Eine Richterin und ein Erziehungswissenschaftler sollen den Missbrauchskandal der Brüdergemeinde aufklären. Doch nicht alle sind damit einverstanden.

Korntal-Münchingen - Für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal ist ein Aufklärer-Duo gefunden. Vertreter der Opfer und der Brüdergemeinde haben sich auf die frühere Richterin Brigitte Baums-Stammberger und den Erziehungswissenschaftler Benno Hafeneger geeinigt. Die Aufklärung könne nun beginnen, teilten die Mediatoren Elisabeth Rohr und Gerd Bauz am späten Dienstagabend mit.

 

Baums-Stammberger werde den juristischen Teil der Aufklärung, insbesondere die Befragung der ehemaligen Heimkinder und Betroffenen übernehmen. Hafeneger werde für den wissenschaftlichen Teil verantwortlich sein. Die Gespräche mit der Auftraggebergruppe und mit den Aufklärern seien so weit vorangeschritten, dass die Aufklärung beginnen könne. Die Entscheidung wurde zusammen mit einem Teil der ehemaligen Heimkinder getroffen, die sich in der AG Heimopfer versammeln.

Zander zeigt sich unzufrieden

Das Netzwerk Betroffenenforum hingegen, das nach eigenen Angaben einen Großteil der Opfer vertritt, hat bei der Wahl nicht mitentschieden. Die Gruppe um ihren Sprecher Detlev Zander, selbst Betroffener des Missbrauchsskandals, hatte sich vom Mediationsprozess distanziert, nachdem der von ihnen gewünschte Aufklärer, Ulrich Weber, seine Bereitschaft im Februar zurückgezogen hatte.

Zander zeigt sich nach der Bekanntgabe der neuen Aufklärer unzufrieden. Er spricht „von einem weiteren ungeheuerlichen, nicht hinzunehmenden Verhalten der Täterorganisation.“ Die Aufklärer seien dem Betroffenenforum bewusst nicht vorgestellt worden.

„Diese erneute vorschnelle und beschämende Aktion ist wohl dem massiven Druck geschuldet, der durch die Strafanzeigen der Opfer gegen die Brüdergemeinde Korntal entstanden ist“, so Zander. Vergangenen Freitag hatten acht Missbrauchsopfer bei der Polizeidienststelle in Korntal-Münchingen Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs gegen die Brüdergemeinde gestellt. Auch am Mittwoch hätten laut Zander weitere Opfer eine Anzeige beim Landeskriminalamt erstattet.

Die Aufklärer seien ohne die Zustimmung der Betroffenen gewählt worden

Das Betroffenenforum werde die neuen Aufklärer Baums-Stammberger und Hafeneger nicht unterstützen. Sie seien ohne die Zustimmung der Betroffenen gewählt worden, so Zander. Sein Verein hätte seit dem Ausstieg aus dem Mediationsprozess keinerlei Informationen mehr über dessen Fortgang erhalten.

Nach Angaben der Betroffenen werfen mehr als 300 ehemalige Heimkinder der Brüdergemeinde vor, in den 1950er- bis 1980er-Jahren in deren Kinderheimen sexuell missbraucht, misshandelt und gedemütigt worden zu sein.