Was treibt Menschen dazu, die große Welt im kleinen Maßstab nachzubauen? Wir haben uns bei Modelleisenbahnern in Filderstadt umgehört und sind auf keine einzige Frau gestoßen. Zu Besuch in einer Männerdomaine.

Filderstadt - Männer. Überall Männer. Und Jungs. Sie schauen gebannt. Fotografieren interessiert. Stellen Fragen. Und beugen sich über Modelle. Es ist Samstagmittag. Die Sonne scheint, die ersten Büsche beginnen zu blühen. Und in der Weilerhauhalle in Plattenhardt dreht sich an diesem Wochenende alles um Modelleisenbahnen.

 

Der Modell-Eisenbahn-Club – kurz Moebac – hat zu seiner Frühjahrsausstellung geladen. Und Jürgen Walther aus Ostfildern ist mit seiner Spur-Z-Anlage gekommen. Gleich am Eingang hat er sein Modell des Bahnhofs Hirschsprung, so wie er im Jahr 1975 ausgesehen hat, aufgebaut. „Das Vorbild ist im Höllental im Schwarzwald“, sagt Walther und blickt stolz auf sein Werk mit all den liebevollen Details im Maßstab ein zu 220. Ein Hirsch steht auf einem Felsen. Ein Polizeiauto blinkt blau im Tal. Auf einer Brücke steht ein Mini-Traktor, der sogar Räder hat, die sich drehen können. Die Landmaschine ist so klein, dass sie auf der Handinnenfläche schon fast verschwindet. Die Fahrräder, die am Bahnhof stehen, sind so winzig, dass sogar eine Zehn-Cent-Münze riesig wirkt.

Die Liebe zum Detail äußert sich in selbstgefräßten Getrieben

Jürgen Walther ist in seinem Element, wenn er seine Anlage erklärt. Mehr als 1000 Stunden hat der 58-Jährige in sein Modell gesteckt, 700 Bäume für die bewaldeten Hänge am Bahnhof gebastelt – mit echtem Moos. Die kleinen Züge kann er mit einer speziellen Software von seinem Laptop aus lenken. „Das gibt es so nicht vom Hersteller“, sagt Walther und erklärt weiter die vielen kleinen Details, die in seinem Modell stecken. In jedem Satz ist zu spüren: Die Modelleisenbahn ist seine Passion. Und die hegt und pflegt er seit seinen Kindertagen. Was seine Frau dazu sagt? „Sie hat mich so geheiratet“, meint der Mann und lächelt.

Im Bann der Bahn en miniature ist auch Harald Daumüller – und das, seitdem er denken kann. „Das Hobby wurde an mich vererbt“, sagt der Vorsitzende des Modell-Eisenbahn-Clubs Filderstadt. Im Verein ist der 52-Jährige schon fast seit der Gründung vor 35 Jahren. Es ist die Gemeinschaft, die der IT-Experte schätzt, das gemeinsame Interesse, das die Jungen und Männer zusammenbringt, das Fachsimpeln, der Austausch. Und die Abwechslung. Denn im Vereinsheim gibt es verschiedene Anlagen mit verschiedenen Spurbreiten. Anlagen, die unterschiedliche Epochen darstellen. „Dort kann man sich mit Dingen auseinandersetzen, für die zu Hause kein Platz ist“, sagt Daumüller.

Wenn nicht gerade eine Ausstellung wie an diesem Wochenende ansteht, beschäftigt sich Harald Daumüller rund acht Stunden pro Woche mit seinem Hobby. Dann kommt er zu den Treffen in den Verein, und es geht ans Basteln, Bauen, Reparieren. „Wir wollen aber nicht einfach nur die Plastikbausätze aus dem Laden zusammenbauen“, betont Daumüller. Die Modelleisenbahner gehen ins Detail, fräsen Getriebe selbst und bauen diese etwa in kleine Modellautos ein. Sie konstruieren ihren eigenen Weichenantrieb und malen den kleinen menschlichen Figuren, die geduldig an den Mini-Bahnhöfen warten, nicht nur Hose und Hemd, sondern auch rote Lippen und dunkle Augenbrauen auf: „Sonst sehen sie ja nicht echt aus“, sagt er. Echt sollen auch die kleinen Lokomotiven und Waggons aussehen. Dafür verpassen die Männer und Jungs ihnen Dreckspuren und Schmutzsprenkel – und das nach echten Vorbildern. „Einer unserer Mitglieder ist Lokführer und bringt Fotos mit“, erzählt Harald Daumüller.

Ehefrau und Kind können mit dem Hobby eher weniger anfangen

Auch Wolfgang Martin hat sich schon in seiner Kindheit mit dem Eisenbahnvirus angesteckt: „Wir hatten kein Auto und sind immer Bahn gefahren“, sagt der 61-Jährige aus Plattenhardt. Und dann war da noch die traditionelle Modelleisenbahn, die zu Weihnachten aus dem Keller geholt wurde und zum Dreikönigstag wieder in den Kisten verschwand. Mit 25 Jahren wollte es Martin nicht mehr dabei belassen – und machte die Minibahn zu seinem Hobby, seit rund 20 Jahren ist er im Modell-Eisenbahn-Club in Filderstadt. Seit fünf Jahren reist er mit seiner H0-Anlage in der dunklen Jahreszeit von Ausstellung zu Ausstellung und präsentiert, was er in minutiöser Arbeit aufgebaut hat. „Sehen Sie das Dach des Bahnhofs“, sagt Wolfgang Martin und deutet auf die vielen Schindeln: „Das waren Rührstäbchen aus Holz.“ 2500 davon hat der Pensionär verarbeitet.

Seine große Anlage hat er an diesem Wochenende nicht dabei. Die sitzt fein säuberlich in elf Elementen bei ihm zu Hause und wartet auf die nächste Ausstellung. In den vergangenen Wochen war er damit in Tübingen, Esslingen, Herrenberg und Korntal. Aufgebaut sei die Anlage, die ungefähr sechs auf vier Meter Platz braucht, schnell, meint Martin. Dafür brauche er nur eine Stunde. Und noch einmal eine, bis die Modellbahn auch fährt. Wozu der Aufwand? „Aus Spaß an der Freude“, sagt er. Seine Frau helfe manchmal mit. „Aber ihr Hobby ist es nicht.“ An seinen Sohn hat er seine Passion allerdings nicht weiter gegeben: „Wenn ich nicht mehr bin, will er alles verscherbeln“, sagt Martin. Seine Hoffnung liegt nun auf seinem Enkel: „Aber der ist erst drei.“