Der FC Bayern München kommt nach dem Trainerwechsel nicht zur Ruhe, auch weil sich der Kapitän der Nationalmannschaft betroffen zeigt – und Kritik äußert.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Das Geschäft ist hart. Joshua Kimmich weiß das. Er ist ja schon seit bald zehn Jahren voll dabei. Dabei gehört er sicher zu den Spielern, die nicht nur ihre eigenen Leistungen hinterfragen. Kimmich schaut gerne auf das große Ganze – und das bei den zwei wichtigsten Mannschaften in der Fußballrepublik, der deutschen Nationalelf und dem FC Bayern.

 

400 Kilometer lagen die beiden Epizentren in den vergangenen Tagen auseinander, und während es im Quartier des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt im Grunde ruhig zuging, erfasste die Säbener Straße in München ein Trainerbeben. Julian Nagelsmann weg, Thomas Tuchel da – Kimmich zeigte sich erschüttert von der unerwarteten Entscheidung seines Arbeitgebers.

So reagiert Hasan Salihamidzic

Die Entwicklung habe ihn schon vor dem Länderspiel gegen Peru schwer beschäftigt, gibt Kimmich zu. Die Münchner Nationalspieler waren zuvor im Mannschaftshotel in der Mainmetropole zusammengetrommelt und informiert worden. Der DFB-Kapitän wollte sich vor der Begegnung mit den Südamerikanern nicht ausführlich zum FC Bayern äußern. Ein Hauch von Unzufriedenheit war aber doch schnell zu erkennen, weil der ehrgeizige Musterprofi Nagelsmann „locker“ zu den drei Toptrainern in seiner Karriere zählt. Und das bei einer Reihe mit Größen wie Pep Guardiola, Carlo Ancelotti, Jupp Heynckes, Hansi Flick im Club sowie Joachim Löw in der Nationalmannschaft.

Nach dem 2:0-Länderspielsieg in Mainz gewährte Kimmich schließlich Einblick in seine Gedanken – auf der Fernsehbühne vor einem Millionenpublikum. „Am Ende des Tages ist so das Geschäft, wenig Liebe, wenig Herz. Wir müssen lernen, damit umzugehen und auch mit der Entscheidung zu leben“, sagt Kimmich. Als Verärgerung über die Bayern-Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic will Kimmich diese Aussage nicht verstanden wissen, sondern vielmehr als Systemkritik. Verstärkt wird die Wucht seiner Worte durch Leon Goretzka. Für ihn sei der Trainerwechsel ein „Schock“ gewesen, so der Münchner Nationalspieler. „Es ist extrem, wie schnell so etwas gehen kann.“

Welche Spieler sind so mächtig, den Trainer zu kippen?

Dabei muss man wissen, dass sowohl Kimmich als auch Goretzka als Nagelsmann-Vertraute gelten. Beide sind beim FC Bayern jedoch immer noch Führungsspieler, und es droht die Gefahr, dass in einer heiklen Saisonphase ein Riss die Münchner Mannschaft durchziehen könnte. Sportvorstand Salihamidzic hatte Nagelsmanns Freistellung am Samstag damit begründet, „dass die Konstellation zwischen Trainer und Mannschaft nicht mehr gepasst hat“. Vorstandschef Kahn führte zudem die ständigen Leistungsschwankungen als weiteren Faktor auf.

Nach fünf sieglosen Spielen (drei Unentschieden, zwei Niederlagen) aus den vergangenen zehn Ligapartien stimmt Kimmich dem sportlichen Argumentationsstrang zu, nimmt dabei aber auch die Profis selbst in die Verantwortung. Die Sache mit der Teamführung sieht der 28-Jährige anders: „Das war jetzt nicht so, dass es sich intern in der Kabine angedeutet hat, weil die Spieler unzufrieden waren.“ Salihamidzic, der kurzfristig in der Sport-1-Sendung „Doppelpass“ Rede und Antwort steht, lässt die Kritik weitestgehend unkommentiert. Das öffnet Raum für Spekulationen, welche Spieler so mächtig sind, dass sie einen Trainer, der noch die Chance auf das Triple hat, kippen können.

Das sagt Thomas Tuchel

Der verletzte Manuel Neuer? Der wortgewaltige Thomas Müller? Die immer mal wieder gescholtenen Serge Gnabry und Leroy Sané? Antworten auf diese Fragen gibt es nicht. „Es werden jetzt auch nicht alle Spieler super happy sein“, ahnt Tuchel bei seiner Vorstellung in der Allianz-Arena, da ein Umbruch auch Unsicherheit erzeuge. Die Lust auf die neue Herausforderung lässt sich der 49-Jährige jedoch nicht nehmen.

An diesem Montag beginnt die Arbeit für ihn in München, Kimmich und Goretzka weilen dann noch im DFB-Kreis. „Ich habe meinen Trainingsplan angeschaut, mit den Nationalspielern werden wir vielleicht am Freitag das erste Mal trainieren“, sagt Tuchel.

Start in den Triple-Tunnel

Viel Zeit bleibt ihm nicht, um sein neues Team auf wegweisende Spiele vorzubereiten: Bereits am Samstag geht es im Bundesliga-Gipfel gegen Borussia Dortmund, im DFB-Pokal steht das Viertelfinale gegen den SC Freiburg an und in der Champions League das gegen Manchester City. „Die DNA des Clubs ist eine Verpflichtung. Es geht ums Gewinnen, es geht auch um die Art des Gewinnens. Der Kader ist dementsprechend zusammengestellt. Man kann mit diesem Kader um jeden Titel spielen“, sagt Tuchel.

Der Trainer, der in Mainz erfolgreich gearbeitet und mit dem BVB den Pokal geholt hat, mit Paris Saint-Germain zweimal französischer Meister wurde und mit dem FC Chelsea die europäische Königsklasse gewann, begibt sich bereits in den Triple-Tunnel – Kimmich und Goretzka sollen folgen.