SPD-Fraktionschef Stoch vermisst die Entschlossenheit von Grün-Schwarz, mit besseren Konditionen stellenweise dringend benötigte Bewerber anzulocken. 7500 Stellen sind derzeit unbesetzt – für die Ministerien ein normaler Zustand.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Ist der öffentliche Dienst im Land attraktiv genug, um alle offenen Positionen zeitnah zu besetzen? Und bemüht sich Grün-Schwarz intensiv um bessere Bedingungen, um Personallücken zu verkleinern? Die SPD-Fraktion im Landtag bezweifelt dies. Munition gibt ihr ein Antrag zu den offenen Stellen in der Landesverwaltung und Justiz. Nach den von den Ministerien zum 1. April erhobenen Zahlen sind derzeit mehr als 7500 Stellen unbesetzt. Insgesamt gibt es in der Landesverwaltung und der Justiz (mit Beamten auf Widerruf) etwa 119 310 Stellen. Nicht eingerechnet wurde wegen der komplizierten Aufschlüsselung der schulische Bereich.

 

Zum Teil seien die Gründe nachvollziehbar und Vakanzen vorübergehend, so Fraktionschef Andreas Stoch gegenüber unserer Zeitung. „In einigen Bereichen sind die Zahlen aber so eklatant, dass sich niemand herausreden kann.“ Der Handlungsbedarf sei groß. Beim Versuch des Nachsteuerns komme die Regierung nicht von der Stelle. „Da fehlt es an Ideen und an einem wirklichen Umsetzungswillen.“ Es brauche weitere Anreize, damit der öffentliche Dienst bei Berufseinsteigern oder Umsteigern mit der freien Wirtschaft konkurrieren kann. Die SPD will ihren Maßnahmenkatalog noch 2018 vorstellen.

Neue Wege bei der Besoldung gefordert

Am dringendsten fehlen IT-Kräfte, etwa im Bereich der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg. Die SPD-Fraktion fordert die Regierung auf, neue Wege der Besoldung zu gehen, um IT-Spezialisten zu gewinnen. Schwarz-Grün sei da untätig geblieben, obwohl Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) angekündigt habe, Korrekturen zu prüfen. Auch von der angepeilten Einrichtung eigenständiger Informatikstudiengänge für Verwaltungen an den Hochschulen Kehl und Ludwigsburg, um die Not mittelfristig zu lindern, sei die Regierung „meilenweit entfernt“.

Neue Besoldungsregeln könnten auch die große Zahl fehlender Ärzte im gesundheits- und vorsorgeärztlichen Dienst sowie im ärztlichen Dienst der Justiz reduzieren. Die Gehälter seien unvereinbar mit dem, was ein Arzt auf dem Arbeitsmarkt verdienen könne, so die SPD. Ein erster Schritt wäre es, die Vergütung der Ärzte an den Tarifvertrag des Bundes (TVÖD) anzupassen.

Zu wenig Finanzbeamte: das Land schadet sich selbst

Ein alter Hut sind Personallücken in der Finanzverwaltung. Mit jeder Stelle, die im Innendienst fehlt, gingen dem Land im Jahr mindestens 200 000 Euro Steuereinnahmen verloren, rügt die SPD. Im Außendienst reiche die Spanne von 400 000 bis zu elf Millionen Euro. „Groben Berechnungen zufolge ist das Land schnell bei mindestens 350 Millionen Euro, die ihm im Jahr durch die Lappen gehen“, so Stoch.

Zur Gewinnung gut qualifizierter Kräfte im Vollzugs- und Werkdienst hatte die SPD-Fraktion schon in den Verhandlungen zum Haushalt 2017 gefordert, dass der Sonderzuschlag für Justizanwärter von 55 Prozent auf 70 Prozent des Anwärtergrundbetrags erhöht wird – und die Altersgrenze von derzeit 26 Jahren für den Bezug des Zuschlags soll gestrichen werden. Die vom Justizministerium betonten Verbesserungen bei den Anwärtersonderzuschlägen seien sehr unkonkret und kämen zu spät.

Ministerien: Vollständige Besetzung ausgeschlossen

Nach der unserer Zeitung vorliegenden Erhebung zeigt sich das federführend für alle Ressorts antwortende Innenministerium gelassen: „Eine vollständige Besetzung aller Stellen ist aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen ausgeschlossen.“ Ein bestimmter Sockel an unbesetzten Stellen sei unabänderlich. Somit bewege sich deren Gesamtzahl „in dem zu erwartenden Rahmen“.

Als Gründe werden Vakanzen nach dem Ausscheiden der Stelleninhaber genannt. So werde bei der Polizei nur zu speziellen Stichtagen Stellen neu besetzt. Ferner gebe es Lücken, wenn Mitarbeiter aus familiären Gründen ihre Arbeitszeit reduzieren. Gerade wegen unterschiedlich langer Laufzeiten der Teilzeit könnten diese Stellenanteile oft nicht anderweitig genutzt werden. Zudem dauere die Besetzung neuer Stellen im Staatshaushaltsplan 2018/2019 oft noch an. Unbesetzt blieben auch sogenannte kw-Stellen (mit dem Vermerk „kann wegfallen“) nach dem Ausscheiden der Inhaber vor dem geplanten Wegfall. Eine kurzzeitige Nachbesetzung scheide meist aus.