Dass ein Trainer in Ruhe arbeiten kann, ist eine Utopie beim VfB Stuttgart geworden. Das verdeutlicht die Entlassung von Tayfun Korkut. Ein Kommentar von Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Exakt acht Monate und acht Tage war Tayfun Korkut Trainer des VfB. Diese vergleichsweise sehr kurze Phase ist für Stuttgarter Verhältnisse mittlerweile schon fast eine bemerkenswert lange Zeit. Mussten in den letzten vier Jahren doch fast alle Trainer des Bundesligisten früher ihren Platz räumen. Der Reihe nach: Thomas Schneider nach sieben Monaten, Armin Veh nach vier, Huub Stevens nach sieben, Alexander Zorniger nach vier, Jürgen Kramny wiederum nach sieben und Jos Luhukay bereits nach zwei. Die knapp anderthalb Jahre, die Hannes Wolf zwischenzeitlich in diesem Amt vergönnt gewesen sind, nehmen in diesem Umfeld fast schon astronomische Gestalt an.

 

Die aktuelle Entlassung macht überdeutlich, dass auch der Präsident Wolfgang Dietrich mit seinem Plan, Kontinuität in die sportliche Führung seines Clubs zu bekommen, krachend gescheitert ist. Der VfB bleibt – entgegen anderslautenden Ankündigungen – der Trainerjobkiller Nummer eins in der Bundesliga. Deshalb erntet der Club nach der Entlassung von Tayfun Korkut wieder Kritik.

Wahrscheinlich wäre es ehrlicher, wenn Wolfgang Dietrich sagen würde, dass Beständigkeit im Traineramt für einen Verein wie den VfB mittlerweile fast schon eine Utopie geworden ist. Ist Kontinuität doch nur mit einem absoluten Spitzenmann möglich. Doch der arbeitet lieber woanders und nicht bei einem Club, der am Tabellenende steht und dessen Trainerstuhl ein Schleudersitz ist.

Wenn aus dem richtigen der falsche Trainer wird

So ist man zuletzt an Tayfun Korkut geraten, weil es keine anderen Optionen gab. Seine unaufgeregte Art tat einer vor acht Monaten hochnervösen Mannschaft auch gut. Und seine defensive Spielphilosophie brachte die nötige Stabilität. Während Korkut zunächst also der richtige Trainer war, ist er schnell der völlig falsche geworden. Er ist keiner, der eine Mannschaft weiterentwickeln kann. Aber genau diese Anforderung hatte die Clubführung zuletzt an ihn gestellt. Ebenso wenig kann Tayfun Korkut eine Mannschaft motivieren, haben seine Ansprachen doch vor allem bremsende Wirkung gehabt. Das konnte unter einem ungeduldigen Präsidenten und einem ungeduldigen Sportvorstand nicht besonders lange gut gehen.

 

Beim VfB zeigt sich exemplarisch, welche Fähigkeiten einen herausragenden Trainer ausmachen. Er darf nicht nur einen Lösungsansatz wie Tayfun Korkut haben, der auf Zurückhaltung in allen Bereichen basiert. Was sich bei ihm änderte, war nur die Mannschaftsaufstellung. Und das wird dann im Misserfolg schnell als Ratlosigkeit interpretiert. Ein Trainer darf nicht nur reagieren, er muss in erster Linie agieren. Dafür braucht es allerdings auch verlässliche Vorgesetzte, die einem glaubhaft den Rücken stärken. Ein sehr fragwürdiger Stil ist dagegen, wenn Michael Reschke nach der 1:3-Niederlage in Hannover betont, dass sich die Trainerfrage nicht stellen würde, um dann Korkut am nächsten Tag zu entlassen. Ein Club, in dem man seine Meinung offenbar über Nacht ändert, ist nicht unbedingt ein Wunscharbeitgeber.

Deshalb wäre es auch der falsche Ansatz, die erneute Krise beim VfB allein am Trainer festzumachen. Die Arbeit von Michael Reschke, der als Manager für die Transfers verantwortlich ist, muss kritisch hinterfragt werden. Keiner der Neuzugänge, die zusammen über 30 Millionen Euro gekostet haben, konnte dem VfB bisher weiterhelfen. Der aus Dortmund gekommene Gonzalo Castro ist bisher nur ein Mitläufer. Durchgesetzt haben sich bisher auch nicht Pablo Maffeo, Nicolas Gonzalez und Borna Sosa, während Daniel Didavi weiterhin unter seiner Verletzungsanfälligkeit leidet. Was alles in allem ein ziemlich dürftiges Transfer-Zwischenergebnis darstellt. Der neue Trainer muss deutlich schneller auf Touren kommen, sonst wird es für Michael Reschke und den VfB ganz schnell ganz eng.