Am Wochenende wurde Fellbach sieben Jahrhunderte zurückversetzt: Beim Umschlag in der Alten Kelter tummelten sich Ritter, Damen und Spielleute. Unsere Bildergalerie zeigt Impressionen vom Mittelaltermarkt.

Fellbach - Eigentlich ist Tania Dringelstein gelernte Diplom-Finanzwirtin. Doch seit 16 Jahren studiert sie nicht die Chart-Verläufe des Dax, sondern befasst sich mit Handlinien und Kartenlegen. Warum sie „Wahrsagerin und Seherin“ wurde, will sie nicht verraten, aber sie muss etwas von ihrem Handwerk verstehen: „Ich kann davon leben und habe viele Stammkunden, die auch mal telefonisch bei mir um Rat fragen“, sagt sie. Auf dem „Umschlag“ - so wurden im Mittelalter große Märkte genannt - in der Alten Kelter hatte sie am Wochenende ihr Zelt aufgestellt und für ein paar „Eurotaler“ aus der Hand gelesen oder die Karten gelegt.

 

Die Besucher kommen sogar aus der Schweiz nach Fellbach

Knapp 50 Standbeschicker präsentierten sich und ihre Waren auf dem Mittelaltermarkt, der zum zweiten Mal von der Agentur „Sündenfrei“ organisiert worden ist. Vor allem wunderschöne Gewänder und Kopfbedeckungen, Helme und Rüstungen gab es zu kaufen. Den Met ließen sich etliche Besucher stilecht ins mitgebrachte Horn füllen. Dass es Getreidefladen – also Crèpes – schon vor tausend Jahren gab, Nutella aber eine recht neuzeitliche „Suchtmasse“ ist, störte niemanden.

Die Besucher kamen zum Teil von weit her, Ursula und René Bamert zum Beispiel vom oberen Zürichsee. „Das hier ist der erste Mittelaltermarkt in diesem Jahr und da mussten wir halt 300 Kilometer fahren“, sagen die Schweizer. Vor 15 Jahren haben ihre Töchter das Paar auf den Geschmack an längst vergangenen Zeiten gebracht – und jetzt kommen die beiden nicht mehr davon los.

Viele Frauen unter den Besuchern genießen es, lange Kleider zu tragen: „Hier kann man wieder ganz Frau sein und es ist egal, ob man dick oder dünn ist“, sagt Alexandra Szardien, die als Teenager zur Gothic-Szene gehörte und sich jetzt bei den Mittelalter-Fans wohlfühlt. Auch ihre Mutter und die kleine Tochter sind entsprechend gekleidet und freuen sich über das generationenübergreifende Hobby.

Der gut gekleidete Mittelalterfan braucht einen Hut

Während sich die Kinder bei den Helmen umschauen und geduldig probieren, bis die richtige Größe gefunden ist, sind Kopfbedeckungen auch für alle anderen mittelalterlich Gekleideten Standard. Am Stand von Hannelore Kanthak und Bärbel Wellmann sind Jagdhüte und schlichte, leinengefütterte Bundhauben besonders begehrt. Die Schwestern aus Xanten fertigen Hüte aus der Zeit vom Mittelalter bis zur Renaissance und schauen sich ihre Modelle auf alten Gemälden ab. „Wir arbeiten so authentisch wie möglich“ sagen sie. Etwa zehn Märkte besuchen sie im Jahr.

Auf der kleinen Bühne hat sich die Gruppe Furunkulus eingefunden, viele Fans der bayerischen Musikanten sind extra angereist. Es ist eine urige Percussion, die die Zuhörer mitreißt: „Damals war alles derber, auch die Musik und die Sprache, der ganze Umgang miteinander“, sagt jemand. Im Puppentheater gibt es erst das „Rapunzel“, dann den „Dr. Faustus“ und wenn sich die Ritter miteinander messen, dass der metallene Klang aufeinanderschlagender Schwerter und Rüstungen durch die ganze Kelter hallt, läuft das „Volk“ rasch zusammen. Nur ein kleines Mädchen weint: „Die sollen aufhören!“. Die Kleine lacht schnell wieder, als das Duo Forzarello bunte Keulen durch die Luft fliegen lässt und auf mittelalterlichen Blasinstrumenten spielt.