Die Forschungsgruppe für Telemedizin testet an einer Kopenhagener Klinik die Behandlung von chronischen Patienten am Computerbildschirm.

Kopenhagen - Es rächt sich, dass Jens Danstrup 50 Jahre lang geraucht hat. Aufstehen am Morgen ist eine Qual, der Weg in die Stube raubt ihm die Puste, die Treppe ist ein Leidensweg, von dem er sich erst wieder erholen muss. Der 72-jährige Rentner hat eine chronische obstruktive Bronchitis, man kann auch Raucherlunge sagen. Steffen Christensen, Diplomkrankenpfleger am Kopenhagener Frederiksberg-Hospital, ist besorgt. "Das hast du schon besser gemacht", mahnt er den Patienten, der in ein Röhrchen bläst, um seine Lungenkapazität zu messen, und weist ihn an, eine zusätzliche Dosis Asthmamedizin zu inhalieren.Sieben Lungenentzündungen hat sich Danstrup seit November zugezogen, mehrmals verlor er das Bewusstsein, sechsmal musste er mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus. Auch jetzt sollte er im Hospital sein. Stattdessen sitzt er zu Hause an seinem Schreibtisch, und der Krankenpfleger drei Kilometer entfernt in seinem Büro. Beide haben einen Bildschirm vor sich. Sie sind über Breitband und einen Videolink verbunden. Wenn Danstrup eine Klammer an seinen Finger setzt, kann Christensen Puls und Sauerstoff messen. Wenn der Patient in das Spirometer pustet, speichert der Betreuer die Lungenwerte in seinem Computer. Dann berechnet er die Arznei und kontrolliert über die Bildleitung, ob der Kranke die richtige Menge der richtigen Medizin einnimmt.

Jens Danstrup ist, wie er selbst sagt, Versuchskaninchen in einem Test, der, wenn er positiv ausfällt, auf lange Sicht die Behandlung chronisch Kranker revolutionieren, den Patienten das Leben und den Ärzten die Arbeit erleichtern könnte. Außerdem wären enorme Einsparungen für die Krankenkassen möglich. "Visite im Cyberspace" nennt Oberarzt Klaus Phanareth, der Vorsitzende der Forschungsgruppe für Telemedizin, die Grundidee: Untersuchung, Diagnose, Medikamentenabgabe, das dauere in der Klinik keine 30 Minuten, weiß Phanareth. "Die restlichen 23,5 Stunden des Tages liegt der Patient im Bett und wartet." Und er baue sukzessive ab: "Menschen, die zu Hause selbstständig funktionieren, werden im Krankenbett in kürzester Zeit hilflos."

Die gewohnte Umgebung tut dem Patienten gut, vorausgesetzt er kann sich selbst versorgen. Es sei oft besser für alle Beteiligte, den Kranken auf dem Fernweg zu behandeln und zu überwachen, sagt Phanareth. "Tatsache ist, dass die meisten Leute nicht gern im Krankenhaus sind", sagt der Oberarzt. Sie fühlten sich unsicher, vermissten ihre Privatsphäre. Dazu komme die Infektionsgefahr, der Personalstress und - nicht zu vergessen - die ständigen Überbelegungen. Ärzte und Krankenschwestern könnten sich verstärkt um akute Fälle kümmern. Für das Gesundheitswesen, das durch die alternde Gesellschaft und immer neue, teure Behandlungsformen erheblich belastet werde, sei jeder einzelne Kranke, der zu Hause behandelt werden kann, ein Vorteil.

"Ein entspannteres Verhältnis zur Krankheit"


"Hast du deine Temperatur gemessen?", fragt Steffen Christensen den Mann, dessen Bild er auf dem Schirm sieht. "Habe ich, 36,6", erwidert dieser. "Prima", lobt der Pfleger und trägt den Wert in eine Tabelle ein. "Puls?" "Der liegt bei 106." Eine "wunderbare Erfindung" sei die Telemedizin, sagt Jens Danstrup, eine Erleichterung. "Ich habe ein entspannteres Verhältnis zu meiner Krankheit bekommen." Eine Viertelstunde messen, testen, plaudern, dann ist die virtuelle Visite vorbei. Den Computer, einen Sauerstoffkompressor, einen Apparat zur Messung der Lungenfunktion, die Fingerklemme und eine Medizinkiste stellte ihm das Krankenhaus. Christensen hat ihn eingewiesen, ein Techniker die Leitung installiert.

Danstrup, ein Architekt im Ruhestand, ist es gewohnt, mit Computern umzugehen. "Wir haben aber auch Testpersonen, die noch nie eine Mail geschickt haben", sagt der Krankenpfleger und erklärt, wie diese behutsam an die Telemedizin herangeführt würden. "Wir reden nicht vom Computer, sondern vom Bildschirm - das klingt vertrauter." Die Maschine, die die Patienten nach Hause bekommen, ist simpel zu bedienen. Sie hat keine Tastatur, nur einen Knopf, um das Krankenhaus zu erreichen. Der Anruf landet auf Steffen Christensens Mobiltelefon. "Wir waren gespannt, ob die Patienten zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen würden. Aber das tun sie nicht", bilanziert er das Projekt.

Versuche mit Telemedizin, bei denen Landärzte über Internet mit Spezialkliniken verbunden sind, gibt es in aller Welt. Doch das Krankenhaus in Kopenhagen ist bisher das einzige, in dem Akutbehandlungen auf dem Fernweg durchgeführt werden. Phanareth wählte für den Versuch Patienten mit obstruktiver Bronchitis, einer weit verbreiteten Rauchererkrankung. Acht bis zehn Prozent der Bevölkerung in modernen Industriestaaten leiden darunter. Häufige Folgeerkrankungen sind Herzprobleme oder Gefäßkrankheiten. Jedes vierte Bett der medizinischen Abteilungen ist mit Patienten mit Raucherlunge belegt.

"20 Prozent der eingelieferten Kranken sind so schlecht dran, dass sie in den Respirator müssen", sagt der Oberarzt. Zehn Prozent seien Fehldiagnosen, die gleich wieder heimgeschickt würden. Zur großen Restgruppe zählten jene mit leichten und mittelschweren Symptomen. "Für diese 70 Prozent eignet sich die Ferndiagnose", sagt Phanareth. Sie würden im Normalfall etwa sechs, sieben Tage im Krankenhaus bleiben. Jetzt schickt er die Hälfte von ihnen - natürlich mit deren Einverständnis - nach einem Tag Untersuchung nach Hause. Die andere Hälfte wird traditionell behandelt. Die Ergebnisse sollen verglichen werden. Phanareth ist überzeugt, dass die Heimpatienten nicht schlechter abschneiden werden - im Gegenteil. Da sie alle Hilfsmittel zur Hand haben, können sie rasch reagieren, wenn sie sich schlecht fühlen.