Warum sich bargeldloses Bezahlen in Deutschland nicht durchsetzt, beschäftigt seit längerer Zeit Professor Ludwig Hierl und seinen Mitautor Stefan Mosig – ein Sachbuch stellt nun Lösungen vor.

Stuttgart - Geldtransfer von Handy zu Handy oder Bezahlen an der Kasse via QR-Code: Was in Deutschland noch wie Zukunftsmusik klingt, ist in anderen Ländern wie China, Schweden oder in einigen afrikanischen Staaten wie Namibia bereits Realität.

 

Eine Initiative der EU-Finanzminister könnte dem bargeldlosen Bezahlen via Smartphone nun Auftrieb geben. Die EU will eine Bargeld-Obergrenze prüfen lassen. Der Grund: Der Terrorfinanzierung in Europa soll Einhalt geboten werden. Der Gedanke, das Bargeld ganz abzuschaffen, liegt da nahe. Allein die technische Umsetzung scheint schwierig zu sein. Dieser Frage haben sich Betriebswirtschafts-Professor Ludwig Hierl von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heilbronn und Stefan Mosig nun in einem Sachbuch angenommen. Die Frage, die im Vordergrund steht: „Warum ist Mobile Payment seit fast zehn Jahren in Deutschland nicht umsetzbar?“

Bislang gescheiterte Systeme

„Wir haben uns die Beschreibung von etwa zehn in Deutschland vorerst gescheiterten Lösungen, darunter unter anderem MyWallet und Yapital angeschaut." Dazu analysierten die Autoren 25 potenzielle Lösungen wie Alipay, Android Pay, Apple Pay, Paydirekt, Samsung Pay und Starbucks - mit denen Waren mit dem Mobiltelefon in stationären Einkaufsstätten in Deutschland bezahlt werden können. Erste wichtige Erkenntnis: Der Kunde werde voraussichtlich nur ein System akzeptieren, da es sonst zu anstrengend werde, für jede Kette, jeden Laden zum Beispiel eine eigene App auf dem Mobiltelefon zu installieren. Dies sei auch ein Grund, warum die gescheiterten Lösungen sich bisher nicht durchgesetzt haben.

Untersuchung des Marktes

Hierfür haben Hierl und Mosig zuerst einmal den Markt untersucht. Denn ein übergreifender Überblick über Anbieter und Bezahlmodelle liege bislang nicht vor. Das Ergebnis: Es gibt globale Anbieter wie zum Beispiel „Apple Pay“. „Diese wagen sich aber bisher nicht auf den deutschen Markt, da die Hürden noch viel zu hoch sind.“ Technisch gibt es neben Near Field Communication (NFC) – übersetzt Nahfeldkommunikation, die einen kontaktlosen Austausch von Daten unter anderem per Funktechnik über kurze Strecken ermöglicht – auch intelligente QR-Code-Varianten. Die NFC-Bezahlfunktion gibt es bereits als kontaktlose Bezahlfunktion von kleineren Beträgen bei Kreditkarten, im Nahverkehr oder für Studentenausweise.

Durch Dritte kann die Funkübertragung beim Bezahlen jedoch angegriffen werden – falls größere Beträge übers Handy oder eine Kundenkarte bezahlt werden, ist dies eine Sicherheitslücke mit Folgen. „Darüber hinaus sehen wir die Speicherung sensibler Daten im Mobiltelefon oder deren Übertragung als einen kritischen Punkt“, erklärt Hierl.

Paypal wird herausgefordert

40 Sparkassen, Privat-, Geschäfts– und Genossenschaftsbanken haben gemeinsam die Gesellschaft für Internet und mobile Bezahlungen (Gimb) gegründet. Laut den Autoren sei dies die deutsche Antwort auf Paypal. Dieser Instant Payment Dienst ging im Jahr 2015 in die Pilotphase. Laut Hierl und Mosig sei er ein System, das sich durchsetzen könnte. Die Kunden von privaten und genossenschaftlichen Banken können bislang laut Gimb ihre Interneteinkäufe sicher und direkt vom eigenen Girokonto bezahlen. Für den stationären Einkauf ist noch keine Lösung in Sicht. Sofern es gelingen sollte, die deutsche Bankenlandschaft zu vereinen, erscheint laut Autoren sogar ein europaweit kompatibler Ansatz mit Paydirekt im Onlinehandel möglich. „Die Lösung schlechthin für den Kunden wäre es, wenn es eine Kombination aus dem Instant Payment Dienst und der Girocard gäbe“, ist Hierls Schlussfolgerung.

Und wie hält es Hierl selbst mit dem bargeldlosen Bezahlen? „Ja, in einem bestimmten Umfeld würde ich Mobile Payment selbst anwenden“, sagt Hierl. Dass Kunden für eine Umstellung Zeit benötigen, um das mobile Bezahlen akzeptieren zu können, sei absolut wichtig. „Die Freiheit, zwischen der Bezahlung mit Bargeld, der Geldkarte oder mit dem Handy wählen zu können, sollte immer bestehen.“ Der 42-Jährige sieht aber auch, dass für ein flächendeckendes System in Deutschland noch weitere zehn Jahre vonnöten sein werden. Auch die Sicherheit der Daten sei momentan noch ein Problem, das nicht geklärt sei. Und: „Am besten wäre es, ein einheitliches System für alle Läden anzubieten, um es für den Kunden einfacher zu machen.“

Welches System wird realisierbar sein?

Die Studie von Hierl und Mosig basiert auf Befragungen von verschiedenen Unternehmen und Banken, um herauszufinden, ob Mobile Payment in Deutschland realisierbar sein wird. Die Analyse wurde nicht gesponsert und das Ergebnis der Autoren lautet: „Es ist möglich“, sagt Hierl. Ob Paydirekt nun das beste System sein wird, das sich in Deutschland durchsetzen wird, können die Autoren heute noch nicht sagen. „Es könnte gelingen, wenn die Allianz der Banken aufrecht erhalten wird“, sagt Hierl. Und: „ Eine erfolgreiche Etablierung von Mobile Payment wird allerdings letztlich nur gelingen können, wenn die Kunden einen konkreten Nutzen entweder in Form von Erlebnismehrwerten, Sachgeschenken oder in Form finanzieller Anreize erhalten.“

Mobile Payment – Bezahlen 4.0; Hürden und Lösungsansätze für einen Durchbruch des mobilen Bezahlens am stationären Point-of-Sale (POS), Ludwig Hierl, Stefan Mosig, 2016.