Die traditionelle Behindertenhilfe ist im Wandel. Die Behinderteneinrichtung BHZ stellt sich auf Veränderungen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt ein.

Stuttgart - Arbeit gibt es für Menschen mit Behinderungen vorwiegend in speziellen Werkstätten. Manche können dem Termin- und Erfolgsdruck auf dem ersten Arbeitsmarkt aber durchaus standhalten. „Wir haben circa 50 solcher betriebsintegrierten Arbeitsplätze bei regionalen Firmen“, sagt Irene Kolb-Specht vom Vorstand der Behinderteneinrichtung Stuttgart (BHZ).

 

Der Nachteil ist, dass die Beschäftigten wie beim BHZ, also geringer, bezahlt werden. Seit dem 1. Januar 2018 gibt es jedoch ein Budget für Arbeit, das bis zu zwei Drittel der Lohnkosten abdeckt. Ein sogenannter Jobcoach, bezahlt vom Sozialamt über Eingliederungsleistungen, soll zwischen dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten vermitteln. „Wir sind im Gespräch mit der Stadt“, sagt die Vorstandsfrau, die fünf bis zehn dieser neuen Arbeitsplätze in den nächsten zwei Jahren für machbar hält.

Die behinderten Menschen sinnvoll beschäftigt werden

Neue Strukturen machen Werkstätten nicht überflüssig, die Arbeit aber schwieriger: „Übrig bleiben dort die Schwächsten“, sagt die Vorstandsvorsitzende, Dekanin Wiebke Wähling. Gleichwohl ist es dem BHZ gelungen, die Auftragslage wieder zu verbessern. „Wo früher ein Großauftrag aus der Automobilindustrie mit einer Laufzeit von acht Jahren war, sind heute fünf kleinere Aufträge mit kürzerer Laufzeit“, sagt Eberhard Bügner, kaufmännischer Vorstand. Trotzdem sei der Erlös von 2,8 Millionen Euro um fünf Prozent höher als im Vorjahr. Ertrag bringen zudem die Produkte aus der Kreativwerkstatt ein. Neu auf dem Dienstleistungssektor ist das Angebot des BHZ an Firmen, ihre Papieraktenbestände digitalisieren, also scannen zu lassen. Wähling: „Wichtig bleiben dennoch die Aufträge aus der Industrie, die zurzeit zwei Drittel ausmachen. Es ist unsere Aufgabe, den Leuten eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten, aber am Ende muss eine schwarze Null dahinterstehen.“

Auf dem Wohnsektor ist das BHZ gleich auf mehreren Feldern aktiv. Derzeit schaffe man auf dem Olgäle-Areal und in Heumaden deshalb „Wohnungen in einem normalen Umfeld“, in Birkach entstehe ein Apartmenthaus mit zwölf Wohnplätzen, in wenigen Jahren werde man ein Grundstück in Plieningen mit sieben Wohnplätzen bebauen. Von September an wird das derzeitige Wohnheim in Plieningen generalsaniert. „Ein Teil der 36 Bewohner zieht ins DRK-Haus am Killesberg“, sagt Bügner, das Interimsquartier könne man für drei Jahre behalten. Danach sollen die Mieter in sechs Wohngemeinschaften zurückkehren – „der Trend geht zu kleineren Einheiten und zu einem offenen Kontakt zur Nachbarschaft“, so der Vorstand.

Konzept für Senioren gesucht

Als Herausforderung sehen die Verantwortlichen die Betreuung der derzeit neun Senioren. „Meistens haben sie ihr ganzes Leben im Wohnheim verbracht, in der Regel haben sie keine Familie mehr“, sagt Wiebke Wähling. Zurzeit leben sie im Wohnheim, das tagsüber von allen Werktätigen verlassen und deshalb dünn besetzt sei. Ziel sei, auch für sie eine Tagesstruktur zu schaffen.