Kretschmann lässt es sich nicht nehmen, der Regierung in Paris in Sachen Energiewende und Atomkraftwerk Fessenheim die Leviten zu lesen.

Paris - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat bei seinem Paris-Besuch für den Ausstieg aus der Atomkraft geworben und auch den Konflikt um den elsässischen Altmeiler Fessenheim nicht ausgespart. "Die Franzosen werden eher ein Problem bekommen", sagte Kretschmann am Mittwoch. Die konservative Regierung in Frankreich setzt auch nach der nuklearen Katastrophe im japanischen Fukushima unbeirrt auf die Kernkraft. Es sei nun die Aufgabe der Deutschen, zu zeigen, dass die Energiewende nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch der richtige Weg sei, sagte Kretschmann. "Wir müssen die Energiewende in den nächsten zehn Jahren schaffen."

 

Die französischen Regierungsmitglieder und der Präsident der Nationalversammlung Bernard Accoyer zeigten sich interessiert, blieben in der Sache aber hart. Der in Frankreich verbrauchte Strom kommt zu mehr als 80 Prozent aus der Atomkraft. Der Vize-Minister Philippe Richert erklärte, der Dissens im Energiebereich sei nicht so groß wie immer behauptet. Auch die Franzosen wollten die erneuerbaren Energien weiter entwickeln. Dabei müsse aber auch gefragt werden, was passiert, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. "Es geht ja nicht, zu sagen, wir kehren der Atomkraft den Rücken und holen uns den Strom aus dem Nachbarland." Auch der für Europa zuständige Vize-Minister Jean Leonetti sagte, es sei ihm nicht ganz klar, wie Deutschland mit dem Ausstieg aus der Kernkraft die Klimaschutzziele erreichen wolle. Ein Wiedereinstieg in fossile Energieträger wie Kohle und Gas komme für die Franzosen nicht infrage. "Wir wollen kein neues Umweltproblem erzeugen."

Atomkraftwerk Fessenheim soll bleiben

Kretschmann sprach bei seinen Treffen auch den einzigen echten Zankapfel zwischen Baden-Württemberg und Frankreich an. "Wir haben mit Fessenheim auch ein Konfliktthema", sagte Kretschmann. Die Landesregierung hatte bereits gefordert, dass der störanfällige Altmeiler an der deutsch-französischen Grenze stillgelegt wird. Vize-Minister Richert, der auch Regionalpräsident im Elsass ist, blieb hart: Fessenheim werde zunächst zehn Jahre weiterlaufen und immer wieder kontrolliert. Künftig solle auch eine Expertengruppe aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz den Meiler überprüfen.

Atomkraftwerk liegt in einem Erdbebengebiet

Rheingraben: Das älteste Atomkraftwerk Frankreichs liegt dicht an der deutschen Grenze im Rheingraben, wo hin und wieder die Erde bebt. Die Anlage mit zwei 900-Megawatt-Reaktoren ist seit 1977 in Betrieb. Der Betreiber sagt, das AKW könne einem Erdbeben der Stärke 6,7 widerstehen – mehr als genug für ein schweres Beben wie 1356 in Basel, das nach unterschiedlichen Berechnungen einen Wert von 6,3 oder 6,2 erreichte.

Dammbruch: Der trinationale Atomschutzverband Tras fordert die sofortige Schließung. Er verweist darauf, dass Experten mittlerweile eine Widerstandsfähigkeit bis Stärke 7 verlangten. Der Umweltverband BUND warnt zudem vor einer Überflutung nach einem Dammbruch des Rheinkanals. Nach Einschätzung der französischen Atomaufsicht kann Fessenheim noch zehn Jahre weiterbetrieben werden.