Nach der Entgleisung einer Pressereferentin legen immer neue Indiskretionen das chaotische Management des Weißen Hauses offen. Die durchgesickerten Informationen bezeichnet der US-Präsident als eine „Übertreibung der Lügenpresse“.

Washington - Sarah Sanders hatte eine böse Vorahnung. „Ich bin sicher, dass auch dieses Gespräch durchgestochen wird“, beklagte die Sprecherin des Weißen Hauses bei einem vertraulichen Krisentreffen mit ihrem Pressestab: „Das ist einfach widerlich.“ Genauso kam es. Kaum hatte Sanders am Freitag ihre Standpauke beendet, fanden Fernsehsender und Zeitungen insgesamt fünf Teilnehmer, die den Hergang der internen Besprechung anonym rekonstruierten. Pikanterweise war es bei dem Krisentreffen um die dauernden Durchstechereien aus dem innersten Zirkel des West Wing gegangen.

 

Ganz gleich, ob ein Minister den Präsidenten als „Schwachkopf“ bezeichnet, US-Präsident Donald Trump eine Anweisung auf seinem Sprechzettel ignoriert oder ein Kabinettsmitglied mit dem Rücktritt droht: Nie dauert es lange, bis die Nachricht an die Öffentlichkeit dringt. „Binnen einer Woche erfahren wir mehr über das Weiße Haus als während der gesamten Präsidentschaft von George W. Bush“, hat Michael Allen, einer der erfahrensten White-House-Korrespondenten, festgestellt.

Das Weiße Haus macht die Peinlichkeiten nur noch schlimmer

Was die Journalisten freut, ärgert die Trump-Regierung natürlich mächtig. Doch sie findet kein Mittel gegen die „Leaks“. Im Gegenteil: Mit einer Mischung aus martialischen Drohungen und Wagenburgmentalität macht sie die Sache immer schlimmer.

Die jüngste Affäre wurde durch eine unerhörte Geschmacklosigkeit ausgelöst: Nachdem der an einem aggressiven Hirntumor leidende 81-jährigen republikanische Vietnamveteran John McCain die designierte CIA-Chefin Gina Haspel wegen ihrer Folter-Vergangenheit kritisiert hatte, ätzte Pressereferentin Kelly Sadler in einer Team-Besprechung: „Das macht nichts. Der stirbt sowieso.“

Die von der Washington Post kolportierte Äußerung, die von niemand bestritten wird, schlug gewaltige Wellen: „Viele haben sich gefragt, wann der Anstand im Weißen Haus auf den Tiefstand fällt“, empörte sich Ex-Vizepräsident Joe Biden: „Gestern ist es passiert.“ Auch Sanders ist nicht glücklich. Allerdings scheint sie weniger der zynische Scherz als dessen Bekanntwerden zu stören. „Ich kommentiere interne Besprechungen nicht“, wehrt sie seither alle Nachfragen ab. Intern soll sie die Bemerkung zwar als unangemessen bezeichnet, vor allem aber moniert haben, dass ein Maulwurf sie an die Presse gab.

Auch das konnte man selbstverständlich kurz darauf nachlesen, ebenso wie die Forderung von Mercedes Schlapp, der Direktorin für strategische Kommunikation, das Team müsse nun solidarisch mit dem Opfer der Indiskretion sein. Zwar hat Pressereferentin Sadler inzwischen mit der Tochter von McCain telefoniert, lehnt aber eine öffentliche Entschuldigung ab. Also geht die Berichterstattung samt immer neuer Durchstechereien aus dem Innersten der Macht weiter.

Es gibt immer neue Indiskretionen

Unter der skurrilen Überschrift „White House leakers leak about leaking“ (etwa: White-House-Maulwürfe packen über Indiskretionen aus) ließ die Nachrichtenseite Axios inzwischen sogar anonyme Quellen erklären, weshalb sie vertrauliche Informationen weitergeben. Interne Machtkämpfe, gekränkte Eitelkeiten und das vergiftete Klima in der Regierung spielen eine große Rolle. Die Informanten arbeiten mit großer Finesse: „Um die Spuren zu verwischen, verwende ich gewöhnlich Redewendungen von Kollegen“, berichtete einer.

Auch am Montag dominierte die Sadler-Affäre das Pressebriefing des Weißen Hauses. Doch während die Korrespondenten vergeblich nach personellen Konsequenzen fragten, stilisierte Vize-Sprecher Raj Shah seine Kollegen zu Opfern hoch: „Wenn man bei internen Sitzungen nicht seine Gedanken äußern kann, ohne fürchten zu müssen, dass einen die Kollegen hintergehen, schafft das eine schwierige Arbeitsatmosphäre.“ Das Weiße Haus – ein Hort der Intrige?

Das streitet Trump entschieden ab. „Die sogenannten Indiskretionen aus dem Weißen Haus sind eine gigantische Übertreibung der Lügenpresse“, twitterte er am Montagabend. Diese Medien wollten ihn „so schlecht wie möglich aussehen lassen“.

Das war die präsidiale Lesart. Wie wütend der Privatmann Trump tatsächlich ist, verriet er unfreiwillig im nächsten Satz: „Anonyme Informanten sind Verräter und Feiglinge, und wir werden herausfinden, wer sie sind.“