Das Verkehrsministerium solle endlich genehmigen, dass die Hesse-Bahn nur bis Weil der Stadt fährt. Das wäre aber nicht im Sinne des Klimaschutzes, sagt der Amtschef Uwe Lahl.

Stuttgart - Bürgerferne hatte jüngst der FDP-Kreisvorsitzende Hans Dieter Scheerer dem Verkehrsministerium vorgeworfen. Roland Bernhard, der Böblinger Landrat, nennt den Umbau des Renninger Bahnhofs Steuerverschwendung und fordert Gespräche. Und in Renningen prüft der dortige Bürgermeister Wolfgang Faißt (Freie Wähler) derzeit, eine erneute Klage gegen die Hesse-Bahn einzureichen. Bei all dem geht es um die Frage, ob die Hesse-Bahn wirklich bis Renningen fahren muss, und dort in Konflikte mit der S-Bahn kommen könnte. Was sein Haus dazu sagt, verrät Uwe Lahl im Interview mit unserer Zeitung. Als Ministerialdirektor und Amtschef ist er quasi der Stellvertreter von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

 

Herr Lahl, Bürgermeister, Gemeinde-, Kreis und Regionalräte und der Landrat des Kreises Böblingen fordern, dass die Hermann-Hesse-Bahn nur bis Weil der Stadt fährt. Warum geht das nicht?

Es geht natürlich, dass die Hesse-Bahn nur bis Weil der Stadt fährt, die Fahrstrecke also verkürzt würde. Aber das ist nicht unser Ziel, weil wir den Fahrgästen keine schlechtere Leistung anbieten wollen. Die Verkürzung ist nicht im Interesse der Fahrgäste, sie hat beispielsweise zur Folge, dass die Fahrgäste, die nach Böblingen wollen, gleich zweimal umsteigen müssen. Warum sollen wir das gut finden? Außerdem wirkt sich die Verkürzung letztlich auf die Wirtschaftlichkeit der Strecke aus, weil dann weniger Fahrgäste mit den Zügen unterwegs sind und weiterhin Ziele wie Böblingen mit dem Auto angesteuert werden. Im Sinne der Förderung des Schienenpersonennahverkehrs und letztlich auch des Klimaschutzes ist das der falsche Weg.

Vergangene Woche hat das Regierungspräsidium den Umbau des Renninger Bahnhofs genehmigt. Ist es wirklich wirtschaftlich, diesen Bahnhof für viele Millionen Euro umzubauen – wenn ein paar Jahre später ohnehin die S-Bahn verlängert wird?

Ein zusätzlicher Bahnsteig am Renninger Bahnhof ist eine Investition, die sich in jedem Fall lohnt. Sie hilft dauerhaft, das System Schiene flexibler und leistungsfähiger zu gestalten. Die S-Bahn bis Calw kommt, wenn sie kommt, meiner Erfahrung nach in etwa zehn Jahren, weil die planerischen Vorbereitungen sehr umfangreich sind. Falls es zu Klagen von Gemeinden oder Naturschutzverbänden kommt, dann dauert alles noch länger. Das Fledermausthema wird bei der S-Bahn übrigens erneut auftreten, weil die Tunnel elektrifiziert werden müssen und größere Züge fahren werden. Wenn wir auf die Hermann-Hesse-Bahn verzichten, wie dies von Kommunalpolitikern gefordert wurde, wird in den nächsten zehn bis 15 Jahren in der Region im Schienenverkehr keine Verbesserung eintreten.

Beim Streit mit dem Naturschutzbund Nabu um die Fledermäuse hat Ihr Haus viel Zeit, Nerven und Geld in die Schlichtung gesteckt. Müssten Sie jetzt nicht auch beim Streit mit den Böblinger Politikern mehr vermitteln?

Das Geld war bei dieser Schlichtung nicht das Problem, aber der Vorgang hat schon Zeit und Nerven gekostet. Wir sind jedoch mit den Lokalpolitikern im Kreis Böblingen immer wieder im Gespräch und suchen Kompromisse. Unser Stufenkonzept – erst die Hermann-Hesse-Bahn und später die S-Bahn – war so ein Kompromiss, der damals von allen getragen wurde. Das Stufenkonzept stellt sicher, den Schienenverkehr auf der Strecke wieder in Fahrt zu bringen. Und diese Chance sollten nun alle Beteiligten ergreifen.

Der Böblinger Landrat Roland Bernhard sagte vor wenigen Tagen, dass er diesbezüglich schon im März um einen Termin im Verkehrsministerium gebeten habe.

Ich finde es einen schlechten Stil zu behaupten, wir hätten keinen Termin für Herrn Landrat Bernhard. Ich habe mir sein Schreiben vom März noch einmal angesehen. Er hat dort seine Position vertreten – wenn er einen Termin hätte haben wollen, muss er das auch schreiben. Wenn er das nicht schreibt, macht mein Büro auch keinen Termin. Wir können keine Gedanken lesen. Als er sich am Dienstag vergangener Woche erkennbar einen Termin gewünscht hat, hat er diesen umgehend bekommen. Und ich frage mich natürlich, warum er mich nicht einfach anruft. Er bekommt dafür auch meine Handy-Nummer. Was soll das Ganze?

Die Stadt Renningen erwägt zurzeit, gegen die Planfeststellung des Renninger Bahnhofs für die Hesse-Bahn zu klagen. Was hieße das für das Projekt?

Grundsätzlich können Planfeststellungsbeschlüsse beklagt werden. Ob und gegen was die Stadt Renningen konkret klagen will, wissen wir nicht. Das wird sich zeigen. Wenn eine gerichtliche Auseinandersetzung käme, so verzögert dies das Projekt um mehrere Jahre. Es wäre ein weiteres Beispiel dafür, warum sich Infrastrukturprojekte in Deutschland so schleppend verwirklichen lassen. Aber es wäre natürlich das gute Recht der Stadt, den Rechtsweg zu gehen. Wenn wir allerdings unsere Klimaschutzziele erreichen wollen, müssen wir die Kraft zum Kompromiss haben.

Die Route Leonberg-Calw ist der einzige von Stuttgart wegführende Ast, der nicht in das Konzept der Metropolexpress-Züge aufgenommen worden ist. Auch Renninger, Leonberger und Ditzinger finden es als Benachteiligung, dass sie keine schnelle Verbindung nach Stuttgart haben. Müsste ein Metropolexpress Stuttgart-Calw nicht das eigentliche Ziel sein?

Mit der Region ist besprochen, dass die Express-S-Bahn kommen soll. Es geht jetzt um das Wann. Die Zeiträume für Elektrifizierungsprojekte liegen bei mindestens zehn Jahren, sofern nicht geklagt wird. Ein künftiger Metropolexpress müsste zudem den künftigen Stuttgarter Tiefbahnhof ansteuern. Hierzu ist zu prüfen, ob der neue Bahnhof dafür ausreichende Kapazität hat.

Ihr Haus hatte im April eine große Bahnstrecken-Reaktivierungs-Offensive angekündigt. Was lernen Sie aus den Querelen um die Hesse-Bahn?

Ich finde, es bestätigt sich immer wieder: Wenn sich Raumschaften einig sind, geht es schnell voran. Wenn Gerichte bemüht werden, dann dauert es eben entsprechend länger. Und das geht dann immer zu Lasten der Bürger.