Die frühere baden-württembergische Arbeits- und Sozialministerin (SPD) ist bei der Aufarbeitung nun doch nicht dabei. Sie kritisiert in ihrer Begründung den laufenden Aufarbeitungsprozess.
Korntal-Münchingen - Katrin Altpeter arbeitet doch nicht bei der Aufarbeitung der Vorfälle von Gewalt in Heimen der evangelischen Brüdergemeinde Korntal mit. Die ehemalige baden-württembergische Arbeits- und Sozialministerin (SPD) begründet ihren Rückzug mit Kritik an dem laufenden Prozess. In ihrer Ministerzeit sei es ihr ein Anliegen gewesen, das Geschehen in der Heimerziehung aufzuarbeiten und etwas für die Opfer zu tun, teilt die Sozialdemokratin in einem Brief an die Verantwortlichen mit. „Dies alles konnte nur in einem transparenten und nachvollziehbaren Prozess geschehen; ebensolches hätte ich von einer Aufarbeitung der Brüdergemeinde erwartet. Diesbezüglich wurden meine Erwartungen leider enttäuscht.“
Fälle von Gewalt wurden 2014 publik
Vor allem in den Jahren zwischen 1950 und 1970 wurden Kinder in den Heimen der evangelischen Brüdergemeinde Opfer von Gewalt bis hin zu Vergewaltigung. Bekannt wurden die Vorfälle 2014. Um das Leid der ehemaligen Heimzöglinge anzuerkennen, will die Brüdergemeinde jeweils zwischen 2000 und 5000 Euro bezahlen. Eine vierköpfige Vergabekommission soll im Einzelfall darüber entscheiden, ihr sollte Altpeter als Wunschkandidat einer Gruppe von Betroffenen angehören. Die Kommission hat noch nicht getagt.
„Ich hätte gerne zu einer konstruktiven Aufarbeitung der Geschehnisse beigetragen, aber ich sehe mich nicht in der Lage, in einem Klima, in dem skeptische Worte oder das Hinterfragen bestimmter Dinge schon als ‚Irritation’ gelten, sinnvoll zu arbeiten“, sagt die Ex-Ministerin. Sie hatte bereits zu einem früheren Zeitpunkt die geplanten Vergabekriterien kritisiert, die eine Bewertung ausschließlich der strafrechtlich relevanten Vorfälle vorsehen.
Altpeter weist Vorwurf der Brüdergemeinde zurück
Die Betroffenen wollten sich zu Altpeters Rückzug zunächst nicht äußern. Der weltliche Vorsteher der Brüdergemeinde, Klaus Andersen, ist indes davon überzeugt, dass dies den Aufklärungsprozess nicht aufhalte. Gleichwohl bedauert er Altpeters Entscheidung. „Ihre Kompetenz hätte unserer Vergabekommission gut getan.“ Er sei aber auch enttäuscht darüber, dass sie „nicht die Chance genutzt hat, sich einen Überblick über den Aufarbeitungsprozess zu verschaffen, und offenbar nur von einer kleinen Gruppe informiert worden ist“. Altpeter weist den Vorwurf zurück.
Wie es nun weitergeht, ist offen. Dem Vernehmen nach hat die Projektgruppe, die den Aufarbeitungsprozess mitgestaltet, kurzfristig ein Treffen anberaumt.