Das Krankenhaus war zwische 2014 und 2016 gar nicht in der Lage, genügend Orthopäden zum Operieren in die Wüste zu schicken. Dennoch wurde das Geschäft vereinbart.

Stuttgart - Der Ausschuss zur Akteneinsicht wird sich nach der Trennung mit einem goldenen Handschlag für Ex-Klinikumsgeschäftsführer Ralf-Michael Schmitz mit dem in den Fokus geratenen Kuwait-Projekt beschäftigen. Die Veröffentlichung von Kurznachrichten zwischen dem ehemaligen Leiter der Internationalen Abteilung des Klinikums, Andreas Braun, sowie dem damaligen Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle, hat bekanntlich den Verdacht genährt, Wölfle könnte mehr als bisher geäußert von Umfang und Tragweite des Kooperationsvertrags mit dem kuwaitischen Gesundheitsministerium gewusst haben. Nicht nur er.

 

Die Idee, Orthopäden des Klinikums ans Al-Razi-Hospital in Kuwait zu entsenden, um dort zu operieren, stammt aus dem Jahr 2011 und hat neben der Krankenhausleitung auch Ex-OB Wolfgang Schuster (CDU) und den damaligen Krankenhausbürgermeister Klaus-Peter Murawski (Grüne) begeistert. Auf einem Foto ist das Duo Seit an Seit mit Vertretern einer kuwaitischen Delegation zu sehen. Damals war eine fünfjährige Laufzeit geplant, der Gesundheitsminister sollte 63 Millionen Euro überweisen.

Das Klinikum konnte keine Orthopäden entbehren

Erst 2014 wurde das Projekt umgesetzt, nun noch auf drei Jahre begrenzt und mit einem Umfang von 46,2 Millionen Euro. Nach heutigem Stand müssen die kontrollierenden Stadträte davon ausgehen, dass man im Klinikum von Anfang an wusste, dass die Vertragsbedingungen wegen des Fachkräftemangels nicht erfüllbar waren und man diesen Vertrag aus ethischen Gründen nicht hätte abschließen dürfen.

Der Paragraf 5 des Vertrags sah – zumindest in der deutschen Übersetzung – die Verpflichtung des Klinikums vor, „fünf leitende Professoren“ für sechs bis zwölf Monate in die Wüste zu schicken. Offenbar verließ sich die Geschäftsführung darauf, dass Andreas Braun die unzureichende Entsendung wortreich erklären und für regelmäßige Zahlungen sorgen würde.

Turbulente Vertragsverhandlungen

Schon die Unterzeichnung war alles andere als störungsfrei verlaufen. Braun, ausgestattet mit einer von Geschäftsführer Schmitz unterschriebenen Vollmacht, stieß in Kuwait auf Widerstände. Die Delegation sah sich zu einer Reaktion gezwungen und ließ den ehemaligen Ärztlichen Direktor Claude Krier „verärgert“ nach Hause fliegen. Das zeigte Wirkung, am nächsten Tag unterschrieb Braun im Beisein von Patrik Reize, Ärztlicher Direktor des Cannstatter Krankenhauses, sowie dem Münchner Patientenvermittler Reinhard Fuss von der Firma HCMI.

In Kuwait vertraten ab und an die ehemaligen Chefärzte Ulrich Holz und Karl-Klaus Dittel die Stuttgarter Farben. Die meiste Zeit hielt der 2014 in den Ruhestand verabschiedete Chefarzt der Bad Rappenauer Vulpiusklinik, Jan Papp, die Stellung und peppte seine Rente mit Tagespauschalen von bis zu 2000 Euro auf. Der Fußspezialist Boris Kurosch engagierte sich, außerdem Anästhesist Heiner Knab. Allen gemeinsam war, dass sie nicht aus dem Klinikum kamen. Nach Informationen unserer Zeitung war in nicht mehr als acht Wochen in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren die geforderte Zahl von fünf Ärzten vor Ort. Die Erfüllungsquote insgesamt beträgt etwa 40 Prozent. Heute wird auch das Finanzkonzept hinterfragt. Andreas Braun hatte für das 46-Millionen-Euro-Projekt einen Gewinn von fünf Millionen Euro in Aussicht gestellt. Den Aufwand für die Bezahlung der Ärzte, deren Unterbringung im Mövenpick-Hotel (rund 3400 Euro pro Monat) die teuren Chauffeursdienste (54 000 Euro pro Monat) und die wöchentlichen Flüge (2000 Euro hin und zurück) sowie die Leistungen des Organisators und Dolmetschers Nabel Abu Rikab (32 000 Euro pro Monat) berücksichtigt, bleiben rund 20 Millionen Euro, deren Verbleib im Vertrag nicht geregelt ist.

Entlohnt wurde dafür etwa die Firma HCMI, die Orthopäden ausfindig machte. Als Empfänger wird die HCMI-Mutter Europe Health geführt, deren Besitzer Salah Atamna den Deal eingefädelt haben soll, sowie die kuwaitische Firma Aryak, die sich als Initiator und Betreuer vor Ort verstand.