Am Wochenende findet im Bürgerforum Vaihingen eine große Modelleisenbahn-Ausstellung statt.

Stuttgart-Vaihingen - Horst Reichert hält einen der Stars der diesjährigen Eisenbahnschau in der Hand: eine Modell-Lokomotive der South Eastern & Chatham Railway (SE&CR) von 1905 für die Spurweite 4. Flaschengrün ist die Lok, etwa so groß wie ein Säugling, nur nicht mehr ganz so neu: An der linken Seite blättert der Lack. „Jedes Mal, wenn sie in Betrieb ist, splittert ein bisschen mehr ab“, sagt Reichert und schnippst mit seinem Finger dagegen, so dass noch ein bisschen Farbe abplatzt. Trotzdem käme er nie auf die Idee, die Lok aus dem Schienenverkehr zu ziehen, um sie zu schützen. Dass am ersten Adventswochenende während der zweitägigen Ausstellung im Bürgerforum mancher Liebhaber andächtig über das Blech streichen wird, stört Reichert nicht. Er müsse das Modell sowieso bald überarbeiten, sagt er unbekümmert. Er ist Restaurator.

 

Vielmehr wollen er und die übrigen Aussteller genau das: die Loks fahren lassen, die Freude an den alten Spielzeugeisenbahnen mit anderen teilen. „Wir wollen nicht im stillen Kämmerlein bleiben“, sagt Roland Neher. Der Vaihinger ist der Vorsitzende des Vereins Alte Spieleisenbahnen, der im Bürgerforum ausstellt. 56 Aussteller sind aus ganz Süddeutschland gekommen. „Was Sie bei Märklin im Museum hinter Panzerglas sehen, das zeigen wir in unserer Ausstellung in Aktion“, kündigt er an. Mehr als 15 Anlagen der Spurweiten Eins, Null, H0, N und Z werden im Häussler-Bürgerforum dazu aufgebaut. Auf rund 1200 Metern Gleis mit 140 Weichen fahren 130 historische Lokomotiven und 70 Personen- und Güterzüge. „Dazu gehören etwa das legendäre Schweizer ,Krokodil’ und die elegante Schnellzuglokomotive E18/19 der Deutschen Reichsbahn aus den 30er-Jahren“, sagt Roland Neher. Auch ein Blechmodell des Stuttgarter Bahnhofs wird zu sehen sein. „Natürlich mit beiden Flügeln“, betont er.

Die Veranstaltung ist weit über Stuttgart hinaus bekannt

Und noch etwas sei in der Vaihinger Ausstellung anders, so Neher: „Wir zeigen vor allem Vorkriegsmodelle.“ Die meisten Eisenbahnen wurden zwischen 1915 und 1950 produziert, also zu einer Zeit, in der sie Luxus-Spielzeug waren. 110 Reichsmark habe etwa die Krokodil-Lokomotive gekostet. Ein Arbeiter verdiente im Schnitt 200 Reichsmark .

„Dafür ist alles Handarbeit“, sagt Neher. Denn bis in die 50er-Jahre wurden die Modelle noch nicht in zigtausendfacher Ausführung hergestellt. „Damals waren die Modelle auch noch nicht so klein“, ergänzt Neher. Nicht alle Modelle sind so groß wie das der SE&CR – aber doch bedeutend größer als die heute handelsüblichen Spielzeugeisenbahnen. Ist aktuell ein Maßstab von 1:88 der Standard, wurden früher Modelle im Maßstab von 1:20 und größer gefertigt.

Inzwischen ist die Veranstaltung weit über Stuttgart hinaus bekannt. Aus Süddeutschland, aus der Schweiz und aus dem Elsass sind die Besucher in den vergangenen Jahren angereist. Doch als dieses Jahr eine E-Mail aus Amerika kam, war Roland Neher doch überrascht. Eine Gruppe von Sammlern, ehemalige Deutsche, wie Neher vermutet, will kommen. Über die Homepage seien sie auf den Verein aufmerksam geworden.

„Für mich ist das wie eine Rückkehr in die Kindheit“

Reimar Kunzmann, einer der Aussteller, schaut nicht nur auf die Lok-Modelle. Er begeistert sich auch an den Gestaltungselementen. „Schauen Sie mal“, sagt er und deutet auf ein Stellwerk, das unscheinbar neben den Gleisen steht. „Was fällt auf?“ Dem Laien gar nichts, aber dem Kenner natürlich schon: Denn das Stellwerk wird nicht mit Strom, sondern mit Druckluft betrieben. Ein schmaler Schlauch deutet darauf hin. Vor 1910 produziert, musste der Hersteller des Stellwerks darauf eingehen, dass es noch längst nicht in allen Haushalten Strom gab.

„Heute kann man sich das nicht mehr vorstellen, was eine Eisenbahn für uns bedeutet hat“, sagt Neher. Nicht, dass er sich früher so tolle Modelle hätte leisten können. Aber alles, was fuhr und dampfte, sei für ihn und seine Freunde das Größte gewesen. „Für mich ist das wie eine Rückkehr in die Kindheit.“ Diese Faszination sei auch der Ansporn für die Sammler, „trotz kaputter Knie- und Bandscheiben tagelang auf dem Boden herumzurutschen und die Anlage aufzubauen“, sagt Neher.

Alte Spieleisenbahnen:

Ausstellung
: Die Eisenbahn-Ausstellung findet im Rahmen des Vaihinger Weihnachtsmarktes statt. Am Samstag, 1. Dezember, ist die Ausstellung im Häussler Bürgerforum, Schwabenplatz 3, von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Am Sonntag, 2. Dezember, rollen die Spieleisenbahnen zwischen 11 und 16.30 Uhr. Für Erwachsene kostet der Eintritt vier Euro, für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren einen Euro.

Raritäten:
Als Attraktion ist in diesem Jahr unter anderem eine Lokparade und eine echte dampfbetriebene Anlage in der alten Spurweite 4 zu sehen. Zudem fahren fünf Modelle des legendären Schweizer Lok-Modells „Krokodil“. Zu sehen ist außerdem eine Blechdarstellung des Stuttgarter Bahnhofs – noch mit beiden Flügeln.