Die Landeshauptstadt will ein Modell aus München kopieren und dabei ein dreijähriges Job-Wechselverbot für eigene Kräfte aussprechen. Nicht nur der DGB kommt in Rage.

Die Landeshauptstadt will digitaler werden und hat dazu vor einem Jahr ein Digitalamt mit zunächst 322 Stellen gegründet. Es kann bis zum Jahresende 53 Millionen Euro investieren. Als Amtsleiter kam Thomas Bönig (61) aus München. Nun soll es unter dem Namen Digital MoveS eine neue, städtische Beratungs-GmbH für Digitalisierungsfachkräfte geben. Wer dort arbeitet, kann offenbar mit erheblich besserer Bezahlung rechnen als Fachleute in städtischen Ämtern. Der Personalrat ist strikt gegen die Gründung. Zumal in der GmbH ein dreijähriges Beschäftigungsverbot für bisher städtisches Personal gelten soll.

 

Stadt argumentiert mit Sparmöglichkeit

Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer (CDU) pocht darauf, dass Digital MoveS kurzfristig startet. Bereits mehrfach musste das Thema im Verwaltungsausschusses abgesetzt werden, nun will man entscheiden. Die Verwaltung argumentiert, dass man mit der neuen Gesellschaft durch den Verzicht auf sonst übliche Ausschreibungen für externes Projektmanagement Tempo gewinnen und viel Geld sparen könne.

Sind die Projekte abgeschlossen, ziehen die Experten weiter, klagt Mayer. Nun will man diese in die eigenen Reihen der Digital MoveS aufnehmen und dadurch teures Projektpersonal reduzieren. Die Berater für Digital MoveS sollen „am Arbeitsmarkt“ gewonnen werden.

Mit Thomas Bönig hat die Stadt einen Amtsleiter eingestellt, der diesen Weg in München vor vier Jahren gegangen ist. Dort gibt es die Digital@M. GmbH. Sie arbeitet mit 70 Köpfen für Stadtverwaltung und Tochterbetriebe. „Das sind Leute, die agiles Arbeiten gewöhnt sind“, heißt es dort. Remote Work, Arbeiten ohne festen Schreibtisch, sei Standard, die Stellenprofile seien andere als für Fachleute in den Ämtern. Zur Bezahlung heißt es bei Digital@M, man spreche nicht über öffentliche Tarife, schließlich beschäftige man keine Beamten.

Neue Klassengesellschaft und Frust absehbar

Über die Entlohnung würde der Gesamtpersonalrat (GPR) in Stuttgart gern sprechen, über Tarifbindung, die unklaren Grenzen der neuen GmbH und über die Janusköpfigkeit des Amtsleiters Bönig, der laut Plan dem Digital-MoveS-Geschäftsführer Bönig bald Aufträge erteilen soll. Die Verwaltung habe die Mitwirkung der Beschäftigtenvertretung verneint, sagt die GPR-Vorsitzende Claudia Häußler, dabei sei man nicht gegen Digitalisierung. Sie befürchtet aber eine Art neue Klassengesellschaft. Fachkräfte in Ämtern würden bereits geringer bezahlt als im Digitalamt und wechselten daher in jenes. Die im Digitalamt würden dann geringer bezahlt als in der GmbH, dürfen aber nicht wechseln, was sehr fragwürdig sei. Frust ist absehbar.

Der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes lasse einen Bonus von 20 Prozent aus der jeweiligen Stufe zwei zu. „Das sind bis zu 1000 Euro mehr im Monat“, so Häußler, die Stadt nutzte diese Öffnungsklausel aber bei den begehrten Digitalkräften nicht.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Region Stuttgart hat die Pläne der Stadtverwaltung „mit Verwunderung“ zur Kenntnis genommen. Die Stadt wolle „Personal im gehobenen Entgeltbereich finden“, ohne Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband. Eine derartige Ausgründung solle unterbleiben, fordert der DGB von Bürgermeister Mayer. Mindestens ein Haustarif müsse vereinbart werden, fordert Häußler.

Vorlage aus München einfach kopiert

Ob Bönig, der München mit einer gewissen Verärgerung verließ, schon im Blick auf die neue GmbH nach Stuttgart geholt worden sei? „Das ist Spekulation“, sagt Häußler, daran beteilige sie sich nicht. Der Aufwand für Digital MoveS hielt sich jedenfalls bisher in Grenzen. Aus der Gemeinderatsvorlage für die GmbH-Gründung in München von November 2018 wurden ganze Textpassagen für das Papier, das dem Stuttgarter Gemeinderat zur Entscheidung vorliegt, einfach kopiert.

Immerhin finden sich, anders als in Stuttgart, im digitalen Münchener Ratsinformationssystem interessante Zahlen. Der durchschnittliche Tagessatz für einen externen Berater sollte 2023 rund 1600 Euro (brutto) betragen, Digital@M dagegen 938 Euro pro Tag und Berater abrechnen. In Stuttgart sind die Stellen beim Digitalamt meist in Entgeltgruppe 13 einsortiert, was zwischen 3750 und 5980 Euro im Monat bedeutet – 37,40 Euro pro Stunde, also rund 300 Euro am Tag.