Er könne den Unmut der Bürger zum Pensionsbeschluss des Landtags gut verstehen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), hielt sich aber ansonsten auffällig zurück.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein verbaler Eiertanz, den Ministerpräsident Winfried Kretschmann mittags nach der wöchentlichen Kabinettssitzung vollführte. Was würde er, die moralische Instanz der Grünen, zu der seit Tagen schwelenden Pensionsaffäre sagen? Er solle seinen Parteifreunden ins Gewissen reden, hatte ihn der Staatsrechtler Hans-Herbert von Arnim im Fernsehen aufgefordert. Ob er das getan habe? Natürlich wurde Winfried Kretschmann von den Journalisten mit solchen und anderen Fragen gelöchert. Doch eigentlich wollte er nichts dazu sagen, bevor sich am Nachmittag nicht die drei Fraktionschefs geäußert hätten; das sei für ihn ein „Gebot der Fairness“.

 

Zwischen den Zeilen wurde der Regierungschef aber doch mehrere Botschaften los. Botschaft eins: Er sei in die Angelegenheit nicht einbezogen gewesen, „zu keinem Zeitpunkt“, wie er betonte. Offensichtlich hatte auch ihn überrascht, wie Grüne, CDU und SPD die Neuregelung in der vorigen Woche durchs Parlament gepeitscht hatten. Dabei hätte er schon als Zeitungsleser wissen können, was da im Anzug war: Schon vor Wochen berichtete die Stuttgarter Zeitung erstmals über die Pläne. Erst als der Volkszorn hochkochte und ein Volksantrag drohend im Raum stand, wachte die Regierungszentrale auf; dann glühten auch die Drähte zur Landtagsfraktion. Botschaft zwei: Er könne den Unmut der Bürger gut verstehen. „Natürlich habe ich das erwartet“, sagte Kretschmann, auf den Proteststurm angesprochen. Schon bei weitaus geringeren Anlässen rund um die Abgeordnetenbezahlung hagele es beim Staatsministerium Kritik. Für das Parlament sei er zwar nicht verantwortlich, aber manche Bürger hielten ihn für eine Art allzuständigen „König von Württemberg“.

„Im Kern“ hält Kretschmann die Reform von 2008 für richtig

Vor neun Jahren, als die Parlamentsreform beschlossen wurde, war Kretschmann freilich Fraktionschef der Grünen. Damals habe er die Reform mit verhandelt, „im Kern“ halte er sie heute noch für richtig. Für das damals gegebene Versprechen – höhere Diäten, aber dafür Abstriche bei der Altersversorgung – wollte er sich indes nicht in die Haftung nehmen lassen. Eine „Garantenstellung“ gegenüber der Öffentlichkeit lehne er ab: Jeder Landtag entscheide solche Fragen für sich. Botschaft drei: Aus Sicht der Abgeordneten gebe es sehr wohl ein Problem. Mit der Niedrigzinsphase und den Auswirkungen auf die Altersvorsorge hätten die Abgeordneten damals nicht gerechnet – wie die Bürger auch nicht. Ob sich nun alle in die Staatspension flüchten könnten? Das gehe natürlich nicht, erwiderte Kretschmann. Auch zum SPD-Vorstoß, eine gemeinsame Altersversorgung für alle Erwerbstätigen zu schaffen, wollte er sich nicht näher äußern: Das sei vor allem eine Frage des Bundes.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), die eigentlich über Studiengebühren berichten sollte, blieben Fragen zur Pensionsaffäre natürlich auch nicht erspart. An der fraglichen Abstimmung habe sie nicht teilgenommen, stellte sie klar, wegen eines Gesprächs im Landtag. Als parlamentarische Geschäftsführerin aber hatte sie die Landtagsreform 2008 maßgeblich mit ausgehandelt. Die sei schon sehr ambitioniert gewesen, meinte sie im Rückblick; leider hätten sich später die „Rahmenbedingungen deutlich verschlechtert“.

Auch auf das Insistieren einer Journalistin, ob er nicht doch einen Satz an die Bürger richten wolle, ging Winfried Kretschmann nicht ein. Seine ergänzende Begründung: Als „Uralt-Abgeordneter“ habe er gut reden – er bekomme dereinst in jedem Fall eine Staatspension.