Anahita Rehbein ist die neue Miss Germany. Die kluge Schwäbin hat beim Finale in Rust die Jury und das Publikum mit ihrer Schönheit und mit ihren Emotionen überzeugt. Wir haben mit der 23-Jährigen gesprochen.

Rust - Sie hatte sich fest vorgenommen, im Fall der Fälle nicht zu weinen, zumindest nicht öffentlich. Doch als der Moderator Alexander Mazza am Samstagabend um 22.30 Uhr im Europapark Rust verkündet, dass die Miss Germany 2018 die Startnummer 18 trägt, schießen Anahita Rehbein Tränen in die Augen. Wenige Augenblicke später setzt man der strahlenden Schönheit aus Izigkofen bei Sigmaringen ein Krönchen auf. Die 23-jährige Studentin der Bildungswissenschaften, die seit drei Jahren in Stuttgart wohnt, hat von der Jury 322 Stimmen bekommen und siegt mit großem Abstand. Silber: 260 Stimmen. Bronze: 220. Irgendwoher glaubt man, das Schema zu kennen.

 

Eiskunstlauf, klar! Oder Turmspringen: An Haltungsnoten und Ranglisten der Reife hat man sich winters wie sommers längst gewöhnt. Aber lässt sich die Schönheit eines Menschen – zumal auch die innere, wie beim Miss-Germany-Finale betont wird – tatsächlich bewerten und reihen wie die Flicflacs der Bodenturner?

Miss Berlin, Yuliya Garkusha, zum Beispiel stolziert bei der Abendgarderoben-Auftaktrunde in einem cremefarbenen Kleid mit Schleppe über die Bühne, während sie per Videoeinspielung kundtut: „Ich habe eine bezaubernde kleine Boutique“. Ist sie wirklich schöner als Miss Hessen, Derya Sipahi, die im roten asymmetrischen Kleid sagt: „Ich vertrete die neue Generation mit geistig moralischen Werten“? Schlägt Miss Bayern, Sarah Zahn („Ich koche unglaublich gerne, das zählt zu meinen Leidenschaften“), in punkto Persönlichkeit tatsächlich Miss Internet, Tamar Morali („Ich lache sehr gerne“)? Und ist Miss Ostdeutschland, Elena Kamperi („Ich spreche fünf Sprachen, vier davon fließend!“), tatsächlich der Miss Mitteldeutschland Theresia Weidemann überlegen, deren blonde Locken live auf ihr weißes Kleid fallen, während ihr vorproduzierter Videozwilling sagt: „Ich bin ein aufgeschlossener Mensch.“ Ja, sagt die Jury.

Der Schönheitschirurg vermisst den Kinn-Nasen-Winkel

Ach ja, die Jury: Beim Roten Teppich wartet vor der Show ein halbes Dutzend Fotografen mangels A-Prominenz auf die Jurymitglieder Wolfgang Bosbach von der CDU, auf Giuliana Farfalla vom Dschungelcamp und natürlich vor allem auf Werner Mang, Schönheitschirurg von Beruf: „Ich bin der Fachmann“, deklamiert er gleich in der Lobby der Arena in die Fernsehkamera eines Regionalsenders und fachsimpelt vom „Goldenen Schnitt im Gesicht“. Mang ist jetzt in seinem Element: „Die Abstände müssen stimmen – von der Nasenspitze bis zum Kinn!“ Später am Abend, wenige Minuten bevor Anahita Rehbein vor Glück weinen muss, erklärt Werner Mang den Zuschauern in der Arena des Europaparks allen Ernstes: „Die Augenabstände müssen stimmen. Und dann der Nase-Kinn-Winkel – ungefähr 110 Grad.“

Die Zuschauer bekommen für 189 Euro pro Nase Gänseleber vorgesetzt, blutiges Rind, Schokoladenmousse – und 22 junge, schöne, unverheiratete, kinderlose und natürlich stets lächelnde Frauen im Abendkleid und im Badeanzug. Bei Letzterem stoßen manche im Saal anerkennende Laute aus: „Uuuh!“

Danach sind nur noch fünf Frauen im Rennen. Und ja, da ist Anahita Rehbein, Miss Baden-Württemberg zu diesem Zeitpunkt, auch mit Worten schöner: Nach den kaum einminütigen Kurzvorstellungen mit Videozuspielung in der ersten Runde gibt’s im Finale des Finales 90-sekündige Live-Interviews. Und Anahita Rehbein – sympathisch, authentisch, emotional und schwäbisch – sagt: „ Sogar Mama und Papa sind zusammen da. Das bedeutet mir so viel, weil das das erschde Mal seit drei Jahren isch, dass sie wieder zusammensitzen. Das ist so schön!“

Nicht nur auf dem Catwalk zeigt sie Haltung

Miss Westdeutschland, Alana Krempl, hingegen antwortet kurz vor Schluss auf die Moderatorenfrage, was sie im Fall der Fälle mit ihrem Missen-Amt anfangen würde: „Ich würde versuchen, dass der Krieg weniger wird.“ Sie wird Zweite. Sarah Zahn wird Dritte. Und dann fasst sich Anahita Rehbein emotional überwältigt ins Gesicht und weint.

Unserer Zeitung erklärt sie wenig später: „Ich hab so viele Gefühle auf einmal gehabt. Ich konnte sie gar nicht richtig sortieren in dem Moment, und ich wollte auch nicht.“ Es ist exakt Mitternacht, als sie bekennt: „Ich fühl mich jetzt grad wie so ne kleine Prinzessin.“ Sie lacht.

Danach sitzt Anahita Rehbein mit ihrem Krönchen auf dem Kopf bei der Pressekonferenz vor einer Stellwand, die über und über mit Firmenlogos bedruckt ist. „Wenn man sich präsentiert, ist es wichtig, dass man zu hundert Prozent man selbst sein kann“, sagt sie. Anahita Rehbein erscheint an diesem Abend als Botschafterin für Bademoden und als Bannerträgerin des Besonderen gleichermaßen. Haltung ist für sie mehr als Catwalk-Camouflage. Das Missen-Krönchen auf dem Kopf dieser klugen Frau verheißt Hoffnung: Manchmal gewinnen die Guten tatsächlich.