In Denkendorf stellt Polymedics das künstliche Gewebe her. Bei Verbrennungen kann es Schmerzen lindern und die Genesung beschleunigen. Exportiert wird die künstliche Haut inzwischen in verschiedene europäische Länder, seit einigen Jahren auch nach Korea.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Lassen Sie die Finger vom Hautersatz junger Mann, der ist zu kompliziert“, warnte der Professor an der Hautklinik der Universität Tübingen. Der Nachwuchswissenschaftler aber ließ sich nicht abschrecken. Und so stehen heute ein älterer Herr, ein Mitarbeiter und eine junge Kollegin in einem Reinraum in Denkendorf – allesamt mit Häubchen, weißem Arbeitsmantel und Überschuhen, wie es sich gehört in einer Produktionsstätte, in der auch kleinste Schmutzpartikel keine Chance haben dürfen. Jede Verunreinigung ginge buchstäblich unter die Haut: Die Polymedics Innovations GmbH aus der Fildergemeinde stellt eine Art künstliche Haut her.

 

Der junge Mann von damals ist heute Geschäftsführer des von ihm mit gegründeten Unternehmens und sagt, der Stoff, den er nun herstelle und den er auf den Namen „Suprathel“ getauft hat, habe ihn „schon immer fasziniert“. „Epithel“ steht im Lateinischen für eine Deckschicht der Haut. Und weil das künstliche Material etwas Besonderes sein soll, hat der Geschäftsführer den Namen „Suprathel“ kreiert. Heinrich Planck, der Forscher, ist erst spät Unternehmer geworden. Zuvor war er lange Jahre Ordinarius für Textiltechnik an der Universität Stuttgart, Direktor des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik in Denkendorf. Als Institutsleiter hatte er die Verantwortung für 260 Mitarbeiter.

Seit April, nach der Verabschiedung vom öffentlichen Dienst, ist der 65-Jährige Chef eines Unternehmens mit einem Dutzend Mitarbeiter. Prüfend hält Planck ein Stück der von ihm entwickelten künstlichen Haut in der Hand. „Die ist elastisch und passt sich dem menschlichen Körper an“, sagt Planck. Was die junge Mitarbeiterin als dünnen Film auf eine Glasplatte gestrichen hat, wird in einer Art Tiefkühltruhe getrocknet und kann dann wieder von der Glasplatte abgezogen werden – das Geheimnis des Kunststoffes ist, dass der Film nicht zu dick und nicht zu dünn wird sowie seine innere Struktur und natürlich die genaue Rezeptur.

Das Unternehmen tummelt sich in einer Nische

Die künstliche Haut hat nach den Worten ihres Erfinders gleich mehrere Vorteile: „Bei Verbrennungen wird der Schmerz gemildert und die Heilung beschleunigt“, sagt der Tüftler. Suprathel verbindet sich mit der Wunde und deckt diese komplett ab. Darunter kann dann die richtige Haut nachwachsen. „Ein ehemaliger Mitarbeiter eines Großunternehmens hätte ohne diese künstliche Haut seine Verletzungen wohl kaum überlebt“, meint Planck. Die Folie, die Wasserdampf aus dem Körper rauslässt, ihn aber wie natürliche Haut gegen Bakterien dicht macht, hilft nicht nur den Patienten: „Wenn sie auf einem Körperteil aufgetragen ist, wird sie wieder durchsichtig, dann kann der Arzt den Heilungsprozess sehen“, berichtet Planck. Ist die richtige Haut wieder nachgewachsen, kann die künstliche wieder abgezogen werden.

Dass ihn ein früherer Professor von seinen Träumen von der heilenden Haut abhalten wollte, war nicht die einzige Situation, in der es hieß, den eigenen Weg zu gehen. Später hatte er auch schon mal mit der Industrie gemeinsam geforscht. Renommierte Firmen waren als Partner gewonnen worden, entwickelt wurde die künstliche Haut dann aber im Stuttgarter Marienhospital. „Der Markt ist zu klein,“ lautete das Verdikt der Ex-Partner.

Das 2001 gegründete Unternehmen ging 2004 mit künstlicher Haut an den Markt. Damals wurde diese noch bei einem Lohnfertiger hergestellt. Eine eigene Produktion gibt es seit 2010. Polymedics tummelt sich dabei in einer Nische: Der Umsatz liegt gerade einmal bei zwei Millionen Euro, die Kunden sind hauptsächlich Krankenhäuser. Exportiert wird die künstliche Haut inzwischen in verschiedene europäische Länder, seit einigen Jahren auch nach Korea. „Jetzt laufen aber auch Geschäfte in den USA und Russland an“, sagt Planck, „in Indien sind wir bei den Gesundheitsbehörden gerade mitten im Zulassungsverfahren.“ China steht nicht auf dem Programm – aus Angst vor Nachahmern. „Bekannt werden wir vor allem durch Kongresse“, meint Planck zum wachsenden Interesse Polymedics. „Das ist wie ein Schneeballsystem.“

Gesellschafter sind seine Frau und vier Mitarbeiter des Denkendorfer Instituts, die auch schon an der Entwicklung der künstlichen Haut beteiligt waren. Planck legt Wert auf eine Trennung zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern, hält deswegen selbst keine Anteile. Dies lehnt er genau so ab wie das, was ihm nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst hätte blühen können: ein Rentnerdasein. Bei der Gründung war auch Glück im Spiel. „Dass wir für die erste eigene Produktion Räume im Gewerbepark in Denkendorf bekamen, war gerade für den Start des Unternehmens besonders wichtig“, berichtet Planck. Der Blick geht aber auch nach vorne. „Wir entwickeln auch Materialien für andere Verletzungen der Haut oder Verletzungen an anderen Organen.“ So hat das Unternehmen gerade eine Zulassung für schwer heilende Wunden wie offene Beine erhalten. „Ich will nicht nur daheim rumhängen und dem Dätsch-mr-Club beitreten“, meint Planck zu seinen unverminderten Aktivitäten. So gesehen hat er mit der künstlichen Haut auch seine eigene Haut gerettet.