Eine gründliche Vorbereitung auf das Gespräch ist wichtig - ein Notizbuch führen, kann helfen.

Stuttgart - Von Anfang Januar bis Mitte Februar wird bei Kärcher viel gesprochen. In diesem Zeitraum finden bei dem Hersteller von Reinigungsgeräten in Winnenden die alljährlichen Mitarbeitergespräche statt. Vorgesetzter und Mitarbeiter reden dann über Vergangenes, Aktuelles und die Zukunft. Ende Januar saßen sich die beiden Maschinenbau-Ingenieure Ralph Diehl, 50, und Dr. Christian Stewen, 45, eineinhalb Stunden gegenüber. Diehl ist als Abteilungsleiter zuständig für Entwicklung und Test von Indoor-Produkten wie Dampfreinigern. Stewen, einer von seinen fünf Gruppenleitern, kümmert sich um Konstruktionen von batteriebetriebenen Geräten, etwa Fensterreiniger. „Vor dem alljährlichen Gespräch beschäftige ich mich mit den standardisierten Bögen und bin überzeugt, meine eigenen Interessen dadurch leichter durchsetzen zu können”, sagt Stewen. Sein Vorgesetzter schätzt gut vorbereitete Gespräche.

 

So wird keine Zeit verplempert. Mitarbeitergespräche sind ein Führungsinstrument, das aus den USA stammt und ab 50 Beschäftigten in Deutschland seit Jahren Standard ist. „Wollen Menschen gemeinsame Ziele erreichen, müssen sie kommunizieren”, sagt Jürgen Hesse, einer der beiden Inhaber vom Büro für Berufsstrategie in Berlin. Das Mitarbeitergespräch sei die institutionalisierte Form, um über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sprechen, so Karriereberater Hesse. Für beide Seiten geht es dabei um Orientierung. „Und es ist eine Art Zwischenzeugnis, in dem Vorgesetzte und Mitarbeiter Vorgänge beurteilen und bewerten.” Fällt die Beurteilung unterschiedlich aus, muss ein Kompromiss gefunden werden, etwa eine Fortbildung. „Das Mitarbeitergespräch kann mehr Geld bringen, der Karriere dienen, oder man kann sich etwas von der Seele reden.” Tabuthemen gibt es keine. Falls aktuell aber etwas schiefläuft, sollte man sich gleich melden und nicht bis zum Mitarbeitergespräch warten. Viele Firmen haben standardisierte Formulare, die entweder handschriftlich oder am Computer ausgefüllt, unterschrieben und - ganz wichtig - beide Parteien bekommen, auch um sich auf das nächste Treffen vorbereiten zu können. „Vorbereitung auf das Mitarbeitergespräch ist wichtig und wird grob unterschätzt”, sagt Verhandlungsexpertin Claudia Kimich aus München. Man wisse zwar, was das Jahr über lief, „aber das Hirn spielt uns einen Streich, indem es unangenehme Dinge verdrängt”. Ihr Rat: ein Notizbuch zu führen und Gutes wie Schlechtes, besondere Leistungen und schlimme Reinfälle zu notieren.

„Durch Vorbereitung erreicht man leichter seine Ziele"

„Und ganz wichtig: den Nutzen fürs Unternehmen herausstellen.” Die Gegenleistungen dafür sind das Gehalt oder Prämien. Kennt man den Nutzen, sind gute Argumente die besten Gründe für mehr Geld. Notizen liefern Argumente für Verhandlungen. Kimich ist überzeugt: „Durch Vorbereitung erreicht man leichter seine Ziele und kann sich Alternativen überlegen.” Klappt es mit der Gehaltserhöhung nicht, könnte eine Fortbildung der Kompromiss sein. In diesem Fall wären beide Seiten Nutznießer dieser Lösung. Die Verhandlungstrainerin empfiehlt zudem, darauf zu achten, mit welcher Art von Chef man es zu tun hat. Max und Maxima sind die sachlich-nüchternen, für die nur Argumente zählen. Bei solchen Verhandlungspartnern ist Vorbereitung mehr als die halbe Miete. Star und Stelle bezeichnet Kimich als schillernde Paradiesvögel, die an Excel-Charts verzweifeln. Sie sind allein mit neuen Ideen zu überzeugen. Weitere Chef-Charaktere beschreibt sie in ihrem Buch „Um Geld verhandeln”. Diehl und Stewen sind Ingenieure durch und durch. Sie setzen auf Fakten und sind sachlich nüchtern in der Verhandlung. Daher waren auch beide gut vorbereitet, als sie sich Ende Januar getroffen haben. Das Kärcher-Mitarbeitergespräch besteht aus drei Teilen: Mitarbeiterbeurteilung, -entwicklung und Zielvereinbarungssystem. Stewen macht sich das Jahr über Gedanken und Notizen, etwa für die Beurteilung: „Ich kenne meine Aufgabe und gehe das Formblatt durch, ohne mich von der letztjährigen Beurteilung leiten zu lassen”, so Stewen. Im Fragebogen „Mitarbeiterentwicklung” geht es um die persönliche Entwicklung, beispielsweise um Seminare, an denen er teilgenommen hat und mit welcher Konsequenz. Bei Stewen war das ein interkulturelles Training in der Zusammenarbeit mit Chinesen.

„Das war gut, und in diesem Jahr werde ich an Kursen über Führungstechniken teilnehmen”, sagt Stewen, der zehn Mitarbeiter hat. Für den Gesprächsteil „Zielvereinbarung” hat er sich für dieses Jahr zwei Aufgaben vorab überlegt: das ist die Einarbeitung eines Stellvertreters für sich, und er will in der Abteilung ein Softwareprogramm einführen, um die Arbeitsmethodik in Projekten zu verbessern. „Wenn beide Seiten sich gut vorbereitet zum Gespräch treffen, gibt es kaum Überraschungen”, weiß Diehl aus vielen Mitarbeitergesprächen. Auch dass sich realistische Zielvereinbarungen durchaus finanziell lohnen: bei Kärcher liegt die Zielprämie auf Gruppen- und Abteilungsleiterebene zwischen 15 und 20 Prozent des Jahreseinkommens. Stewen geht davon aus, dass er mit dem vereinbarten Seminar zu Führungstechniken seine Karrierechancen erhöht hat. Er hatte Argumente gesammelt, und sein Chef konnte daher nicht anders, als seinem Wunsch zuzustimmen.