Das trifft nicht zu. Die Bestellungen basieren auf Zählungen, plus den Anstieg an Fahrgästen, der prognostiziert wurde. Wenn nun Züge überfüllt waren, lag es daran, dass einige Wagen wegen technischer Probleme nicht einsatzbereit waren und zu kurze Züge losfuhren. Das ist aber ein Problem des Betriebs, nicht der Kapazitätenplanung.

Der oberste Verkehrsbeamte

Uwe Lahl
Der gebürtige Bremer ist seit 2014 Ministerialdirektor und damit der oberste Beamte im baden-württembergischen Ministerium für Verkehr. Der 68-jährige studierte Germanist, Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaftler sowie promovierte Chemiker hat sich vor seiner Tätigkeit in Stuttgart vor allem im Umweltbereich profiliert. Seit 2008 ist er außerplanmäßiger Professor an der Technischen Universität Darmstadt für die Studiengänge Umweltingenieurwissenschaften und Bauingenieurwesen.