Ermittler berichten während des Prozesses aus den Vernehmungen des Angeklagten und der Opfer.

Leonberg - Einmal soll der Angeklagte nach dem Training sogar einen Kassettenrecorder und Luftballons in die Duschräume mitgebracht haben, erzählte der Kriminalhauptkommissar aus der Vernehmung eines der Opfer und meinte: „Er wollte das Ganze zu einem richtigen Event machen.“ Im Prozess gegen den früheren Tischtennis-Jugendtrainer des TSV Höfingen, der sich am Stuttgarter Landgericht wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten muss, gaben die Ermittler nun einen Einblick in die schrecklichen Machenschaften des 62-jährigen Mannes.

 

Die elfköpfige Ermittlungsgruppe der Polizeidirektion Böblingen mit dem Namen „Topspin“ konnte insgesamt 20 Geschädigte ausfindig machen, der älteste Fall stammte aus den späten 90erJahren. Die Staatsanwaltschaft legte sich aber in der Anklageschrift auf sechs Opfer fest. Laut den Beamten gab es unter dem früheren Jugendtrainer einen regelrechten „Duschzwang“ nach dem Tischtennistraining. „Der Angeklagte sagte, wer nicht dusche, werde auch nicht nach Hause gefahren“, erzählte einer der Ermittler. Nachdem 2011 seitens einiger Eltern deswegen Bedenken aufkamen, wurde der 62-Jährige als Jugendtrainer abgelöst und durfte fortan nur noch die „Minis“ trainieren, die nach dem Training grundsätzlich nicht duschten. Dazu kam es laut dem Beamten erst 2014.

„Morgenkuscheln“ gehörte stets dazu

Auch als die Kinder in der Berghütte des Angeklagten im österreichischen Lochau am Pfänder waren, bestand dieser penibel darauf, dass sie duschen. Nicht selten duschte er mit und seifte die Kinder ein. Beim „Morgenkuscheln“ und „Abendkuscheln“, wie es der Angeklagte nannte, legte er sich mit den Kindern nackt ins Bett. Dabei kam es den Opfern zufolge zu sexuellen Handlungen, auch mussten diese den Mann mit der Hand befriedigen, und manchmal hatte er sie aufgefordert, vor ihm zu masturbieren. Das „Kuscheln“ sei die Bedingung für weitere Ausflüge gewesen. Bei den Segel-Touren auf dem Bodensee habe er die Jungen immer dazu gedrängt, dass sie ihre Badehosen ausziehen – dann fotografierte er sie. Das Nacktbaden begründete er damit, dass sonst bei der Rückfahrt die Autositze nass werden.

Der Angeklagte habe bei der polizeilichen Vernehmung zunächst kein Unrechtsbewusstsein gezeigt. „Er meinte, dass er den Kindern nur etwas Gutes tun wollte“, erzählte der Kriminalhauptkommissar von der Abteilung Sexualdelikte. Der Höfinger hatte behauptet, dass er bei den Ausflügen nie Sex im Sinn hatte, stattdessen ging es ihm darum, die „Kameradschaft innerhalb der Abteilung zu stärken“. Von einem Missbrauch habe er zu keiner Zeit gesprochen und seine Handlungen auch nicht als solchen aufgefasst. „Für den Angeklagten war es etwas ganz Normales, was er da tat“, sagte der Beamte. „Er meinte, die Eltern gehen mit ihren Kindern doch auch so um.“

Pädophile Veranlagung

Die pädophile Veranlagung des Angeklagten zeigte sich bereits in seiner Pubertät. Der Mann hatte keine Beziehungen zu Frauen oder anderen Männern geführt und suchte schon immer die Nähe zu Kindern. Laut dem Beamten hatten die Eltern auf seine Ausflüge zumeist positiv reagiert. „Er hatte ihnen zugesichert, dass die Kinder bei ihm wohlbehütet sind und er keinen Scheiß macht“, zitierte er diesen. Beworben hatte er die Ausflüge übrigens mit einem Flyer, auf dem auch das Vereinswappen zu sehen war. Der Vorstand wollte davon aber nichts gewusst haben.

Nach der fünfstündigen Vernehmung auf der Wache war der Höfinger dem Beamten zufolge völlig überrascht, dass er in die Untersuchungshaft kommt. „Er meinte, er muss doch morgen zum Training und dachte, dass die ganze Sache mit einer Entschuldigung erledigt sein wird“, berichtete dieser. Sein Engagement im Verein sei immer das Wichtigste für ihn gewesen, zumal er ein hohes Ansehen bei den Mitgliedern wie auch in der Gemeinde genoss.

Der Angeklagte, dem sexueller Kindesmissbrauch in 16 Fällen sowie Besitz von Kinderpornografie vorgeworfen wird, hatte die Vorwürfe bereits beim Prozessauftakt eingeräumt und damit den Opfern die Aussage vor Gericht erspart. Die Verhandlung vor der 2. Großen Jugendkammer wird fortgesetzt.