Management und Betriebsrat von Porsche haben sich auf ein Sparpaket von mehreren hundert Millionen Euro zum Bau des neuen Elektroautos am Standort Zuffenhausen verständigt. Tarifbeschäftigte und führende Angestellte sollen ihren Beitrag leisten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Projekt Zeitenwende“ nennt der Gesamtbetriebsratschef Uwe Hück die Pläne für den Bau eines Elektroautos bei Porsche. In der Tat: „Mission E“ wird unter ganz neuen Voraussetzungen gestartet. Auch die Belegschaft muss ihren Beitrag leisten, damit das Elektroauto – intern „J1“ genannt – vom Jahr 2019 an am teuren Standort Zuffenhausen gebaut werden kann. Hück hat das Abkommen der Belegschaft gerade in diversen Betriebsversammlungen vorgestellt. Die Vereinbarung im Detail:

 

700 Millionen Euro will Porsche allein in eine neue Montage und Lackiererei investieren, hinzu kommt die Erweiterung des Karosseriebaus. Insgesamt beträgt der Aufwand etwa eine Milliarde Euro. Ein Teil des Projekts sollen die 13 000 Mitarbeiter in Zuffenhausen und Weissach über einen Zukunftstopf finanzieren. Dazu werden der Belegschaft inklusive der Angestellten bis zu der hohen Gehaltsgruppe P14 über neun Jahre – von 2017 bis 2025 – für jedes Jahr 0,25 Prozent von der Tariferhöhung abgezogen. Dadurch werden 128 Millionen Euro erbracht.

Rückzahlung als jährlichen Zukunftsbaustein

Allerdings erhalten die Beschäftigten das Geld von 2021 bis 2030 als „Zukunftsbaustein“ in jährlicher Barausschüttung von 760 Euro zurück, sofern Porsche in der Erfolgsspur bleibt und die vom Aufsichtsrat festgelegten Renditeziele erreicht. So bekämen die Kollegen mehr raus, als sie einzahlen, sagt Hück. Die sukzessive abgesenkte Entgeltlinie wird am 1. Januar 2026 um 2,25 Prozent plus 0,03 Prozent Zinseszinseffekt angehoben, womit das anfängliche Lohnniveau wieder erreicht ist.

Einzigartig ist der Beitrag der Vorstandsmitglieder, Hauptabteilungsleiter und übertariflich entlohnten Kräfte (ÜT1 und ÜT2). Diese müssen von 2017 bis 2025 jeweils 0,5 Prozent der Tariflohnerhöhung in den Topf einzahlen – was zusammen 72 Millionen Euro einbringt. Die Topverdiener bekommen das Kapital aber nicht zurück.

Auf Anregung des Betriebsrats wird bei der Sonderzahlung ferner eine Staffelung eingeführt. Statt allen Beschäftigten einen identischen Betrag zu zahlen, gibt es für künftige Neueinstellungen 25 Prozent im ersten Jahr der Zugehörigkeit, 50 Prozent im zweiten Jahr, 75 Prozent im dritten Jahr – und erst danach den vollen Bonus. Für das Geschäftsjahr 2014 war den Mitarbeitern eine Erfolgsbeteiligung in der Rekordhöhe von 8600 Euro ausgezahlt worden, davon 700 Euro für die Altersvorsorge.

Rückkehr zur 35-Stunden-Woche

Ein Zugeständnis müssen die Beschäftigten auch bei der Arbeitszeit machen: Die Porsche-spezifische 34-Stunden-Woche in der Produktion – eingeführt zum 1. Dezember 2013 – läuft Ende 2016 aus. Vom 1. Januar 2017 an gelten wieder die 35 Stunden des Flächentarifvertrags in der Metallindustrie.

Viel Neues bringt auch die Fabrik 4.0, in der das batteriebetriebene Auto hergestellt werden soll. „Da werden die Kollegen den Schraubenzieher gegen das iPad austauschen“, bringt es Hück auf den Punkt. Künftig würden die bisher in Käfigen abgesicherten Roboter „freigelassen“, so dass Mensch und Maschine eng zusammen arbeiten. Hubtische, Schwenkgehänge sowie ein niedrigerer Lärmpegel sollen den Zustand einer „clean Fabrik“ ermöglichen.

Kein Job nur für Hochqualifizierte

Die ungewohnten Verfahren erfordern ein ganz neues Verständnis von Karosseriebau und Lackiererei. So wird der Unterboden des Autos mit Getriebe und Achsen komplett angeliefert. Die Beschäftigten werden einerseits Hand anlegen, um Autoteile zusammenzufügen – gleichzeitig müssen sie mit Tabletcomputern die Maschinen so programmieren, dass diese ihnen möglichst viel Arbeit abnehmen.

Die Arbeit am „J1“ soll aber kein Job nur für Hochqualifizierte sein. Weder ein Studium noch das Abitur sollen zwingend Voraussetzung zur Einstellung sein – selbst bei schlechten Schulnoten gebe es noch Chancen auf ein Engagement, betont Hück. Es nütze nichts, einen Supermathematiker zu haben, der sich in der Welt der digitalen Produkte nicht wohl fühle. Gefragt seien Leute, „die bereit sind, sich dreckig zu machen und trotzdem mit den neuen Technologien umgehen können“.

Um die Beschäftigten gewissenhaft vorzubereiten, werden sie spätestens von Ende nächsten Jahres an geschult. Zugleich sollen die Ausbildungszahlen erneut deutlich erhöht werden. Weil die Gespräche darüber mit dem Vorstand nicht abgeschlossen sind, mag Hück noch keine Zahlen nennen.

Im Hinblick auf den drohenden Fachkräftemangel will Porsche auch seine Förderprogramme für Schulabbrecher aufstocken. Die heutige Zahl von bis zu 15 jungen Menschen wird voraussichtlich verdoppelt.

Generell sollen Beschäftigte jeder Altersgruppe in der „J1“-Fabrik arbeiten dürfen. Auch Wechsel aus den bisherigen Produktionsstätten seien erwünscht.

Die Steinkühler-Pause entfällt vorerst

Hücks liebster Begriff für die Arbeit in der Fabrik der Zukunft heißt Humanergonomie. Demnach wird die körperliche Belastung durch den Robotereinsatz deutlich gemindert. Folglich sollen die EZO-Pausen von fünf Minuten pro Stunde – bekannt als Steinkühler-Pausen – in der Produktion der Modelle 911, Boxster und Cayman erhalten bleiben. Beim Bau des Elektroautos gilt dies nicht mehr – wobei sich Hück ausbedungen hat, dass die Praxis den Wegfall der Erholungsphase rechtfertigen muss. Falls die körperliche Belastung ähnlich hoch sei wie in der herkömmlichen Produktion, wird die Steinkühler-Pause laut dem Tarifvertrag erst gar nicht abgeschafft.

Für die IG Metall war die Pause einst ein historischer Erfolg – ihre Aufgabe bei Porsche hat symbolischen Wert, selbst wenn sie vielerorts nicht mehr angewandt wird. Ohne seine Gewerkschaft direkt zu benennen, mahnt Hück: „Wenn der Produktionsstandort Stuttgart im Rennen sein will, brauchen wir eine Zeitenwende.“ Oft werde noch an alten Zöpfen festgehalten. „Dies wird auf Dauer nicht funktionieren, zum Nachteil der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes und der jungen Menschen.“

Mindestens 1000 neue Jobs

Die ständige digitale Überwachung der Anlagen ermöglicht theoretisch eine Produktion rund um die Uhr. Dies ist für Porsche wegen relativ geringer Stückzahlen kein Thema. Doch werden sich die Mitarbeiter an flexiblere Arbeitszeiten gewöhnen müssen. Künftig können sie die Anlagen am Wochenende von zu Hause aus bedienen. Das „Home office“ gewinnt an Bedeutung.

Wegen des verstärkten Einsatzes tragbare Computer wird auch über neue Datenschutzregeln nachgedacht, damit der Arbeitgeber keine Bewegungsprofile anlegt. Die Privatsphäre solle geschützt sein.

Mehr als 1000 Jobs soll „Mission E“ bringen – „konservativ geschätzt“, wie Hück sagt. In Rohbau, Lackiererei und Montage werden 900 Arbeitsplätze veranschlagt und in der Logistik weitere 200. Wenn das Elektroauto so einschlage wie etwa der Macan, „reden wir über weit mehr als 1000“.