Frankreich ist schon Schauplatz terroristischer Angriffe von Islamisten gewesen und fürchtet eine Radikalisierung weiterer möglicher Straftäter. Um dem Einhalt zu gebieten wird in Mulhouse ein Projekt geprüft, das Islamisten entradikalisieren soll.

Mulhouse - Im elsässischen Mulhouse soll erstmals in Frankreich ein Resozialisierungsprogramm für islamistische Straftäter erprobt werden. Jean-François Thony, der für das Projekt federführende Staatsanwalt am Appellationsgericht in Colmar, erklärte dazu, Ziel sei es, einer weiteren Radikalisierung der Betroffenen vorzubeugen. „Zu einem bestimmten Zeitpunkt kann man noch eingreifen“, sagte Staatsanwalt Thony. „Wir dürfen nicht abwarten, bis solche Leute von anderer Seite im Terrorismus unterwiesen werden und eines Tages den nächsten Schritt gehen.“

 

Teilnehmen können an dem Versuch Straftäter, deren Vergehen in einem islamistisch-radikalen Zusammenhang zu suchen ist. Als Straftatbestände können dabei beispielsweise die Verherrlichung von Terrorismus, öffentliche Hetze, der Missbrauch Schutzbefohlener oder die Entziehung Minderjähriger in Betracht gezogen werden. Ausdrücklich ausgeschlossen werden allerdings Kandidaten, deren Tat bereits als terroristisch eingestuft wird.

Test bis zum Jahresende

Die Testphase läuft bis zum Ende dieses Jahres. Danach soll dann entschieden werden, ob der gemeinsam mit Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern auf jeden Betroffenen abgestimmte Begleitkurs weitergeführt wird und auf den Zuständigkeitsbereich anderer Gerichte ausgedehnt werden kann.

Als Vorbild für das Projekt dienen Erfahrungen aus Dänemark, wo bereits vergleichbare Programme zur Entradikalisierung von Islamisten durchgeführt werden. Dort erfolgt das allerdings unter polizeilicher Aufsicht. Im Elsass überwacht die Justiz die Durchführung.

In Mulhouse wurde der Versuch angesiedelt, weil das Elsass neben dem Großraum Paris, dem Norden Frankreichs, dem Mittelmeerraum und der Raumschaft Rhône-Alpes mit der Großstadt Lyon zu den französischen Regionen zählt, aus denen im vergangenen Jahr mehr als 50 sich radikalisierende Muslime gemeldet wurden. Entsprechende Zahlen veröffentlichte die Anti-Terrorabteilung des Innenministeriums im Juni.

4000 Gefährdete?

Zwischen Frühjahr des vergangenen Jahres und dem Frühjahr 2015 bezifferte das französische Innenministerium diesen Personenkreis auf mehr als 4000. Eine Zahl, die allerdings maßgeblich auf den Einschätzungen von Familien beruht, die befürchten, jugendliche Angehörige oder junge Erwachsene aus ihrem Umfeld könnten sich radikalen Gruppen im mittleren Osten anschließen.

Tatsächlich etwa mit dem Ziel Syrien verlassen hat das Land nur ein geringer Prozentsatz. Wenn nun die Versuchsphase für dieses „Entradikalisierungsprojekt“ in Mulhouse und nicht etwa in der Hauptstadt Paris durchgeführt wird, könnte das auch damit zu tun haben, dass sich ein kleineres Gericht besser für eine solche Testphase eignet.