Sprachassistenten boomen und könnten künftig sogar Kundenberater ersetzen. Verbraucherschützer warnen allerdings vor der Datensammelwut der Technologie-Konzerne.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Barcelona - Auf der weltgrößten Mobilfunkmesse in Barcelona geht es um die Sprachhoheit. Google-Poduktchef Gummi Hafsteinsson hat angekündigt, den eigenen Sprachassistenten Assistant für andere Hersteller freizugeben, die auch das Googles Betriebssystem Android nutzen. Damit schaltet der Konzern im Wettbewerb mit dem Apples Assistenten Siri und Amazons Alexa zwei Gänge hoch, denn Android ist auf rund 80 Prozent der Smartphones weltweit vertreten.

 

Auch Amazon hat in Barcelona mitgeteilt, die eigene Sprachsoftware Alexa auf Smartphones zu bringen, zum Beispiel auf jene von Motorola und Lenovo. Durch die sprachliche Aufrüstung der drei Internetriesen dürften damit in Deutschland künftig praktisch alle Smartphone-Käufer mit einem Sprachassistenten in Kontakt kommen, viele zum ersten Mal. Mit den Assistenten können sie Kontakte aufrufen, navigieren oder Termine aus ihrem Handy auslesen lassen. Sie sollen neben dem Smartphone zur Steuerzentrale unseres Alltags werden: So installiert Google seinen digitalen Assistenten auch auf Computeruhren und in den vernetzten Heimen und Autos. Mit ihrer Hilfe können sie zum Beispiel auch Fernseher und Musik steuern. Dabei sollen die Nutzer auch einen weitergehenden Dialog führen können, um sich zum Beispiel Sehenswürdigkeiten nennen und Fotos davon anzeigen zu lassen oder das italienische Restaurant in der Nähe gezeigt zu bekommen. „Die Nutzer sollen eine persönliche Kommunikation mit Google haben. Der Assistent ist eine natürliche Schnittstelle“, sagt Hafsteinsson.

Daten- und Verbraucherschützer sehen die Entwicklung kritisch. „Siri, Alexa, Cortana und Googles Assistant machten vieles besser und sind umfassend vernetzt. Doch dies hat einen hohen Preis“, heißt es bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Denn die eingegebenen Suchbegriffe, besuchten Orte und das sonstige Verhalten können ausgewertet werden. „Die Sprachassistenten sind die verlängerten Arme der jeweiligen Plattformen. Google, Amazon und Co. geht es nicht um beiläufige Chats, sondern um engere Kundenbindung.“

Kommunikation soll menschenähnlicher werden

Dem würden Hafsteinsson und andere Entwickler nicht widersprechen, denn auch darum geht es ihnen – und sie wollen noch viel mehr. Sie sehen die Sprachassistenten nur als Anfang des neuen Verhältnisses von Mensch und Maschine. Die Spracherkennung der digitalen Assistenten übersetzt die menschliche Stimme für den Computer. Künftig wird die Technik weiterentwickelt, die Kommunikation soll intuitiver und menschenähnlicher werden. Ihre künstliche Intelligenz, also das selbstständige Lernen, soll gesteigert und personalisiert werden. Diese hochintelligenten Sprachroboter sollen dann nicht nur über das Smartphone Fragen beantworten und Dienste vermitteln, sondern auch fester Teil des Wirtschaftslebens werden, das heißt Produkte bewerben und verkaufen.

Schon jetzt sind einfache Dialogprogramme – Chatroboter – verbreitet, ohne dass das vielen bewusst ist. Nachdem Facebook seinen Nachrichtendienst Messenger im vergangenen Jahr für Entwickler geöffnet hat, wurden mehr als 30 000 Chatbots von den unterschiedlichsten Anbietern programmiert. Sie können auf der Plattform unter anderem für Unternehmen mit den Kunden einen Dialog führen und wie digitale Verkäufer agieren. Damit macht Facebook einen ersten Schritt von der Kommunikations- zur Handelsplattform.

Telekommunikationsunternehmen wie die Telekom und O2 arbeiten mit einfachen Chatbots, die interaktiv die häufigsten Fragen zu Tarifen und Rechnungen beantworten, zum Leidwesen vieler Kunden baut O2 sogar fast ausschließlich darauf. Doch es gibt bereits ausgereiftere Chatbots: Jener der niederländischen Fluglinie KLM kümmert sich um die Flugbestätigung, den Reiseplan und den Boarding-Pass. Mit ihm lässt sich auch der Sitzplatz ändern. Das mittelfristige Ziel: Nach Informationen und etwas Werbung lässt sich der Dialog in Richtung Verkauf steuern und gegebenenfalls Ticket und Reise buchen oder auch der neueste Turnschuh kaufen.

Chatbots könnten Mitarbeiter im Callcenter ersetzen

Christoph Loeffler ist Geschäftsführer der Design- und Innovationsberatung Fjord, die Kunden hilft, die Geschäfte der Zukunft zu machen. Die Anforderungen der Kunden an Sprachsteuerung und Sprachroboter seien sehr hoch. „Die Herausforderung ist heute, Chatbots menschlicher zu machen“, sagt Loeffler. Fjord habe für einen Konzern im Konsumgüterbereich einen Chatbot programmiert. Das Unternehmen habe in kurzer Zeit viele neue Mitarbeiter eingestellt, diese seien mit den Fragen der Kunden überfordert gewesen, sagt Loeffler. Der Chatbot habe 90 Prozent der Fragen beantworten können – die restlichen Fragen wurden an reale Mitarbeiter weitergegeben. Dieses Prinzip ist seiner Meinung nach am tauglichsten für den Alltag: „Der Sprachroboter macht die Vorarbeit, dann übernimmt der Mensch“, so Loeffler. „Die Mitarbeiterzufriedenheit mit unserem Chatbot war groß. Er hatte sogar eine um 20 Prozent bessere Bewertung als die Servicemitarbeiter.“

Aber fallen mit ausgefeilten Chatbots wie diesem nicht Hunderttausende Arbeitsplätze in den Kundenzentren der Unternehmen weg? Viele der Arbeitsplätze seien schon in Call Center in den Billiglohnländern verlegt worden, sagt Loeffler. „Mit Chatbots können wir eine bessere Beratung bekommen. Dabei können erfahrene Mitarbeiter im Kundenservice vor Ort mit der Technologie zusammenarbeiten.“

Auch das sieht man bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz kritischer: „Sehr viele Reklamationen und Verbraucherprobleme lassen sich nicht mit Textbausteinen lösen. Künstliche Intelligenz kann den Kundendienst ergänzen, die menschliche Intelligenz wird sie aber so schnell sicherlich nicht ersetzen können“, heißt es bei den Verbraucherschützern.