Die Forderung von OB Fritz Kuhn, auf ein Elektroauto zu wechseln, hat die Nachfrage nicht spürbar angekurbelt. Nach wie vor sind die Stuttgarter zögerlich. Im August wurden gerade einmal 16 neue E-Fahrzeuge zugelassen.

Stuttgart - In der Landeshauptstadt könnte die Schadstoffbelastung gesenkt werden, wenn statt vor allem Dieselfahrzeugen deutlich mehr Elektroautos unterwegs wären. OB Fritz Kuhn (Grüne) hat im Interview mit unserer Zeitung die Halter von Zweitwagen dazu aufgerufen, sich beim nächsten Kauf für ein Elektroauto zu entscheiden. Das sei „patriotische Pflicht“, um die Luft sauberer zu bekommen.

 

Bisher wurde der Appell des Stadtoberhauptes nicht erhört. Die Zahl der in Stuttgart zugelassenen reinen E-Fahrzeuge stieg bis Ende August im Vergleich zum Vormonat von 1011 auf 1027, also um 1,6 Prozent. Ein Ansturm auf die E-Autos lässt sich an den Zahlen nicht ablesen. Die Bundesförderung (2000 Euro Bonus, wenn der Hersteller auch 2000 Euro auf den Netto-Listenpreis gibt) hat zu keiner sprunghaften Nachfragesteigerung geführt, die Diesel- und Fahrverbots-Debatte auch nicht. Das belegen Zahlen der Zulassungsstelle.

Noch Luft nach oben

Setzt man Kuhns Messlatte an, zeigt sich noch erheblich Luft nach oben. In der Stadt waren Ende Juli 301 546 Personenwagen registriert, insgesamt gab es 366 366 Fahrzeuge. Wie groß der Bestand an Zweitwagen ist, wird von der Zulassungsstelle nicht erfasst. Einen Anhaltswert liefert aber der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV). Bei der jüngsten Erhebung 2015 habe man in Deutschland in der Haftpflichtversicherung rund 3,5 Millionen Zweitwagen und 37,1 Millionen Pkw als Erstwagen ermittelt, sagt GdV-Sprecher Christian Ponzel. Umgerechnet auf Stuttgart wird daraus eine patriotische Wechselpflicht für 25 933 Fahrzeughalter.

Autos werden in Deutschland im Schnitt 9,3 Jahre alt, bis sie in die Schrottpresse wandern oder die Grenze Richtung Osten passieren, berichtet das Kraftfahrt-Bundesamt. Würde jeder Zweitwagenfahrer seinen Untersatz so lange hegen, müssten pro Jahr in Stuttgart 2788 Verbrenner ersetzt werden. Die Zulassungszahlen könnten sich dadurch kurzfristig verdreifachen.

Was taugt das Angebot?

Viel Potenzial also für die E-Fraktion. Doch taugt das Angebot? „Wir empfehlen den i3 als Zweitfahrzeug, einige nehmen ihn mit Zusatzmotor auch als Erstwagen“, sagt ein Verkäufer der BMW-Niederlassung in Vaihingen. Weil der Wagen „kein Schnäppchen“ sei, bilde sich die klassische Zielgruppe unter „Kunden mit einer gewissen Kaufkraft“. Die zeigten dann auch Begeisterung für die E-Mobilität. Bei der Beratung ergebe sich öfter, dass „der Bedarf an Reichweite nicht so groß ist, wie die Leute vorgeben“, so der Verkäufer. Die Verkaufszahlen stiegen. Für den Praxistest gibt BMW einen Vorführwagen auch mal zwei Tage außer Haus.

Bei Renault von der Weppen zeigt man sich „sehr zufrieden mit dem Absatz“, so der für die E-Fahrzeuge zuständige Verkäufer Hendrik Handke. „Wir sehen den Renault Zoe nicht als Erstwagen“, so Handke, auch wenn es seit Oktober 2016 durch eine neue Batterie mit 40 Kilowattstunden Kapazität eine verdoppelte Reichweite gebe. Das Fahrzeug werde überwiegend als Zweitwagen, aber auch für Fuhrparks und von der öffentlichen Hand gekauft. Insgesamt gebe es gegenüber Elektroautos noch immer „unglaubliche Vorurteile“, so Handke. Dabei seien Batterien und Ladetechnik zuverlässig, die Speicher könnten an der entsprechenden Station in sehr kurzer Zeit gefüllt werden.

Opel kann kaum liefern

Ein mit einer 60-Kilowattstunden-Batterie fast unvergleichliches Reichweitenangebot, das mit Tesla konkurrieren könnte, offeriert Opel mit dem Ampera E. Der an Peugeot verkaufte Hersteller stellt Händler und Kunden allerdings auf eine harte Probe, weil er kaum liefern kann. „Die Nachfrage ist sehr hoch, weil die Reichweite bei 400 Kilometern liegt, aber man kommt mit der Produktion nicht hinterher“, sagt Murat Canbaz vom Autohaus Staiger. Das Jahreskontingent des Fahrzeugs für ganz Deutschland von rund 350 Ampera E für 2018 sei ausverkauft, die Zuteilung für 2019 werde 2018 aufgerufen. Dann werden sich Interessierte vermutlich wieder in die Schlage stellen.

Richtig kaufen kann man den Wagen in Golfgröße gar nicht. Der Kunde zahle 2000 Euro an und dann laut Canbaz eine Leasingrate von 588 Euro im Monat. Nach drei Jahren geht das Auto zurück an Opel. „Wenn sich hier jeder ein E-Auto für diese Rate leisten könnte, dann würde es uns sehr gut gehen“, bilanziert der Verkäufer das Angebot. Deutlich günstiger kommt ein E-Smart, der mit bis zu vier Sitzplätzen, aber geringer Reichweite aufwarten kann. Als Zweitwagen taugt aber auch er.