MMA-Kämpfer aus Murrhardt „Ich wurde in der Schule gehänselt“ – jetzt ist Mike Neulinger ein MMA-Champion

, aktualisiert am 16.10.2025 - 13:02 Uhr
Diverse Kickbox-Titel hat er schon, jetzt will er Deutscher Meister im MMA werden: Mike Neulinger. Foto: Frank Eppler

Mike Neulinger aus Murrhardt tritt bald gegen die besten MMA-Kämpfer des Landes an. Wir haben den 21-Jährigen beim Training in Backnang besucht.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Paff, paff. Zwei rasche Hiebe treffen die Pratzen. Dann schießt Mike Neulingers Bein durch die Luft, trifft wuchtig das Kunstleder. Trainer Thorsten Kronz nickt anerkennend. Der 21-jährige Murrhardter, der ihm mit tänzelnden Bewegungen gegenübersteht, bereitet sich darauf vor, gegen die besten Kämpfer Deutschlands anzutreten. Seine Disziplin: Mixed Martial Arts (MMA).

 

Vor sieben Jahren begann Neulinger mit Kampfsport. „Ich wurde damals in der Schule gehänselt“, erinnert er sich. An seinem 14. Geburtstag startete er das Training bei der Kampfsportschule Allerborn in Backnang. Heute würde sich wohl kaum jemand mit dem muskulösen jungen Mann anlegen. „Die Leute hatten auf einmal Respekt – gebraucht habe ich diese Fähigkeiten im Alltag nicht, ich habe mich noch nie geschlägert“, betont Neulinger.

Mike Neulinger will Deutscher Meister im Mixed Martial Arts werden

Mike verbringt täglich mehrere Stunden beim Training. Foto: Frank Eppler

Der 21-Jährige erlebt auch sportlich einen Aufschwung. 2019 errang er den Titel des Junioren-Weltmeisters im Kickboxen bei der World Kickboxing Association (WKA). In den Jahren 2022 und 2023 sicherte er sich dort zwei Deutsche Meistertitel in der Erwachsenenklasse. Doch Neulinger hat größere Ambitionen. Sein Hauptaugenmerk liegt auf MMA: „Ich will der Beste werden“, sagt er.

In der Kampfsportschule Allerborn, wo Neulinger trainiert, steht ein riesiger Aufsteller mit seinem Bild. Seine Auszeichnungen prangen in der Vitrine – direkt neben Postern internationaler Stars wie Mike Tyson, Conor McGregor und Sven Ottke. Schulgründer Artur Allerborn, einer seiner Trainer, war einst Bundestrainer der deutschen Kaderboxer.

Neulingers weiterer Trainer Thorsten Kronz – selbst ehemaliger Profikämpfer – begleitet ihn seit fünf Jahren. „Die deutsche Meisterschaft des Verbands GEMMAF ist die letzte Hürde, die wir im Amateurbereich noch nehmen wollen“, erklärt Kronz. Denn sobald Neulinger seinen ersten Profikampf annimmt, sind seine Tage als Amateur gezählt. An seinem Schützling schätzt Kronz dessen ruhige Art: „Es gibt Leute, die laut bellen. Mike fällt durch seine Leistung auf. Er hat ein klares Ziel im Sport und ordnet dem vieles unter.“

Nach seinem Fachabitur begann Neulinger eine Ausbildung zum Verwaltungswirt bei der Stadt Backnang. „Ich komme jeden Tag nach der Arbeit her und trainiere“, sagt er. Mehrere Stunden am Tag perfektioniert er Grappling, Schläge und Kicks. Längst ist er auch für seine Trainer eine Stütze – für allzu viel anderes bleibt in seiner Freizeit kaum noch Raum.

Das heißt nicht, dass er sozial isoliert lebt. Im Gegenteil: Seine Freundin Angelina Haruni ist beim Interviewtermin dabei. Sie ist ebenfalls Taekwondo-Kämpferin; Neulinger hat sie in der Kampfsportschule kennengelernt. „Bei unserem ersten gemeinsamen Training habe ich ihm einen Kick zum Kopf verpasst“, sagt sie lachend. Der Zuneigung der beiden hat das offensichtlich nicht geschadet.

MMA sieht brutal aus – ist aber weit mehr als eine Schlägerei

MMA hebt sich deutlich von traditionellen Kampfsportarten ab. Im Gegensatz zu Ringen, Boxen und sogar Kickboxen, wo die Techniken streng limitiert sind, bietet MMA – abhängig vom Regelwerk – eine größere Vielfalt an erlaubten Aktionen. Zum Standard-Repertoire beim Mixed Martial Arts gehören:

  • Schläge,
  • Tritte,
  • Würfe,
  • Hebel sowie
  • Würgegriffe

Liegt ein MMA-Kämpfer am Boden, ist der Kampf noch nicht vorbei. Erstens, weil auch Ringen zu den erlaubten Disziplinen gehört. Zweitens, weil es beim MMA auch erlaubt ist, einen am Boden liegenden Gegner zu schlagen – bis der Ringrichter eingreift. Tabu sind Bisse, Finger in den Augen, Attacken gegen Weichteile, den Hinterkopf und die Wirbelsäule eines am Boden liegenden Gegners.

Was Laien auf den ersten Blick wie eine wüste Schlägerei erscheint, sei viel mehr als das, sagt Mike Neulinger. „Der Sport ist viel taktischer, als man zuerst denkt.“ Denn jeder Kämpfer hat seine Stärken und Schwächen. Manche teilen mit Schlägen und Tritten enorm hart aus, andere beherrschen das Ringen am Boden.

Neulinger: Harte Niederlagen gehören beim MMA dazu

„Das finde ich so gut an diesem Sport – jeder hat seine Stärken. Man muss versuchen, dem anderen seinen eigenen Stil aufzuzwingen und das zu nutzen, was der andere nicht kann“, sagt Neulinger. Noch vor einigen Jahren, erzählt Thorsten Kronz, sei die Trennung zwischen Ringern, Boxern und Kickboxern beim MMA klarer gewesen. „Heutzutage darf man sich keine großen Schwächen mehr erlauben“, sagt der Coach.

Trotz der brachialen Techniken, der immensen Kraft der Schläge und Tritte und des Bluts, das immer wieder fließt, sagt Neulinger: „Man hasst seinen Gegner nicht, sondern hat meistens großen Respekt voreinander. Ich habe schon oft nach einem Kampf den Abend mit meinem Gegner verbracht, mit vielen habe ich mich angefreundet.“ Jeder Kampf bedeute für ihn, dazuzulernen. Natürlich trete er an, um zu gewinnen. „Aber ich kann mich nur verbessern, wenn ich gegen deutlich bessere Gegner antrete und erfahre, wo ich noch Schwächen habe.“

MMA-Kämpfer im Aufwind

Meisterschaft
Am 8. November tritt Mike Neulinger bei der Deutschen Meisterschaft des Amateurverbands GEMMAF in Berlin an und misst sich mit den bundesweit besten Fightern. Sollte er die ersten Runden überstehen, tritt er am Tag darauf wieder an.

Event
Am Freitag, 17. Oktober, ist Neulinger Gast bei einem Promo-Stand von Vlajko Perovic – der ehemalige Allerborn-Schüler hat inzwischen seine eigene Sportbekleidungsmarke. Ab 17 Uhr zeigt Neulinger im Modegeschäft E & S in der Schillerstraße 32 einige Schlag- und Kicktechniken an der Pratze und beantwortet Fragen.

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