Viele Pendler haben sich auf eine längere Fahrzeit bei der Streckensperrung zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt eingestellt. Nicht nur die überfüllten Direktbusse nach Stuttgart im Halbstundentakt kosten Nerven. Die nächste Vollsperrung der Strecke folgt prompt – und trifft die Fans beim nächsten VfB-Heimspiel.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Die Menschentraube ist groß – so groß, dass klar ist, dass die Fahrgäste nicht alle in dem Bus Platz haben werden, der jetzt zu der Ersatzhaltestelle heranfährt. Es ist einer der Direktbusse zum Stuttgarter Hauptbahnhof, die zwischen Waiblingen und Stuttgarter Hauptbahnhof pendeln. Als er proppevoll ist – viele Reisende müssen die Fahrt über stehen – schließen sich die Türen, der Rest der Wartenden bleibt an der Haltestelle in der Waiblinger Dammstraße zurück. Nun setzt Regen ein – an der die Ersatzhaltestelle gibt es keine Möglichkeit zum Unterstehen. Weiter unten an der Dammstraße rollt ein weiterer Bus heran, einige Pendler rennen ihm hektisch entgegen.

 
Viele müssen die Fahrt über stehen – die Direktbusse von Waiblingen nach Stuttgart rollen als Buspaar nur im Halbstundentakt. Foto: Eva Schäfer

Es ist ein Start in den Arbeitsalltag für viele Fahrgäste am Dienstagmorgen, der Zeit und Nerven kostet. Es ist klar, dass die meisten Pendler mehr Zeit eingeplant haben, angesichts der Streckensperrung zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt, die seit Freitagnacht gilt. „Ich habe eine halbe Stunde Puffer eingeplant“, sagt die junge Frau aus Berlin an der Ersatzhaltestelle. „Hoffentlich klappt es“, sagt sie. Sie habe einen Termin zum Vorsprechen an der Stuttgarter Schauspielschule, an der sie ein Studium aufnehmen möchte und macht ein sorgenvolles Gesicht. Die junge Frau wartet mit einigen anderen schon länger auf den Ersatzbus, der den Stuttgarter Hauptbahnhof ohne Halt ansteuert. Eine Dame zückt ihr Handy und zeigt auf die App. Sie würden seit 8.12 Uhr an der Haltestelle stehen, da sei ein Bus nach Stuttgart gefahren, der sei aber so voll gewesen, dass sie nicht mehr einsteigen konnten. Nun würde der nächste Direktbus erst um 8.40 kommen. In der App ist das auch so angezeigt, in der Tat kommt um 8.39 Uhr einer und wenige Minuten danach der nächste. Dazwischen rollen Busse über Fellbach nach Bad Cannstatt.

Ein Buspaar rollt nur jede halbe Stunde direkt zum Hauptbahnhof

Wie ein Bahnsprecher erklärt, fahren die Direktbusse von Waiblingen nach Stuttgart als Buspaar im Halbstundentakt. „IRE 1 Mex 13“ ist an ihnen zu lesen. Dieser Ersatzverkehr werde von Arverio organisiert. Jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen würde sich um den jeweiligen Ersatzverkehr – hier etwa den ausgefallenen Mex 13 – kümmern. Aber es gebe dann auch Abstimmungen zwischen den Unternehmen. Die Ersatzverkehre für die S-Bahnen nach Cannstatt mit Halt unter anderem in Fellbach seien im Fünf- und Zehn-Minuten-Takt unterwegs.

Reisendenlenker Martin Steiert zeigt der Pendlerin, wo die Ersatzbusse in Waiblingen starten. Foto: Eva Schäfer

„Von der letzten Sperrung her kenne ich das noch, dass die Direktbusse öfters rollen“, sagt Veronica Arturi und ist etwas irritiert. Die Waiblingerin pendelt seit vielen Jahren mit der Bahn nach Böblingen zur Arbeit und hat auch die monatelange Vollsperrung 2023 miterlebt. „Die Bahn macht einem das Pendeln nicht einfach“, sagt sie , hat sich aber entschieden, sich an diesem Morgen ihre gute Laune nicht nehmen zu lassen.

Je nachdem, welche Strecke man zurücklegen muss, sind die Auswirkungen heftig oder aber auch nur leicht zu spüren. Wer beispielsweise aus Richtung Schorndorf mit der S2 nur bis nach Waiblingen musste, der landete um 7.42 Uhr mit nur zwei Minuten Verspätung in Waiblingen in einer nicht überfüllten S-Bahn. Jedoch fuhr die S2 nur im Halbstundentakt. „Der Ersatzverkehr klappt doch gut“, meinte fröhlich ein Fahrgast, der sich von den beiden Reisendenlenkern Martin Steiert und Benjamin Müller am Waiblinger Bahnhof den Weg zum Busersatzverkehr zeigen ließ.

Wenn ein Schwung Fahrgäste ankommt, sind die beiden für Auskünfte gefragt. Martin Steiert stammt aus dem Hochschwarzwald und hatte seinen letzten Einsatz in Freiburg, um Fahrgästen weiterzuhelfen. Benjamin Müller war in Rastatt in Aktion – die beiden seien in ganz Baden-Württemberg im Einsatz als Reisendenlenker. Angesichts der vielen geplanten Bauarbeiten wird ihnen wohl ihre Aufgabe nicht so schnell ausgehen.

„Es ist jeden Tag eine Abenteuerreise mit ungewissem Ausgang“

Ein Mann, der mit seinem Fahrrad gegen 8 Uhr aus der S3 aussteigt, lässt seinen Dampf ab: „Es ist jeden Tag eine Abenteuerreise mit ungewissem Ausgang“, sagt er. Weil er sich das mit den überfüllten Ersatzbussen nicht antun will, steigt er bei Nieselregen im Januar bei wenigen Plusgraden lieber aufs Fahrrad. Die S3 sei nicht überfüllt gewesen und auch als langer Zug gefahren. Ihm geht es nicht nur um die Streckensperrung an diesem Tag – auch an vielen anderen Tagen, wisse er nicht, wie es letztlich klappe. Er müsse jetzt zur Arbeit zum Sommerrain und danach nach Ludwigsburg. „Mich kostet das Bahnchaos jede Woche mehrere Stunden“, sagt er, „ich bin außer mir.“ Jeden Morgen schaue er auf die App, was los sei, da es immer wieder Änderungen gebe.

Eine Dame, die von Endersbach nach Stuttgart-Stadtmitte zur Arbeit pendelt, sagt, dass sie vor allem die übervollen Busse stressten. Dazu komme die deutlich längere Anfahrt. Sie habe angekündigt, dass sie später komme. „Und man hat das Gefühl, dass das mit den Baustellen kein Ende nimmt“, sagt die Pendlerin. Mit dem Eindruck ist sie nicht alleine. „Man hat nicht die Perspektive, dass es mal besser wird“, sagt eine andere Reisende.

Wie ein Bahnsprecher mitteilt, seien bereits vor Weihnachten Durchsagen gemacht worden, um auf die Sperrung hinzuweisen. Welche zentrale Rolle die S-Bahn als Verkehrsmittel hat, zeigen auch die Dimensionen im Verglich zu einem Bus. In einem Gelenkbus, wie er beim Ersatzverkehr rolle, passten, wie der Bahnsprecher mitteilt, 120 Personen bis 150 Personen – in einem S-Bahn-Zug mit drei Fahrzeugen und maximaler Länge rund 1000 Fahrgäste.

Grund für die Sperrung sind Arbeiten an der Leit- und Sicherungstechnik für den Digitalen Knoten Stuttgart. Am Dienstag war sozusagen der Stresstest angesagt – da an diesem Termin die Weihnachtsferien vorbei waren und viele Schüler und Pendler zur Arbeit nach der Weihnachtspause unterwegs waren.

Stresstest wird das VfB-Heimspiel bei der Nachtsperrung der Bahn

Und die nächste Sperrung steht schon an – eine komplette Nachtsperrung von Mittwoch, 8. Januar, bis Montag, 3. Februar. Zwischen Stuttgart-Hauptbahnhof und Waiblingen rollt dann gar kein Zug. Apropos Stresstest: Am Mittwoch, 15. Januar, steht ein VfB-Heimspiel in Stuttgart an. Das beginnt um 20.30 Uhr – wenn die Fans nach Hause wollen, liegt die Abreise voll in der Zeit der Streckensperrung, die von 21 Uhr bis 5 Uhr gilt. „Das Angebot des Ersatzverkehrs wird angepasst“, kündigt ein Sprecher der Bahn an. Doch klar ist auch, die Tausenden Fans werden einiges an Zeit und Nerven für die An- und Abreise zum Heimspiel mitbringen müssen.

Weitere Sperrungen

Baustellen
Pendlermüssen nach dieser Sperrung weitere Geduldsproben bestehen: Wer in den Abend- und Nachtstunden oder sehr früh morgens mit dem ÖPNV zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen unterwegs ist, der muss sich gleich auf weitere Ausfälle einstellen: Eine komplette Nachtsperrung steht an von Mittwoch, 8. Januar, bis Montag, 3. Februar. Der Streckenabschnitt zwischen Stuttgart-Hauptbahnhof und Waiblingen bleibt in diesem Zeitraum an allen Tagen jeweils von 21 Uhr bis 5 Uhr für den gesamten Zugverkehr gesperrt. Ursache der Sperrung sind Arbeiten zum Digitalen Knoten Stuttgart.

Zugverbindungen
Die S2 verkehrt dann in zwei Abschnitten: von Filderstadt bis Stuttgart Hauptbahnhof (tief) sowie von Waiblingen bis Schorndorf. Und die S3 verkehrt nur zwischen Waiblingen und Backnang. Zwischen Stuttgart Hauptbahnhof, Arnulf-Klett-Platz und Waiblingen, Dammstraße sowie zwischen Nürnberger Straße und Sommerrain gibt es einen Ersatzverkehr mit Bussen in unterschiedlichen Taktzeiten.

Weitere Behinderungen
Aufgrund von Bauarbeiten, so kündigt die Bahn an, kommt es in der Nacht 16./17. Januar sowie von 25. Januar bis 7. Februar auf den Linien S2 und S3 zu weiteren Einschränkungen zwischen Stuttgart-Vaihingen und Filderstadt. Infos zu den Baustellen und Einschränkungen im Zug- und S-Bahn-Verkehr gibt es auch unter www.s-bahn-stuttgart.de.Dort sind auch die Fahrpläne für den Bus-Ersatzverkehr zu finden.