Der Mobilfunkstandard LTE bringt Smartphones erst so richtig in Fahrt. Doch die Forscher denken schon weiter: Sie arbeiten schon längst am Nachfolger LTE-Advanced.

Stuttgart - In der Mobilfunkbranche macht sich wieder Goldgräberstimmung breit. Hatte der Riesenerfolg des vor 20 Jahre eingeführten D-Netzes (siehe Artikel unten) die Betreiber noch überrascht, und löste die schleppende Akzeptanz des Nachfolgers UMTS anfangs Enttäuschung aus, so wollen die Provider Telekom, Vodafone und O2 mit dem neuen Mobilfunkstandard LTE nun alles richtig machen. Sie rüsten derzeit ihre Basisstationen um, erste Endgeräte sind schon auf dem Markt. Was die Firmen indes richtig glücklich macht: die Kunden bekommen von den Datendiensten nicht genug. E-Mails, Internet surfen, Youtube schauen und online spielen – mit ihren Smartphones und Tablet-Computern wollen die Menschen immer mehr und alles von unterwegs.

 

Diesem Bedürfnis von „always on“ und mobilem Internet entspricht der Datenturbo LTE (siehe Infokasten). Beim Download flitzen die Daten mit „in der Spitze 150 Megabit pro Sekunde“, sagt Bernd Herold vom Netzausrüster Alcatel-Lucent in Stuttgart-Zuffenhausen – und fügt aber gleich an: „In praktischen Anwendungen sind dann vielleicht 70 bis 100 Megabit pro Sekunde erreichbar.“

Bevor die großen Telekommunikationsfirmen mit LTE die datenhungrige und zahlungskräftige Kundschaft in den Städten abschöpfen können, haben die Bundesregierung und – als zuständige Behörde – die Bundesnetzagentur zur Auflage gemacht, dass zuerst das flache Land, also Kommunen mit 5000, 20 000 und 50 000 Einwohnern – mit einer Datenrate von mindestens einem Megabit pro Sekunde zu versorgen sind. So sollen Regionen, die gar nicht oder nur schlecht über Kabel erschlossen sind, über Mobilfunk ans Internetzeitalter angeschlossen werden.

Große Funkzekllen dank LTE

LTE sendet dort auf einer Frequenz von 800 Megahertz (MHz). Diese reicht weit, ermöglicht große Funkzellen von Durchmessern von zehn Kilometern, erlaubt aber auch nur eine geringere Datenrate. Der Netzbetreiber Vodafone hat beispielsweise 2800 Basisstationen schon aufgerüstet. „Damit decken wir 45 Prozent der Fläche ab“, sagt Dirk Ellenbeck von Vodafone. Menschen auf dem Land können über einen USB-Stick am Laptop oder einen LTE-Router im Haus mit bis zu drei Megabit pro Sekunde im Internet surfen. Hochgeschwindigkeit hört sich indes anders an.

Die ländliche Minimalversorgung ist erfüllt, jetzt stürmen die Netzbetreiber die Städte – mit Angeboten für bis zu 50 Megabit pro Sekunde. Nächste Woche will die Telekom bekannt geben, wie sie sich den LTE-Ausbau in den Städten von Baden-Württemberg vorstellt. Bis jetzt sind Städte wie Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart, Ulm noch weiße Flecken auf der LTE-Netzkarte. Die Telekom nutzt dafür exklusiv eine Frequenz von 1800 MHz. Diese kann die Daten schneller transportieren, aber auch nur über kürzere Distanzen als bei 800 MHz. Der Wettlauf der vier Netzbetreiber in die Städte sieht dabei so aus: Telekom und Vodafone liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, O2 zieht hinterher, während E-Plus von außen zuschaut, ob sich der Wettkampf überhaupt lohnt.

Im Unterschied zum D-Netz und dem Nachfolger UMTS, die beide über eigene Sprachkanäle verfügen, setzt LTE auf Datentransport analog zum sogenannten Internetprotokoll. Sprachdaten, Web-Seiten, Youtube-Clips flitzen in kleinen Päckchen durch den Äther. Auch die Anbindung an das World Wide Web ist besser. Fachleute sprechen hier von sogenannten Latenzzeiten, das sind die Verzögerungen, bis sich Internetseiten aufbauen. „Online Gaming mit UMTS verliert man immer“, sagt Herold schmunzelnd. LTE ist mit Latenzzeiten von wenigen Millisekunden besser als seine Vorgänger und vergleichbar schnell wie eine DSL-Festnetzverbindung.

Höhere Datenraten

Mit verschiedenen Techniken schaffen es die Forscher und Entwickler immer wieder, noch höhere Datenraten zu erzielen. Ein Verfahren verteilt die Daten geschickt auf viele Teilfrequenzen, die einen höheren Durchsatz und eine bessere Kompensation von Störungen erlauben. Eine gestörte Teilfrequenz lässt sich abschalten, die Daten flitzen dann über ungestörte, benachbarte Teilfrequenzen. Und stören kann prinzipiell alles: andere elektrische Geräte, andere Handys, Basisstationen, Bäume und die Bewegung der Blätter, Häuser und Autos. Mobilfunk ist keine statische Angelegenheit, wenn die Verbindung einmal steht. Das ganze Netzwerk arbeitet ständig an optimalen Sende- und Empfangsbedingungen.

Erstmals arbeitet LTE mit der Mehrantennentechnik Mimo (Muliple input multiple output): Die Sende- und Empfangsantennen sind jeweils paarweise, vierfach oder achtfach im Abstand weniger Zentimeter angeordnet. „Steht man auf dem freien Feld mit direkter Sichtverbindung zum Sendemast, bringt das nichts“, erklärt Herold. Bäume, Häuser, Hügel hingegen führen mit Reflexionen der Funkwellen zu unterschiedlichen Ausbreitungswegen der Signale. Der Datendurchsatz steigt dann annähernd proportional zur Antennenzahl an. Wlan-Router im Haushalt nutzen beispielsweise diese Mimo-Technik schon längst.

LTE-Nachfolger in den Startlöchern

„Für die Forschung ist LTE abgeschlossen“, sagt Joachim Speidel vom Institut für Nachrichtenübertragung der Uni Stuttgart. Wissenschaftler an Universitäten und in Firmenlabors arbeiten längst am Nachfolger LTE-Advanced mit einer Datenrate für den Download von einem Gigabit pro Sekunde (eine Milliarde Bit pro Sekunde). Die Forscher wollen auch die Intelligenz der Netze erhöhen. Stellen die Betreiber zwischen bestehende Basisstationen eine neue Station, passen die alten ihre Sendestärke an die kleinere Zellengröße an. Bei LTE-Advanced sollen die Basisstationen noch stärker kooperieren. Dazu müssen sie direkt verbunden werden, was derzeit noch nicht der Fall ist. „Das kostet die Netzbetreiber Geld, da es diese verbindenden Glasfaserkabel noch nicht gibt“, sagt Speidel. Hinzu komme noch das sogenannte Beamforming: Die Basisstationen strahlen nicht gleichmäßig ab, sondern formen aktiv die abgestrahlten Wellen, um die Nutzer bestmöglich mit Daten zu versorgen.

In Zukunft wollen die Forscher auch stärker die Kommunikationsnetze miteinander verknüpfen, etwa LTE mit Wlan im Haushalt. Allerdings steht die große Vielzahl an drahtgebundenen und drahtlosen Techniken auch miteinander in Konkurrenz. Die LTE-Basisstation der Zukunft könnte für einen Haushalt oder eine Büroetage auf einem kleinen USB-Stick Platz finden. Die Forscher reden hier von sogenannten LTE-Mikro- oder Nanonetzen, die sich in die großen Mobilfunkzellen der Netzbetreiber einbetten lassen. Die neuen Techniken würden auch dringend benötigt, sagen Fachleute. Der Boom bei den Smartphones und der Trend zu immer mehr Applikationen des mobilen Internets brächten selbst gut ausgebaute Netze schnell an ihre Grenzen.

20 Jahre D-Netz

Als am 1. Juli 1992 das sogenannte D-Netz seinen Betrieb aufnahm, war ihm der Erfolg nicht in die Wiege gelegt. Die ersten Mobiltelefone sahen aus wie Backsteine oder Knochen – und wurden auch so genannt. „Das D-Netz war erst etwas für Geschäftsleute“, sagt Joachim Speidel vom Institut für Nachrichtenübertragung der Uni Stuttgart. „Gott sei Dank lagen die Prognosen falsch.“ Schließlich entstand ein riesiger Markt für das mobile Telefonieren und später das mobile Internet. Heute haben die zwei Marktführer in Deutschland, Telekom und Vodafone, jeweils über 35 Millionen Mobilfunkkunden.

Dabei war die Entwicklung von Höhen und Tiefen durchsetzt. So rechnete niemand mit dem Durchbruch der Textbotschaft SMS. Ab 1994 sollte die 160-Buchstaben-Botschaft eigentlich der Information des Kunden durch den Provider dienen. Da sich SMS auch von Handy zu Handy schicken ließen, erfuhr das „Simsen“ riesigen Zuspruch und erschloss den Netzprovidern die junge Kundschaft – ein Bombengeschäft. Wettbewerb und staatliche Eingriffe machten Telefonieren immer billiger.

Der Nachfolger des D-Netzes, der Mobilfunkstandard UMTS, startete stockend. Endgeräte fehlten zunächst. Erst mit der verbreiteten Nutzung von iPhone und Co. kam eine höhere Nachfrage nach Bandbreite auf. Heute kann UMTS bis zu 22 Megabit pro Sekunde liefern. Das ist zu wenig für die wachsende Zahl der Kunden und die Geschäftsideen der Branche. Mit dem Mobilfunkstandard LTE und weiteren Netzwerktechniken soll nun die Datenautobahn durch die Luft weiter ausgebaut werden.