Auf einer Omnibusrundfahrt führt Karl Rüdiger Marion den Gästen die Besonderheiten des Remstals vor Augen. Die Touren der Firma Dannenmann extra zur Gartenschau kamen so gut an, dass der Stettener weiterhin Reiseleiter bleibt.

Kernen - Der Weg der Rems vom Ursprung in Essingen im Ostalbkreis zur Mündung in den Neckar in Remseck im Kreis Ludwigsburg erstreckt sich über 80 Kilometer. Die Remstal-Gartenschau, die am Sonntag endet, hat mit ihren 16 Anrainerkommunen den Fluss als verbindendes Element – und stößt auch kurz vor ihrem Finale auf großes Interesse.

 

37 überwiegend reifere Teilnehmer zählt der Stettener Karl Rüdiger Marion auf der Liste für die lange Busfahrt an diesem Tag. „Rems-To-Tal“ ist sie überschrieben, und sie ist trotz oder gerade wegen ihres Anspruchs, auf einer Tour quasi die gesamte Rems abzufahren, der Renner bei den Fahrten, die das Weinstädter Busunternehmen Dannenmann speziell zur Gartenschau ins Programm genommen hatte. Es gab seit Mai auch halbtägige Fahrten und Genusstouren mit Weinproben, aber keine wurde so oft nachgefragt wie die, die bei der Schau einen Gesamtüberblick ermöglicht.

Für den Remstal-Reiseguide Marion ist diese Fahrt bereits die 72. Er wird seine Heimat in den folgenden neun Stunden so präsentieren, als wäre es das erste Mal. „Ich bin der Karl“, stellt er sich am Morgen vor, „gerne auch der Herr Karl.“ Wer aus Stetten kommt, bräuchte diese Vorstellung nicht. Der 60-Jährige ist in seiner Heimatgemeinde unter anderem als Wortkünstler im Kunst- und Kulturverein Kukuk bekannt. Als Pädagoge war er bei der Diakonie Stetten aktiv, das inklusive Café Spezial betreut er dort nach wie vor. Als zertifizierter Weinerlebnisführer bietet er etwa geschichtsträchtige Wanderungen zu Kernens Dichterblick und zur Yburg an.

Trotz Regens werden Fotos gemacht

„Ich will die Menschen begeistern“, sagt Marion, nicht nur vom Wein und den Orten, wo er wächst, sondern auch von dessen Bezügen zur Landschaft, zur Architektur und zur Kunst. Die ersten Weinerlebnisführungen startete er 2015 im Freundes- und Bekanntenkreis in Stetten und Strümpfelbach, eine erste Bustour hatte das Motto „Architektur trifft Natur“. Darauf wurde auch Markus Dannenmann, Chef des Weinstädter Omnibusunternehmens, aufmerksam – die Zusammenarbeit mit Karl Rüdiger Marion begann. Er arbeitete für die Gartenschau vier Touren aus und ist seit Mai beim Omnibusunternehmen fest angestellt.

Der Ausflugsbus ist unverkennbar auf die Remstal-Gartenschau abgestimmt. „Entdecke den unendlichen Garten“ ist auf der Seite zu lesen, innen gelangen die Gäste auf grünem Kunstrasen zu ihren Sitzplätzen. Ein Paar aus Tübingen ist dabei, eines aus Leonberg, zwei Frauen aus Böbingen sind zum Einstieg nach Endersbach gefahren, um dann mit dem Bus unter anderem wieder in ihre Heimat kutschiert zu werden. „Wir haben bei uns immer diesen Bus bei seinem Stopp gesehen“, sagt Andrea Maisel-Schnepf. Sie hat ihre Schwester Martina Hippele mit angemeldet, die das Remstal „bisher vor allem vom Zug aus kennt“.

Mit Herrn Karl geht es zunächst vorbei an der Weinstädter Birkelspitze und den Mühlwiesen in Großheppach zum Bürgerpark in Remshalden. Er berichtet, wie die Gelände vor der Gartenschau aussahen, als noch Bagger das Bild bestimmten. Trotz des Regens am Vormittag werden im Vorbeifahren fleißig Fotos durch die Busscheiben gemacht.

Die „längste Gartenschau Europas“

Das Haus von „Remstalrebell“ Helmut Palmer ist ein Thema, ebenso die Windräder am Goldboden in Winterbach, „so hoch wie der Fernsehturm“, wie der Remstalführer erläutert. „Sehr sehenswert“, sagt eine Frau über die Weinbergvillen am Grafenberg in Schorndorf, auch wenn sie im Dunst nur schwer zu sehen sind. Die vielen Blühwiesen, ein Merkmal der Gartenschau, auf das Marion vielfach hinweist, haben ihre schönste Zeit hinter sich. „Herrlich“, ist gleichwohl ein Kommentar zu hören. Ebenso, als der Fahrer Ercan eine Extrarunde in einem Plüderhäuser Kreisverkehr dreht („Ercan gibt eine Runde aus“), damit jeder die dort installierten bunten Fische einer Künstlergruppe würdigen kann. 110 Millionen Euro hätten die 16 an der Gartenschau beteiligten Städte und Gemeinden investiert, sagt Marion. Gut angelegtes Geld, wie er findet, weil vieles dauerhaft bleibe. Damit tröstet sich auch Helga Mutschler aus Bittenfeld, dass sie die Busrundtour „ein bissle spät“ für sich und ihren Mann – einer der wenigen im Bus – gebucht hat. Viele Bekannte hätten davon geschwärmt. „So macht man die Tour ja nicht selbst“, sagt Bernd Mutschler. Dass Herr Karl beim Verweis auf Veranstaltungen und Blühendes öfter „hier war“ statt „hier ist“ sagen muss, ist nicht so schlimm. „Er macht das toll, so lebendig“, urteilt Helga Mutschler bei einem Stopp am Mittelpunkt der Rems in Lorch-Waldhausen. Der Regen legt wie bestellt eine kleine Pause ein.

„Regen hat uns nie abgehalten“, bilanziert Marion die Busfahrten, „um einen Überblick zu bekommen, was die Kommunen alles entwickelt haben.“ Für ihn ist es „die längste Gartenschau Europas“. Manche der Teilnehmer hätten sogar mehrere Fahrten gebucht. Rund 2700 Gäste zählte die Firma Dannenmann, der jüngste 15, der älteste 101 Jahre alt. Der Großteil aus dem Rems-Murr-Kreis. Die Möglichkeit, die eigene Heimat aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, kam gut an.

Eine „griechische Vorspeisenplatte“

Der viele Regen hört auf, als der Remsursprung in Essingen erreicht ist. Doch er hat dazu beigetragen, dass dort nicht nur ein kleines Rinnsal zu beobachten ist. Ein kurzer Spaziergang entlang einer Murmelbahn führt zurück zum Bus. Wer keine 20 Cent für eine Holzmurmel ausgeben mag: kein Problem. Herr Karl hat in einer Box bunte Leihkugeln dabei.

Souverän, mit Charme und stets mit Kappe auf dem Kopf führt er durch den Tag. „Ich bin das Unterhalten gewohnt“, sagt er. Trotz sieben Haltepunkten zum Aussteigen: Das meiste sehen die Fahrgäste nur im Vorbeifahren. „Das ist wie eine griechische Vorspeisenplatte“, sagt der Reiseleiter beim Mittagessen, „man bekommt Kostproben.“ Er selbst holte sich im Vorfeld viele davon. In den Remstal-Kommunen suchte er das Gespräch in den Rathäusern, war zum Testessen in Lokalen, mit einem Busfahrer an der Seite fuhr er alles ab – die Dimensionen eines Omnibusses setzen der Route Grenzen. „Ich will so viel wie möglich zeigen“, sagt Marion, „und Impulse geben.“ Bei den Böbinger Schwestern fruchtet das. Die beiden wollen wiederkommen und auf eigene Faust Stetten erwandern.

Doch zuvor dürfen sie wie die anderen Gäste durch den Schwäbisch Gmünder Himmelsgarten flanieren und erfahren, dass allein in dieser Stadt rund 500 ehrenamtliche Helfer dazu beigetragen haben, dass die Gartenschau mit ihren unzähligen Veranstaltungen zum Erfolg wurde. „Es ist die Vielseitigkeit, auf die ich aufmerksam machen möchte“, sagt Herr Karl – und lässt den Blick nun vom Hochzeitsturm in Plüderhausen schweifen. Er ist eine der 16 architektonisch besonderen Stationen, die neben der Rems der rote Faden bei der Gartenschau sind. Auch sie werden bleiben. Am Horizont ist von hier aus sogar der Fellbacher Tower auszumachen.

Ein kulturelles Programm zur Verarbeitung

„Er macht das wunderbar“, lobt eine Seniorin aus Fellbach, „er hat alles im Kopf und erklärt das Wichtigste.“ Eine Mitreisende stimmt ihr zu. „Wir hätten die Tour nur früher machen sollen, als noch mehr blühte.“

Romantisch geht der Tagesausflug am frühen Abend in Remseck zu Ende. Die Sonne erwärmt mit letzten Strahlen den Stadtstrand in Neckarrems, wo die Rems in den Neckar mündet. Vorbei an Waiblingen geht es zurück zum Ausgangspunkt.

Überall, wo Aussteigen angesagt war, gab es eine Regenpause oder es schien die Sonne. „Die Magie der Busreise“, sagt Karl Rüdiger Marion. Bei aller Magie: Dass mit der Gartenschau die Bustouren enden, ist für ihn keine schlechte Perspektive. „Ich bin ja die Rampensau im Bus, und nun freue mich auf den Stall.“ Dort wird er Kräfte sammeln und, wieder ganz Künstler, seine Erlebnisse wohl für ein kleines Programm aufarbeiten.

Der Herr Karl geht im kommenden Jahr wieder als Reiseleiter an Bord, sein Vertrag wurde verlängert. Denn Dannenmann will die Remstaltouren im Sonderbus im Programm behalten. „Es werden Genusstouren“, sagt Marion, „wir entwickeln sie im Herbst und im Winter.“