Neue Abteilungsleiterin für Verbraucherschutz im Agrarressort ist eine Beamtin aus der Staatskanzlei geworden. Offizieller Grund: Leistung und Eignung. Ministeriale wittern indes einen alten Deal dahinter.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es gab Zeiten, da galt das Landwirtschaftsressort in der baden-württembergischen Ministerialbürokratie als eine Art Strafkolonie. Beamte und andere Mitarbeiter, die in der Staatskanzlei – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr wohlgelitten waren, wurden besonders gerne ins Agrarministerium versetzt. Dort fristeten manche ein unauffälliges Dasein, zuweilen bis zum Ruhestand, andere blühten abseits der Regierungszentrale dagegen geradezu auf und wurden zu geschätzten Kräften.

 

In dem derzeit von Peter Hauk (CDU) geführten Haus herrscht jedenfalls eine erhöhte Sensibilität, wenn wieder einmal ein Beamter oder eine Beamtin aus der Villa Reitzenstein hinab an den Kernerplatz beordert wird. Weder sieht man sich gerne als Abstellgleis für Ministeriale, die anderswo gleichsam ausrangiert werden sollen, noch löst es Begeisterung aus, wenn Führungspositionen von außen besetzt werden. Dann platzen oft gleich mehrere Karriere-Hoffnungen, weil die ersehnte Beförderungskette erst gar nicht in Gang kommt.

Spielt Fachkenntnis keine Rolle?

Entsprechend skeptisch wurde auch eine Rochade bei den Abteilungsleitern diskutiert, die Anfang September erfolgte. Auslöser war die Pensionierung jenes Minsterialdirigenten, der bisher die Abteilung für Ländliche Räume geführt hatte. An seine Stelle wechselte eine bewährte Kraft aus dem eigenen Haus: Jürgen Maier, der langjährige Leiter der Abteilung Verbraucherschutz und Ernährung. Dort gab es immer wieder politisch brisante Themen zu handhaben, letztes Beispiel war der Eierskandal.

Fachliche Kenntnisse und Erfahrungen, hieß es in Ministeriumskreisen, seien für den Nachfolger da von Vorteil. An einschlägig ausgewiesenen internen Interessenten soll es auch nicht gemangelt haben. Doch die Stelle ging, ohne Ausschreibung, an eine Juristin aus dem – jawohl – Staatsministerium: Anne Leukhardt, seit zwölf Jahren Leiterin des Referats Gesundheit und Soziales, Leitende Ministerialrätin und Vize-Abteilungschefin. Zuvor war sie im Sozialministerium und im Landesmarketing tätig. Hintergrund sei offenbar eine noch aus Günther Oettingers Zeiten stammende informelle Regelung, wonach die Regierungszentrale Zugriff auf jeden dritten Abteilungsleiterposten bekomme, hieß es auf den MLR-Fluren. So solle sichergestellt werden, dass die Staatskanzlei genügend personelle Spielräume bekomme.

Kabinett entscheidet über Besetzung

Eine Sprecherin von Minister Hauk sagte lediglich, über die Besetzung habe das Kabinett entschieden. Es habe „eine Person“ ausgewählt, „die die Voraussetzungen für eine solch herausgehobene Führungsposition in besonderem Maße erfüllt“. Von der Pflicht zur Ausschreibung sei man in solchen Fällen befreit. Zur Rolle des Staatsministeriums, so die Sprecherin, solle sich dieses selbst äußern.

Zu der angeblichen alten Übereinkunft gab es auch von dort keine klare Auskunft. Führungspositionen, so ein Regierungssprecher, würden „nach Leistung, Eignung und Befähigung“ besetzt. Folglich wähle man Leute aus, „die in der Vergangenheit herausragende Leistungen gezeigt hätten“. Dass dabei auch Beschäftigte des Staatsministeriums zum Zuge kämen, sei „eine notwendige Konsequenz der gezeigten Leistungsbereitschaft“. Im konkreten Fall habe die „sehr erfahrene Verwaltungsjuristin“ Leukhardt in verschiedenen Führungspositionen bewiesen, dass sie für die Leitung einer Abteilung „in besonderem Maße geeignet“ sei. Seit 1993 im Landesdienst, habe sie „verschiedene Aufgaben in unterschiedlichen Ressorts wahrgenommen“ – das war wohl die Antwort auf die Frage nach der fehlenden Fachexpertise. Auf den Ministeriums-Fluren tröstet man sich derweil damit, dass die „Stami-Quote“ nun erst einmal erfüllt sei. Die nächsten beiden „AL“-Stellen dürfe das Ressort wieder selbst besetzen.