Ein anonymer Hinweis hat zur Aufklärung des Missbrauchs eines Neunjährigen in der Nähe von Freiburg beigetragen. Beim LKA werden jährlich hunderte Verdachtsfälle gemeldet – und jeder einzelne geprüft.

Stuttgart - Auf den Missbrauchsfall in der Nähe von Freiburg sind die Polizeibehörden dank eines anonymen Hinweises aus dem Internet gestoßen. Ausgewertet werden solche Hinweise von Experten wie Michael Pinther von der zentralen Ansprech- und Koordinierungsstelle Kinderpornografie beim Landeskriminalamt. „Immer wieder stoßen Bürger beim Surfen im Internet auf verdächtigte Bilder oder Videos, die sie uns dann melden“, sagt Pinther. In rund der Hälfte der Fälle gingen die E-Mails oder Anrufe anonym ein. Zwischen 150 und 600 Tipps erhalten die Ermittler in Baden-Württemberg im Schnitt jedes Jahr, diese auszuwerten ist zeitintensiv, aber oft sehr lohnend.

 

Besonders in Erinnerung geblieben ist Pinther eine Ermittlung, die sich zu einem größeren Verfahren auswuchs. „Ich hatte einen Hinweis auf ein kinderpornografisches Forum, das auf einem Server in Osteuropa lief“, erzählt der Kriminalhauptkommissar. Im Zuge der Recherchen stieß er auf die E-Mail-Adressen von 80 Mitgliedern, die untereinander illegale Dateien tauschten. Es folgten weitere verdeckte Überwachungen. Bei rund 40 Tatverdächtigen fanden anschließend Hausdurchsuchungen statt, im großen Stil wurden Rechner und andere elektronische Datenträger beschlagnahmt. Der Erfolg hätte noch großer sein können, urteilt Pinther und wünscht sich eine großzügigere Vorratsdatenspeicherung in Deutschland.

Die Täter sind in allen sozialen Schichten und Altersgruppen zu finden

Relativ häufig sind die Konsumenten von kinderpornografischen Aufnahmen auch die Hersteller der grausamen Bilder. „Die schauen nicht nur Videos an, die missbrauchen selbst Kinder, etwa in ihren Familien oder in der Nachbarschaft“, sagt Pinther und weiß, dass die Täter in allen sozialen Schichten und Altersgruppen zu finden sind. Besonders schockiert hat den Experten der Fund von Aufnahmen von sexuell missbrauchten Säuglingen bei einem Kinderpsychologen.

Die Kinderporno-Szene spielt sich nach Einschätzung der Polizei sowohl im frei zugänglichen Netz als auch schwerpunktmäßig im Darknet, dem verborgenen Teil des Internets, ab. Dort können sich Internetnutzer fast komplett anonym bewegen. Es ist über herkömmliche Suchmaschinen nicht zu finden, notwendig ist eine Verschlüsselungssoftware.

Australische Ermittler haben eine Kinderporno-Plattform im Darknet betrieben

Die Jagd nach den pädokriminellen Tätern ist selbst für Cybercrime-Experten ausgesprochen schwierig und wird technisch immer aufwendiger. Die vermeintliche Anonymität im Netz sei längst nicht immer vorhanden, sagt Pinther, man fange bei der IP-Adresse an und habe ein breites Spektrum an Möglichkeiten, um Tatverdächtige aufzuspüren. So weit wie australische Ermittler dürfen deutsche Fahnder allerdings nicht gehen. Fast ein Jahr lang betrieben die Polizisten eine große Kinderporno-Plattform im Darknet. Auf der Webseite „Childs Plays“ verbreiteten Tausende Mitglieder Bilder und Filme von Übergriffen auf Kindern. Die Polizei sammelte Daten über die Identitäten der Nutzer, um gegen sie vorzugehen, und stellte auch selbst Missbrauchsaufnahmen ein – ein Vorgehen, das in Deutschland verboten ist.

In der Schwerpunktabteilung Cybercrime und digitale Spuren beim Landeskriminalamt begeben sich Beamte mit spezieller Spürsoftware in Eigeninitiative auf die Suche nach kriminellen Aktivitäten. „Wir kennen die einschlägigen Suchbegriffe, da kann man gezielt ermitteln“, beschreibt Pinther die sogenannte Holkriminalität, also die Aufdeckung von Delikten, die erst durch entsprechende Kontrollen bekannt werden. Die größte Chance, die meist virtuellen Täter zu fassen, sei beispielsweise bei der Geldübergabe oder bei der Kontaktaufnahme zwischen Täter und Opfer. Diese Schnittstellen sind oft der Schlüssel zum Erfolg, da können wir zugreifen, beschreibt Pinther die Arbeit der Cyberkriminologen.

Die Dateien werden in eine Datenbank des Bundeskriminalamtes eingespeist

Es seien genau diese Erfolge, die ihn trotz der psychischen Belastung weitermachen lassen, sagt der LKA-Mann, der seit mehr als zehn Jahren massenweise pornografische Aufnahmen auswerten muss. Sie werden anschließend in eine zentrale Datenbank des Bundeskriminalamtes eingespeist. Dort sind sie bundesweit für polizeiliche Sachbearbeiter abrufbar.

Um die Opfer des sexuellen Missbrauchs zu identifizieren und den Täter zu finden, greifen die Beamten mittlerweile auch zu dem ungewöhnlichen Mittel, die Fotos von den gepeinigten Kindern und Jugendlichen zu veröffentlichen. Gezeigt werden Gesichter, sexuelle Handlungen sind selbstverständlich nicht zu sehen. Bei der sogenannten Schulfahndung werden Lehrer und Rektoren gebeten, bei der Identifikation von Missbrauchsopfern zu helfen. Vier mal habe man in den letzten zwei Jahren diese Art der Fahndung eingesetzt, erzählt Pinther, fast immer habe man die Opfer finden und ihnen helfen können.