Die Länder wagen einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot. Die Klageschrift für das Bundesverfassungsgericht soll zum Ende des ersten Quartals 2013 fertig sein.

Berlin - Rund zehn Jahre nach dem Scheitern des ersten Versuchs in Karlsruhe wagen die Länder einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot. Die Klageschrift für das Bundesverfassungsgericht soll zum Ende des ersten Quartals 2013 fertig sein.

 

Die Bundesregierung will wegen bestehender Risiken bis März entscheiden.

Die Ministerpräsidenten sprachen sich bei einem Treffen in Berlin dafür aus, in Karlsruhe ein neues Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei einzuleiten. Nach einem für den 14. Dezember vorgesehenen Beschluss des Bundesrats werde eine Klageschrift erstellt, teilte Thüringens Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) mit. Formal genügt der Antrag eines einzigen Verfassungsorgans - also von Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: "Seitens des Bundes haben wir mit Verständnis diese Beschlussfassung der Bundesländer zur Kenntnis genommen." Die Bundesregierung habe ihre Meinungsbildung aber noch nicht abgeschlossen. "Es gibt eine sehr eindrucksvolle Faktensammlung. Es gibt auf der anderen Seite einige rechtliche Risiken."

Der Bund werde nun die den Beratungen zugrunde liegende Materialsammlung von Bund und Ländern zur NPD dem Bundestag zukommen lassen. Alle seien sich einig, dass der Rechtsextremismus bekämpft werden müsse, dies könne aber nicht durch ein Parteienverbot alleine geschehen.

Bedenken innerhalb der Bundesregierung

"Die Materialsammlung ist das eine, es sind aber auch die Fragen des Risikos abzuwägen", sagte Merkel. "Die Frage ist: Reicht das zu einem erfolgreichen Parteienverbot?" Solche Verbote seien in Deutschland selten vorgekommen und in Europa auch schon mehrfach gescheitert. "Wir sind im Abwägungsprozess."

Hessen und das Saarland hielten ihre Bedenken erneut in einer Protokollnotiz fest. Lieberknecht betonte, die Länder gingen mit guten Erfolgsaussichten in das Verbotsverfahren. Nur offene Quellen ohne Bezug zu V-Leuten seien die Basis. 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht das erste Verfahren eingestellt, weil Verbindungsleute bis in die Führungsebenen der NPD eingesetzt waren.

Mit ihrem Votum folgten die Ministerpräsidenten der Empfehlung ihrer Innenminister: Die Ressortchefs hatten am Mittwoch bei einem Treffen in Rostock-Warnemünde einstimmig für einen neuen Verbotsantrag plädiert. Auch dort hatten Hessen und Saarland ihre Bedenken geäußert, den Vorstoß aber mitgetragen.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte dem "Tagesspiegel", ein solches Verfahren sollte nur beantragt werden, wenn die Risiken eines erneuten Scheiterns deutlich hinter den Erfolgschancen zurücktreten. Daran habe er erhebliche Zweifel. Zugestimmt habe er, "weil die Geschlossenheit der Demokraten wichtiger erscheint als juristische und politische Bedenken". Inhaltlich lasse sich die Position Hessens als Enthaltung werten.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte, er sehe keine Existenzberechtigung für eine Partei, die sich auf Vorväter berufe, die Deutschland in eine Katastrophe geführt hätten. Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) mahnte: "Eine wehrhafte Demokratie muss sich gegen solche Parteien zur Wehr setzen." Die Befürchtung, dass die NPD durch einen Verbotsantrag aufgewertet werden könnte, halte er für abwegig. Diese Sorge hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geäußert.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) sagte, in einem gerichtlichen Verfahren bestehe immer ein gewisses Risiko. "Gleichwohl bin ich mir sicher, dass das Bundesverfassungsgericht die NPD verbieten wird."

Die SPD machte Druck und forderte die schwarz-gelbe Bundesregierung auf, das Vorhaben der Länder zu unterstützen. Parteichef Sigmar Gabriel kommentierte auf Facebook, die Bundesregierung müsse ihr peinliches Lavieren nun beenden.

NPD in Mecklenburg-Vorpommern sorgt für Aufsehen

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mahnte zur Zurückhaltung. Im Kurznachrichtendienst Twitter erklärte sie, die Risiken seien nicht unbedingt geringer geworden. Auch im Bundestag gibt es weiter Skeptiker.

Die NPD in Mecklenburg-Vorpommern sorgte derweil ausgerechnet am Tag der Länder-Entscheidung für Aufsehen: Vor einer Gedenkminute für die Mordopfer der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle NSU im Landtag von Schwerin verließ die NPD-Fraktion am Donnerstag demonstrativ den Saal.