Kehrtwende? Von wegen! Auf dem Klimagipfel in Baku ringen die Staaten dieser Welt darum, wie der Kampf gegen die Erderwärmung weitergehen soll. Doch wird so viel Öl und Gas gefördert, dass alle Klimaziele außer Reichweite scheinen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Die klimaschädliche Öl- und Gasproduktion der großen Förderunternehmen weltweit hat einer Analyse von Umweltorganisationen zufolge 2023 einen Höchststand erreicht. Das geht aus der „Global Oil & Gas Exit List“ hervor, die die Organisation Urgewald gemeinsam mit mehr als 30 Partnern jährlich aktualisiert.

 
Länder mit dem höchsten Treibhausgasausstoß. Foto: dpa-Infografik

„Alarmierender Negativrekord“

  • Demnach förderten die erfassten Unternehmen – die 95 Prozent der weltweiten Öl- und Gasproduktion ausmachen – im vergangenen Jahr 55,5 Milliarden Barrel Öl-Äquivalent.
  • Dies lag den Angaben zufolge über den bisherigen Höchstwerten, die vor der Corona-Pandemie erreicht wurden. 2019 entsprach dieser Wert 55,01 Milliarden Barrel Öläquivalent.
  • Mit der Einheit werden Energieträger vergleichbar gemacht: Es geht um die Energiemenge, die beim Verbrennen von einem Barrel Erdöl freigesetzt wird.
Ein Arbeiter bedient die Steuerung in einem Bohrturm. Foto: Imago/Blickwinkel

„Dieser Negativrekord ist alarmierend. Wenn wir die fossile Expansion nicht aufhalten und keinen kontrollierten Produktionsrückgang einleiten, wird das 1,5-Grad-Limit unerreichbar. Hier müssen wir bei den Klimaverhandlungen in Baku vorankommen“, sagt Nils Bartsch, Leiter der Öl- und Gasrecherche bei Urgewald. Gemeint ist das internationale Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Erdölraffinerie im schottischen Grangemouth, Foto: Imago/Blickwinkel

Fossile Investitionen unvereinbar mit Klimazielen

Auf der Weltklimakonferenz in Dubai hatte sich die Weltgemeinschaft 2023 erstmals darauf geeinigt, die Abkehr von fossilen Energien einzuläuten. Tatsächlich investiert die fossile Branche allerdings weiter in einem Ausmaß, das in keiner Weise mit jeglichen Klimazielen vereinbar ist – nicht zuletzt mit Zielen der Unternehmen selbst.

Auf Gewinne verzichten für das Klima? Die globale fossile Industrie weitet ihre Produktion trotz immer neuen Klimarekorden und allen Warnungen zum Trotz weiter aus. Foto: Imago/Imagebroker

Der Analyse zufolge erschließen Öl- und Gasfirmen schon aktuell Felder, deren Ausbeutung die Erderwärmung auf mehr als zwei Grad ansteigen lassen könnte. 95 Prozent der 1769 erfassten Förderunternehmen sind auf der Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern oder erschließen diese bereits.

Volldampf voraus in die Klima-Katastrophe. Kohlekraftwerk Neurath im nordrhein-westfälischen Grevenbroich. Foto: Imago/Blickwinkel

Auch die Internationale Energieagentur (IEA) betont, die Öl- und Gasindustrie müsse ihre Investitionen deutlich verlagern, um die Energiewende zu beschleunigen. Bislang würden bei führenden Unternehmen der Branche Investitionen, die nichts mit Öl und Gas zu tun haben, nur etwa fünf Prozent der Geschäfte ausmachen – etwa Solar- oder Windprojekte.

Ausstieg aus Öl und Gas für 1,5-Grad-Ziel notwendig

„Es können noch so viele Erneuerbare zugebaut werden, die Welt wird die Erderwärmung nicht auf 1,5 Grad begrenzen können ohne einen schrittweisen Ausstieg aus Öl und Gas“, warnt Energie- und Finanzexpertin Regine Richter von Urgewald.

Die „Global Oil & Gas Exit List“ zieht vor allem Jahresberichte und Investoreninformationen von Unternehmen sowie Daten der Dienstleister Rystad Energy sowie des Global Energy Monitor heran.