Italiens Regierung aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega ist gescheitert. Wie es weitergeht, muss nun der Staatspräsident entscheiden.

Rom - Das Experiment ist gescheitert. Die Regierung zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega ist nun auch offiziell zu Ende. Ministerpräsident Giuseppe Conte ist am Dienstagabend nach einer fünfeinhalbstündigen Senatssitzung zu Staatspräsident Sergio Mattarella gegangen, und hat bei ihm seinen Rücktritt eingereicht. Diesen Schritt hatte Conte bereits am Nachmittag während der Sitzung am Ende seiner 50-minütigen Rede angekündigt, sich danach aber noch die Debatte über seine Erklärung angehört. Mattarella erklärte am Abend, er nehme den Rücktritt zur Kenntnis und forderte die Regierung auf, sich um die laufenden Geschäfte zu kümmern. Die Konsultationen mit den Parteien über das weitere Vorgehen werden am Mittwochnachmittag beginnen.

 

Nichts ist mehr übrig von der Schüchternheit und Unsicherheit, mit der der parteilose Conte vor 14 Monaten seine erste Pressekonferenz als Regierungschef von Italien abgab. Damals flankiert von seinen Vizes Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und Lega-Chef Matteo Salvini. Als Marionette der beiden wurde er verschrien. Doch das Blatt hat sich gewendet: Heute ist es Conte, der die Fäden in der Hand hält.

Abrechnung mit Innenminister Salvini

Auch am Dienstagnachmittag steht er im Senat in Rom zwischen Salvini und Di Maio auf der Regierungsbank. Besonnen, klar und fest entschlossen richtet Conte das Wort nach etwa 20 Minuten direkt an Salvini. „Lieber Innenminister, lieber Matteo“, beginnt er seine Abrechnung mit dem Mann, der vor fast zwei Wochen die Regierungszusammenarbeit zwischen der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung überraschend als gescheitert erklärt und damit die aktuelle Regierungskrise ausgelöst hatte.

„Du bittest das Volk nach voller Macht, sagst, die Krise entscheidet sich auf den Plätzen“, wendet sich Conte direkt an Salvini, „erlaube, mir zu sagen: Diese Worte bereiten mir große Sorgen.“ Der Rechtsprofessor verweist auf die Wichtigkeit von Gesetzen und Institutionen. „Wir brauchen keine Politiker mit voller Macht, sondern solche mit Verständnis für die demokratischen Institutionen und für ihre politische Verantwortung.“

Das Volk wählen zu lassen, sei die Essenz einer Demokratie. „Es jedes Jahr wählen zu lassen, ist unverantwortlich.“ Salvini hatte nach dem Bruch mit dem Koalitionspartner sofortige Neuwahlen gefordert. Seine Lega steht derzeit in den Umfragen mit 34 Prozent mit Abstand an erster Stelle. Bei den Wahlen im März 2018 war sie noch auf nur 17 Prozent gekommen.

In seiner direkten Replik auf Conte, die er von seinem Platz als Senator und nicht von dem der Regierungsbank halten musste, wirkte Salvini selbst zunächst etwas sprachlos. Stinksauer und mit schwerem Atem sagt er: „Ich würde alles wieder so machen, wie ich es gemacht habe.“ Bis er zu den üblichen Angriffen auf den politischen Gegner, zu dem nun auch Conte zählt, übergeht, muss sich der sonst so gewiefte Politik-Profi erst einmal fangen. Einen Teil der späteren Debatte hört sich der Lega-Chef nicht persönlich an. Bereits um 18.30 Uhr, als die Aussprache noch in vollem Gange ist, ist Salvini live in einem Facebook-Video aus seinem Büro zu sehen. Darin kritisiert er die Entscheidung der sizilianischen Staatsanwaltschaft, die am Dienstag das Anlanden des spanischen Rettungsschiffes „Open Arms“ mit Dutzenden Migranten an Borg angeordnet hat. Salvini hatte die Einfahrt in einen italienischen Hafen bisher untersagt.

Die Mehrheit der Italiener ist mit Conte zufrieden

Vor dem Senat hatten sich den Tag über Hunderte Demonstranten versammelt. Vor der Senatssitzung skandierten viele den Namen „Conte“ und schwenkten Italien-Flaggen. Andere hielten Schilder hoch, auf denen sie Salvini ihre Solidarität ausdrückten. Auch wenn die Umfragen die Lega weit vor den anderen Parteien sehen, ist die Zustimmung für den parteilosen Conte derzeit höher als die für jeden anderen Politiker im Land. Laut einer aktuellen Erhebung sind 64 Prozent zufrieden mit Giuseppe Conte. Matteo Salvini geben 54 Prozent der Befragten eine positive Bewertung.

Nach der Rücktrittserklärung Contes liegt das weitere Vorgehen in den Händen von Staatspräsident Mattarella. Er wird nun über die weiteren Schritte entscheiden. Am wahrscheinlichsten ist, dass er unter den Fraktionen im Parlament sondieren wird, ob sich eine neue Regierungsmehrheit findet. Hinter den Kulissen sollen bereits Verhandlungen zwischen dem sozialdemokratischen Partito Democratico, der noch in der Opposition sitzt, und der Fünf-Sterne-Bewegung, die die Mehrheit der Sitze innehat, begonnen haben. Findet sich eine neue Mehrheit, wären Neuwahlen zunächst einmal abgewendet.

Ein Ausweg aus der Krise sollte auf jeden Fall schnell gefunden werden. Bis zum 31. Dezember muss Italien sein Haushaltsgesetzt für das Jahr 2020 verabschiedet haben – bereits Mitte Oktober muss ein Entwurf der EU-Kommission in Brüssel vorgelegt werden.