Ministerpräsident Winfried Kretschmann fordert mehr Zurückhaltung beim Waffenexport. Besonders Lieferungen in Spannungsgebiete sollten zukünftig unterlassen werden, wünscht sich der Stuttgarter Regierungschef.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich für eine restriktivere Praxis bei deutschen Waffenexporten ausgesprochen. Die dafür ausschließlich verantwortliche Bundesregierung müsse „sehr sorgsam mit ihren Entscheidungen für solche Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter umgehen“, sagte Kretschmann der Stuttgarter Zeitung. Die dafür gültigen Kriterien, die sogenannten Politischen Grundsätze, seien „eng auszulegen“, „Lieferungen in Spannungsgebiete sollten unterlassen werden“. Zudem müssten „auch die innenpolitische Lage des Empfängerlandes, die Lage der Menschenrechte, der Respekt vor internationalen Konventionen und mögliche Konsequenzen für die regionale Sicherheit noch stärkere Berücksichtigung finden als   bisher“, sagte der Stuttgarter Regierungschef, der zurzeit auch Präsident des Bundesrates ist.

 

Anlass der StZ-Anfrage waren die Ermittlungen gegen Verantwortliche des Waffenherstellers Heckler & Koch in Oberndorf (Kreis Rottweil). Ihm sei bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart seit August 2010 ein Verfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und gegen das Außenwirtschaftsgesetz führe, teilte Kretschmann mit. Es gehe um den Vorwurf, das Unternehmen habe Waffen und Ersatzteile an Polizeibehörden in vier mexikanischen Bundesstaaten geliefert, obwohl dies nicht durch Ausfuhrgenehmigungen gedeckt war. Den aktuellen Stand der Ermittlungen kenne er nicht. Zuletzt war durch Medienberichte bekannt geworden, dass Heckler & Koch zwei langjährige Mitarbeiter für die Verstöße verantwortlich mache, die „ohne Wissen und Wollen anderer Personen im Unternehmen“ vorgegangen seien.

„Wirtschaftlich von recht geringer Bedeutung“

„Es geht mir nicht darum, sämtliche Exporte von Gütern zu untersagen, die für militärische Zwecke genutzt werden könnten“, betonte der Ministerpräsident. „Mir ist sehr wohl bewusst, dass auch die Existenz kleiner Zulieferbetriebe von solchen Ausfuhren abhängt und dass es nicht nur um Heckler & Koch geht.“ Dennoch sei ihm „ein verantwortungsvoller Umgang mit den Genehmigungen sehr wichtig“. Mit Blick auf die Diskussion der vergangenen Monate nannte Kretschmann Ausfuhrgenehmigungen etwa für U-Boote, Panzer oder Patrouillenboote „ein hochsensibles Thema“. Immer wieder stelle sich die Frage, unter welchen Bedingungen es gerechtfertigt sei, Rüstungsgüter zu exportieren und inwieweit es „legitime Interessen von Staaten“ gebe, solche zu erwerben. Dabei müsse man sich vor Augen halten, „dass Rüstungsgüter mit weniger als einem Prozent an den Exporten Deutschlands wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch eine recht geringe Bedeutung haben“. Politisch hätten sie dagegen „eine große Bedeutung“.

Kretschmann begrüßte die Mahnungen der Kirchen. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung habe kürzlich „meiner Meinung nach zurecht darauf hingewiesen, dass es ein Trugschluss sei zu glauben, Waffenexporte in Konfliktregionen würden stets zur dortigen Stabilisierung beitragen“. Dass die Kirchen hier „als harter und strenger Mahner an die Politik auftreten, verdient unser aller Respekt, und ihre Kritik nehmen wir außerordentlich ernst“. Zum einen seien die innenpolitischen Entwicklungen in den betroffenen Ländern „oft nur schwer vorhersehbar“, zum anderen sei es problematisch, wenn gerade in ärmeren Regionen aufgrund hoher Rüstungsausgaben „die Mittel an anderen wichtigen Stellen wie im Bildungs- und Gesundheitsbereich fehlen“.

Grüne wollen Kurswechsel bei Rüstungsexporten

Bereits im Programm für die Landtagswahl 2011 hatten sich die Südwest-Grünen kritisch zu Rüstungsexporten geäußert. Man sehe „mit Sorge, dass Deutschland nach den USA und Russland der weltweit drittgrößte Waffenexporteur ist und baden-württembergische Unternehmen hierbei eine Schlüsselrolle spielen“. Im Land, auf Bundes- und europäischer Ebene setze man sich „für den Umstieg dieser Industrien auf zivile Fertigung ein“.

Im Programm für die Bundestagswahl findet die Partei ebenfalls klare Worte. Eine Regierungsbeteiligung der Grünen gebe es „nur mit einer anderen Rüstungsexportpolitik, die endlich mehr Transparenz und Kontrolle ermöglicht und restriktiv ist“, heißt es darin. Unter anderem wird gefordert, der Handel mit Kleinwaffen – wie aus Oberndorf – müsse „massiv begrenzt und kontrolliert werden“. Unter der Regierung von Angela Merkel „fielen jegliche Schamgrenzen“, beklagen die Grünen. Die Kanzlerin „verklärt diese Exportpolitik zynisch als Form der Konfliktbearbeitung“. Die baden-württembergischen Grünen stünden hinter dieser Position, sagte eine Sprecherin des Landesverbands.