Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) steigt auf ein ungesichertes Auto um - manchmal nimmt er aber auch den Hubschrauber.

Stuttgart - Am Anfang stand der Populismus-Vorwurf. Als "puren Populismus" hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag die Kritik der FDP-Landesvorsitzenden Birgit Homburger an seinem Hubschrauberflug nach Lübeck im vergangenen Oktober zurückgewiesen. An jenem Tag hatte der Regierungschef in Filderstadt vor 600 Bürgermeistern des baden-württembergischen Gemeindetags gesprochen ("ein Pflichttermin für den Ministerpräsidenten"), um gleich anschließend in den Polizeihubschrauber zu steigen, auf dass er noch rechtzeitig zur Ministerpräsidentenkonferenz nach Lübeck komme.

 

Daran ist nichts Ungewöhnliches. Der Gebrauch des Polizeihubschraubers steht dem Ministerpräsidenten zu, wenn es die Termine nötig erscheinen lassen. Zweimal habe er bisher davon Gebrauch gemacht, sagte Kretschmann. Da war mancher seiner Vorgänger deutlich flugfreudiger. Auch dass der Dienstwagen in solchen Fällen vorausfährt, um den Regierungschef vor Ort zu chauffieren, gehört zum Standard. "Das hat Sicherheitsgründe", verteidigte sich Kretschmann. FDP-Landeschefin Homburger hatte an Dreikönig dem Grünen eine "doppelbödige Moral" vorgeworfen, weil er keinen Linienflug genommen oder mit der Bahn oder dem Auto gefahren sei. Kretschmann erwiderte gestern, der FDP stehe das Wasser bis zum Hals, da "greift man eben zu solchen Vorwürfen".

Kretschmann gegen gepanzerten Dienstwagen

Freilich kommen Homburgers Vorwürfe nicht völlig aus dem Nichts. Immerhin hat es der Grünen-Parteichef Cem Özdemir schon einmal geschafft, mit dem Hubschrauber vom Stuttgarter Flughafen nach Cannstatt zu fliegen, um noch rechtzeitig ins Fernsehen zu kommen. Zwar gibt es große Unterschiede: Özdemir ist kein Regierungschef, und die kurze Strecke war unverhältnismäßig. Von Kretschmann ist auch nicht bekannt, dass er sich als Oppositionspolitiker mit der Kritik von Hubschrauberflügen der Ministerpräsidenten hervorgetan hätte.

Doch richtig ist auch, dass in Umweltschutzfragen regelmäßig der moralische Zeigefinger von Grünenpolitikern zügig nach oben schnellt.

Womöglich um von dem Hubschrauberthema abzulenken, kam Kretschmann auf seinen Dienstwagen zu sprechen. Sobald der Leasing-Vertrag für sein gepanzertes Gefährt in diesem Jahr ausläuft, will er nämlich auf einen ungepanzerten Wagen umsteigen. Kretschmann hatte das vor einiger Zeit schon einmal angekündigt, war dann aber nach dem Auffliegen der Zwickauer Terrorzelle ins Schwanken gekommen.

Billiger und umweltfreundlicher

Weil offenkundig wurde, dass es immer noch Terror gibt in Deutschland - in diesem Fall von Rechts. Und weil ihm klar wurde, dass er nicht allein im Auto sitzt, sondern noch der Fahrer und weitere Mitarbeiter. "Also habe ich die Leute gefragt, ob sie einverstanden sind, wenn ich umsteige." Sie waren. Und so will er künftig ungepanzert durchs Land fahren.

Zur Begründung gab Kretschmann an, ein ungepanzertes Auto sei billiger und verbrauche weniger Sprit. Auf besorgte Nachfrage versicherte er indes, es werde auch weiterhin ein Daimler sein, ein S-Klasse 350 bluetec. Die Frage, ob hinter seinem Verzicht auf ein gepanzertes Auto nicht auch Populismus stecke, verneinte Kretschmann. Die Personenschützer im Begleitfahrzeug fahren übrigens weiterhin gepanzert. Das ist vorgeschrieben.