Apple und Samsung bekommen auf dem Smartphone-Markt Konkurrenz – durch preiswerte Geräte aus China. Und auch Start-ups aus Europa wagen den Schritt in die Branche.

Stuttgart - Siemens aus Deutschland, Sony Ericsson aus Schweden und allen voran Nokia aus Finnland: Lange vorbei sind die Zeiten, als europäische Unternehmen den Mobilfunkmarkt dominierten. Heute kommen die marktbeherrschenden Hersteller der modernen Handys, die nun Smartphones heißen, aus den USA oder Südkorea und tragen die Namen Apple oder Samsung. Doch auch deren Spitzenpositionen sind nicht unumstößlich. Vor allem Hersteller aus China drängen mit neuen Konzepten und Vertriebsstrategien auf den Markt und werden immer mehr zur Konkurrenz für die wenigen großen und bekannten Marken. Und auch europäische Start-ups wagen wieder den Schritt in die Branche.

 

Weltweit wurden nach Angaben des US-Marktforschungsinstituts IDC 2014 etwa 1,3 Milliarden Mobiltelefone verkauft. Den größten Zuwachs verzeichneten dabei allerdings nicht Apple und Samsung. Es waren vielmehr Anbieter, die in den Statistiken unter dem Begriff „andere“ zusammengefasst sind – und auf die mittlerweile fast die Hälfte des Marktes entfällt. Nach IDC-Prognosen wird diese Gruppe auch 2015 prozentual weiter leicht zulegen.

In China ist der Absatz dreimal so hoch wie in den USA

„Die großen Anbieter stehen unter einem enormen Wettbewerbs- und Preisdruck“, sagt Jens Schulte-Bockum vom Branchenverband Bitkom. Dieser sei, insbesondere im Bereich des Betriebssystems Android, durch neue Unternehmen aus China getrieben. „Die chinesischen Hersteller haben ein sehr breites Angebot und haben sich im unteren und mittleren Preissegment etabliert“, so der Experte. Rund 586 Millionen Smartphones kamen 2014 von Unternehmen aus China. Insbesondere in ihrem Heimatland sind die chinesischen Produzenten sehr erfolgreich – ein wichtiger, weil noch nicht gesättigter Markt: hier wird heute jedes dritte Smartphone verkauft. Damit ist der Absatz in China dreimal so hoch wie in den Vereinigten Staaten.

Vor allem Samsung hat unter der neuen Konkurrenz zu leiden, denn wie die Südkoreaner setzen auch die chinesischen Anbieter auf technisch hochgerüstete Smartphones im mittleren Preissegment – in der Regel sind diese jedoch um einiges günstiger als die Geräte, die Samsung anbietet. Das spiegelt sich auch in den Geschäftszahlen des Smartphoneriesens: Weltweit verlor Samsung 2014 deutlich an Marktanteilen und musste sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn Einbußen hinnehmen. „Umso wichtiger wird es für die Südkoreaner, mit ihrem neuen Flaggschiff Galaxy S6 einen Treffer zu landen“, sagt Sven Ehrmann vom Verbraucherportal Verivox. Es wird erwartet, dass Samsung sein neues Modell auf dem Mobile World Congress (MWC) vorstellen wird. Die viertägige Telekommunikationsmesse beginnt am kommenden Montag in Barcelona.

Die Geräte von Xiaomi heißen in Deutschland „Mi“

Die größte Gefahr für Samsung geht von den bereits etablierten chinesischen Marken Huawei und Lenovo aus – und neuerdings auch von Xiaomi. Das 2010 gegründete Unternehmen mit Hauptsitz in Peking ist binnen kurzer Zeit aus dem Nichts zu Chinas größtem Smartphonehersteller geworden. Die Firma, deren Namen man in etwa so ausspricht wie das englische „Show me“, hat im Reich der Mitte bereits den einstigen Marktführer Samsung vom Thron gestoßen: Während Xiaomi im Jahr 2013 noch einen Anteil von 5,3 Prozent und Samsung fast 19 Prozent Marktanteil hatte, hat sich das Blatt im vergangenen Jahr gewendet: Xiaomi weist nun einen Marktanteil von 12,5 Prozent und Samsung von 12,1 Prozent auf.

Von Xiaomi dürften die meisten Europäer dennoch nie etwas gehört haben, denn das Unternehmen verkauft bisher fast alle seine Geräte im Heimatland China – und zwar ausschließlich über das Internet. Produziert wird in Schüben jeweils eine begrenzte Anzahl an Apparaten, die dann oftmals schnell vergriffen sind. Bisher testet Xiaomi den europäischen Markt nur in Italien. Auch in Deutschland gibt es Importeure, die die unter dem Produktnamen „Mi“ angebotenen Geräte, die umgerechnet jeweils etwa 180 Euro kosten, besorgen.

Der Onlinehändler Alibaba stärkt Meizu den Rücken

Xiaomi hat einen Hype um die eigene Marke entfacht, der dem um die großen Hersteller in nichts nachsteht. Virtuos spielt das Unternehmen, das in der Branche auch als „Chinas Apple“ bezeichnet wird, mit den sozialen Medien. Firmenchef Lei Jun hat auf dem chinesischen Twitter Sina Weibo mehr als eine Million Follower. Die Kommentare und das Feedback der Nutzer spielen bei der Weiterentwicklung der Xiaomi-Produkte eine große Rolle. Einen ähnlichen Weg geht auch Oppo – ebenfalls ein chinesischer Hersteller, der seit 2008 Smartphones produziert. Die Strategie scheint sich auszuzahlen: Von den zehn Oppo-Modellen, die in den letzten drei Jahren auf den Markt gekommen sind, hat sich jedes mehr als eine Million Mal verkauft.

Ein ebenso noch kleiner, aber aufstrebender chinesischer Hersteller heißt Meizu. Das Unternehmen hat 2008 den chinesischen Smartphonemarkt betreten und will in diesem Jahr offenbar auch den Schritt nach Europa und in die Vereinigten Staaten wagen – mit viel Kapital im Rücken: Anfang Februar stieg der chinesische Onlinehändler Alibaba mit 590 Millionen Dollar (rund 520 Millionen Euro) bei dem bisher noch relativ unbekannten Produzenten ein. Bislang liegt der Marktanteil der Firma, die allein im Januar 1,5 Millionen Geräte verkauft haben soll, Schätzungen zufolge bei weniger als zwei Prozent. Doch das könnte sich nun ändern. Denn im Zuge des Deals kündigte Alibaba an, künftig über seine Onlineplattformen auch die Geräte von Meizu zu vertreiben.

Wiko liegt in Frankreich vor Apple

Auch wenn die chinesischen Hersteller ihren Heimatmarkt bereits dominieren – dass sie auch das Potenzial haben, in Westeuropa Apple und Samsung in Zukunft das Wasser zu reichen, davon geht die IDC-Analystin Melissa Chau nicht aus. Damit eine Marke sich am Markt etablieren könne, benötigt sie also ein positives Image. Dies sei bei chinesischen Anbietern ein Defizit, denn China wird schnell mit Plagiatprodukten in Verbindung gebracht, so die Expertin. In den aufstrebenden Märkten hingegen, zu denen neben China auch Indien und manche osteuropäischen Länder gehören, könnten die Chinesen jedoch Erfolg haben, so Chaus Einschätzung.

Die Dynamik der Marktes ermöglicht es auch europäischen Herstellern, wieder signifikante Marktanteile in einigen Regionen zu erreichen. Zu den erfolgreichsten Marken gehören hier Wiko, Fly und Prestigio. So hat es Wiko hat in seiner Heimat Frankreich mittlerweile auf einen Marktanteil von 15 Prozent gebracht. Das Unternehmen liegt dort noch vor Apple auf dem zweiten Platz hinter Samsung. In Russland erreichte Fly einen Marktanteil von mehr als zehn Prozent und rangiert derzeit auf Platz zwei. Prestigio mit Stammsitz auf Zypern hat in einigen europäischen Regionen zweistellige Marktanteile erreichen – etwa in der Slowakei oder in Weißrussland. Und auch in Finnland, wo einst mit Nokia der weltgrößte Handyhersteller saß, baut man inzwischen wieder Mobiltelefone: Jolla heißt die kleine Firma aus Helsinki, die von Ex-Nokia-Mitarbeitern gegründet wurde.

Gigaset lässt aufhorchen

Bald könnte auch ein Hersteller aus Deutschland auf dem hart umkämpften Smartphonemarkt mitmischen: Das Münchner Unternehmen Gigaset – ursprünglich eine Marke unter dem Dach von Siemens und bekannt durch seine schnurlosen Telefone – will noch in diesem Jahr als erster deutscher Hersteller ins Mobilfunk-Geschäft einsteigen, wie die Firma kürzlich bekannt gab. Solch eine Neupositionierung hat Gigaset nötig, denn das Unternehmen leidet darunter, dass immer mehr Handybesitzer auf einen Festnetzanschluss verzichten. Die Zukunft des Münchner Unternehmens, das zuletzt noch rote Zahlen schrieb, hat wiederum viel mit China zu tun: Hergestellt und entwickelt werden sollen die Geräte in einem Gemeinschaftsunternehmen in China. Partner ist der neue Gigaset-Haupteigentümer Pan Sutong aus Hongkong. Der Milliardär war im Jahr 2013 bei Gigaset eingestiegen.