Erst der Umgang mit der Linken, jetzt das Bleiberecht für abgelehnte Asylbewerber in Arbeit – der Kieler Ministerpräsident Daniel Günther eckt in der Union an.

Stuttgart - Im Urlaub, den er mit seiner schwangeren Frau und der zweieinhalbjährigen Tochter in Schleswig-Holstein verbracht hat, muss sich Daniel Günther einiges vorgenommen haben. Gerade zurück aus der Sommerfrische hat der Kieler Ministerpräsident gleich mit einer Reihe von Interviews in seiner CDU eine Menge politischen Staub aufgewirbelt – und erst recht in der Schwesterpartei CSU, die in Bayern kurz vor einer Landtagswahl steht. Dort kommen Günthers Gedankenspiele zu Gesprächen mit der Linkspartei oder Arbeitsmöglichkeiten für abgelehnte Asylbewerber alles andere als gut an.

 

Den Mann, der erst Verlegenheitsspitzenkandidat seines Landesverbandes war und als überraschender Wahlsieger im Frühsommer 2017 quasi über Nacht auf der bundespolitischen Bühne stand, ficht das nicht an. Als Chef einer Jamaika-Regierung, was ihn während der Sondierungsgespräche mit Grünen und Liberalen nach der Bundtagswahl zum gefragten Ratgeber von Kanzlerin Angela Merkel machte, setzt er voll darauf, dass nicht mehr „Politik von vor 30 Jahren“ gemacht, sondern „ideologiefreier und lösungsorientierter“ zwischen den Parteien gearbeitet wird. So wie er das mit FDP-Vize Wolfgang Kubicki und dem neuen Grünen-Bundeschef Robert Habeck in Kiel praktiziert hat.

Hat der Hoffnungsträger der CDU einen taktischen Fehler begangen?

Im Gegensatz zu anderen in der Union sieht Daniel Günther also nicht in erster Linie die SED-Nachfolgepartei, wenn er über den Umgang mit der Linken nachdenkt und das Ablegen der Scheuklappen fordert. Er sieht vielmehr im Hier und Jetzt ein strategisches Dilemma der CDU im Osten, die 2019 bei Wahlen in mehreren Bundesländern mit einer schwierigen Suche nach Regierungsmehrheiten rechnen muss. Da sich seine Partei nicht aus falsch verstandener Prinzipientreue aus der Verantwortung stehlen soll, hat Günther deshalb als erster westdeutscher CDU-Politiker von Rang „Verständnis“ für die Debatte in mehreren ostdeutschen Landesverbänden geäußert, die der Brandenburger Fraktionschef Ingo Senftleben vor Monaten eröffnet hat.

Nicht wenige Beobachter sind dennoch der Meinung, dass der Hoffnungsträger aus dem Norden seinen ersten taktischen Fehler begangen hat. Schließlich zwang er damit nicht nur Kanzlerin Merkel zu einer klaren Absage: „Ich befürworte keine Zusammenarbeit mit der linken Partei.“ Auch für Sachsens jungen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, dessen CDU bei der Bundestagswahl im Freistaat hinter der AfD landete und intern eher diskutiert, inhaltlich nicht rechts genug aufgestellt zu sein, kommt die Debatte über eine mögliche strategische Öffnung nach links zur Unzeit. Man lehne eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei „genauso rigoros“ ab wie eine mit der AfD, sagte Kretschmer am Donnerstag vor einem Besuch Merkels in der Dresdner Landtagsfraktion, wo auch über den Kurs der Partei diskutiert wurde.

Günther steht trotzdem zu seinen Aussagen. Auch verteidigt er den Zeitpunkt, zu dem er seinen nächsten Aufreger platziert hat. Der CSU gefällt es vor der Landtagswahl in Bayern gar nicht, dass aus der Schwesterpartei ein Vorstoß kommt, der nicht mehr, sondern weniger Härte gegenüber Migranten ohne Aufenthaltsrecht verspricht. Und auch Unionsfraktionschef Volker Kauder befürchtet neue Anreize für Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen fliehen.

Mittvierziger mit Selbtbewusstsein

So viel Selbstbewusstsein hat der Mittvierziger mittlerweile, dass er keinen Rückzieher macht, sondern lieber nachlegt. „Herr Seehofer legt bald einen Gesetzentwurf zur Zuwanderung von Fachkräften vor“, sagt er in einem Telefonat am Donnerstag. Deshalb werbe er jetzt dafür, dass das Gesetz „einen Spurwechsel für abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber mit einem Arbeitsplatz ermöglicht“. Er versteht auch die Sorge nicht, dass seine Initiative den flüchtlingspolitischen Burgfrieden beider Unionsparteien gefährden könnte, das Thema sei schließlich auch für Bayern wichtig: „Wir haben hier schlicht einen großen Regelungsbedarf, der für alle Bundesländer besteht.“ Unternehmer würden darunter leiden, wenn ein kompetenter und gut integrierter Mitarbeiter abgeschoben wird, meint Günther: „Das sind reale Sachzwänge, weshalb die Diskussion auch nicht aufgeschoben werden kann.“

Vielleicht kommt ihm der Protest auch nicht so laut vor, weil er Getöse gewohnt ist: Während seines Urlaubs war er beim Wacken Open Air, dem Heavy-Metal-Festival in Deutschland. Besonders fieberte er dem Auftritt von „Judas Priest“ entgegen, mit deren Musik sich der CDU-Mann einst vor Handballspielen in Stimmung brachte.