An diesem Dienstag lädt Kanzler Scholz zu einem Mobilitätsgipfel, um die Verkehrswende zu beschleunigen. Die Erwartungshaltung ist hoch – und die Teilnehmerliste umstritten.

Sport: David Scheu (dsc)

Wie kommt mehr Tempo in die Verkehrswende? Was ist nötig, um die Transformation vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität zum Erfolg zu führen? Um in diesen Fragen ein gutes Stück voranzukommen, lädt die Bundesregierung an diesem Dienstag die Spitzen der deutschen Automobilwirtschaft sowie Verbände und Experten zu einem Mobilitätsgipfel ins Kanzleramt. Schon Angela Merkel hatte diese Treffen in ihrer Zeit als Kanzlerin abgehalten, für ihren Nachfolger Olaf Scholz ist es nun das erste dieser Art.

 

Bereits vor Beginn aber sorgt der Gipfel für Kritik – vor allem mit Blick auf die Teilnehmerliste. Mehrere Verbände abseits der Automobilindustrie wären gerne eingeladen worden und fühlen sich übergangen. Dirk Flege, der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, moniert eine „sehr autolastige Teilnehmerliste“ und konstatiert: „Die Verkehrswende ist mehr als eine Antriebswende beim Auto.“

Der Zweirad-Industrie-Verband fordert einen Ausbau der Fahrradwege

Viele Zweiradverbände sehen hierbei einen Ausbau der Fahrradwege als Schlüssel auf dem Weg zu einer klimaneutralen Mobilität. „Die Menschen wollen Fahrrad fahren. Sie tun es, wenn die Infrastruktur vorhanden ist“, sagt Burkhard Stork, der Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands. Vor allem für Strecken von wenigen Kilometern sei das Rad prädestiniert.

Auch aus der Union kommen kritische Stimmen an der personellen Zusammensetzung des Gipfels, wenngleich mit einer anderen Akzentuierung. „Grundsätzlich ist es richtig, das Thema Mobilität ganzheitlich zu denken, also nicht auf einen Verkehrsträger zu verengen“, sagt Wolfgang Steiger, der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, unserer Redaktion. Aus seiner Sicht hätten auch die Bau- und die Digitalwirtschaft eingebunden werden müssen.

In Zukunft sind weitere Gesprächsrunden mit anderen Teilnehmern geplant

Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte zuletzt bestätigt, dass der Fokus des Treffens in der Tat auf der Automobilindustrie liegen werde. Zugleich kündigte er weitere Gesprächsrunden an, in denen man dann „die ganze Bandbreite der Mobilität“ thematisieren werde.

Ganz harmonisch dürfte auch das anstehende Treffen nicht ablaufen: Zu den Teilnehmern zählen auf der einen Seite die Vorstandschefs der großen deutschen Autobauer. Zugleich sitzen aber auch Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sowie Vertreter der Initiative Agora Verkehrswende und des Bündnisses sozialverträgliche Mobilitätswende mit am Tisch, die der Automobilindustrie eher kritisch gegenüberstehen.

Der IG-Metall-Chef fordert mehr Tempo beim Ausbau der E-Ladesäulen

Auf dem Gipfel dürfte über Grenzwerte für einen CO2-Ausstoß ebenso diskutiert werden wie über den stockenden Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität. Nur 12 000 öffentliche Säulen umfasst das Ladenetz deutschlandweit, speziell auf LKWs ausgerichtete Säulen fehlen fast gänzlich.

Viele Verbände drängen daher aufs Tempo. „Deutschland muss mit Hochdruck die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Hochlauf der Elektromobilität schaffen“, sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann unserer Redaktion. Die Ladeinfrastruktur müsse rasch ausgebaut, die Rohstoffversorgung und Wertschöpfung gesichert und ausreichend Batteriezell-Fertigung in Deutschland und Europa angesiedelt werden.

Wolfgang Steiger warnt indessen vor einer Verengung auf die Elektromobilität. „Deutschland muss die Mobilitätswende endlich technologieoffen vorantreiben“, sagt der CDU-Politiker, „der alleinige Fokus auf die Elektrifizierung funktioniert nicht, wie die Geschwindigkeit des Ladesäulenausbaus zeigt.“ Einen wichtigen Beitrag könnten aus seiner Sicht E-Fuels leisten – synthetische Kraftstoffe, die mithilfe von Strom aus Wasser und CO2 hergestellt werden, aufgrund der energieintensiven Herstellung aber auch nicht unumstritten sind.