Die Beschäftigen des städtischen Bauhofes wickeln die Aufträge in Herrenberg in eigener Verantwortung ab. Statt eines Vorgesetzten bestimmt ein Führungsteam über die Arbeitsabläufe und wer sie ausführt.

Böblingen - Klaus Hanke ist gut gelaunt. „Ich muss jetzt nicht mehr das machen, was mir ein Meister vorgibt und kann selbst entscheiden, was zu tun ist“, sagt der Schreiner, der im Bauhof der Stadt Herrenberg beschäftigt ist. Er ist einer von acht Mitarbeitern im Führungsteam der 13-köpfigen Bauhoftruppe. Seit einem dreiviertel Jahr testet die Stadt die Selbstorganisation des Bauhofs.

 

Führungsteam bestimmt den Tagesablauf

Der Leiter des Amts für Technik, Umwelt und Grün, Stefan Kraus, zieht für das nach seinen Worten einmalige Projekt in Deutschland eine erste Bilanz: „Es läuft gut. Die flache Hierarchie motiviert unsere Mitarbeiter ungemein.“ Unterstützt und begleitet werden Kraus, Hanke und dessen Kollegen von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg, wo sie in Workshops auf die neue Art der Zusammenarbeit mit dem nötigen Knowhow versorgt werden.

Das Bauhofteam hat nicht mehr nur einen Chef, sondern acht Führungskräfte, die sich täglich zur morgendlichen Besprechung treffen. Dabei wird das Tagesprogramm festgelegt und die Wochenplanung weitergeführt. Auf dem Marktplatz musste eine neue, runde Sitzbank aus Rubinienholz aufgestellt werden. „Ich habe das Holz bestellt und bin gleich an Ort und Stelle gewesen, um die Montage vorzunehmen“, sagt Klaus Hanke. Das ging schneller als bisher, als ein solcher Vorgang noch über einen Meister auf dem Bauhof lief. Etwaige Missverständnisse, die schon mal vorkommen, wenn ein Vorgesetzter Anweisungen gibt, sind dabei ausgeschlossen.

Herkömmliche Hierarchie ist passé

„Wir haben im Jahr 2018 etwa hundert Aufträge mehr abgearbeitet als im Vorjahr“, sagt Stefan Kraus. Dies entspreche einer Umsatzsteigerung von 35 000 Euro. Der Spezialist für Schreinerarbeiten verweist auf den Auftragsordner des Teams: „Es gibt keine aktuellen Arbeitsaufträge, wir haben alles erledigt“, berichtet er stolz. Das sei früher nicht so gewesen. Manches konnte bisweilen nicht immer zeitnah abgewickelt werden.

„Das sorgt auch für mehr Zufriedenheit in der Verwaltung“, erläutert Kraus die Binnenwirkung des so genannten New Work, des neuen Arbeitens. „Im modernen Arbeitsleben ist das ein feststehender Begriff“, sagt der Hauptamtsleiter Tom Michael, „die Aufgaben werden immer vielfältiger und komplexer.“ Und dabei werde erwartet, dass im Zuge der Digitalisierung alles noch schneller gehe: „Das ist mit herkömmlichen Hierarchien nicht zu lösen.“

Effektivere Tour durch die Innenstadt

Michele Caggiano und Martin Keller, die für die Stadtreinigung und die Leerung von Müllbehältern zuständig sind, haben die Tour durch die Innenstadt und die Ortsteile neu festgelegt. Sie kennen sich vor Ort aus und wissen, wie die Route noch effektiver zu gestalten ist. Zudem arbeiten sie mit der Bürgerprojektgruppe Grüne Engel zusammen und veranstalteten mit ihr einen Info-Abend. „Das habe ich früher selbst machen müssen“, erklärt der Amtsleiter Kraus. Auch sonst muss er sich nicht mehr um alles kümmern, weil seine Mitarbeiter das für ihn erledigen.

Eine Mitarbeiterbefragung, die im Zuge des Konzepts „Zukunftsfähiges Herrenberg“ in der Verwaltung gemacht wurde, brachte für den Bauhof und das Amt für Technik, Umwelt und Grün ein eindeutiges Ergebnis: „Ein größerer Teil der Mitarbeiter war mit der aktuellen Situation unzufrieden“, berichtet Kraus, „sie erhofften sich mehr Entwicklungsmöglichkeiten, sowohl in monetärer, als auch in persönlicher und fachlicher Hinsicht.“ Das sei nun anders. Die Mitarbeiter im Führungsteam – auch Caggiano, Keller und Hanke – bekommen mehr bezahlt, weil sie Verantwortung und Führungsaufgaben übernehmen. „Die anderen fünf Kollegen im Bauhof, wollten nicht in dem Team mitarbeiten“, sagt Kraus, „ihnen liegt das weniger.“ Sie mussten eine Unterschrift leisten, mit der sie zusichern, dass sie den Anweisungen ihrer acht „Chefs“ in der Führungsriege Folge leisten. Auch finanziell lässt sich das gut darstellen. Vor der Einführung dieser neuen Form des Arbeitens wurde eine frei werdende Meisterstelle nicht mehr besetzt – eine Entlastung für den Etat.

Tarifliche Bestimmungen werden erfüllt

„Wir erfüllen weiterhin die tariflichen Bestimmungen des öffentlichen Dienstes“, betont der Oberbürgermeister Thomas Sprißler. Wer mehr Verantwortung übernehme, könne auch höher entlohnt werden. Kein Wunder, dass auch Klaus Hanke gut gelaunt ist. „Es macht Spaß“, sagt er, „und bisher hat alles gut geklappt.“

Das Projekt wird vom Innenministerium gefördert

Daueraufgaben:
Die Bauhofmitarbeiter haben vielfältige Aufgaben. Im Zuge der Stadtreinigung gilt es die Abfallbehälter und Schächte zu leeren, wilden Müll zu entsorgen, Unterführungen zu säubern und Ölspuren zu beseitigen. Bei Stadtfesten werden Anlagen inklusive der Möblierung auf- und abgebaut. Die Mitarbeiter kümmern sich um Marktstände, Stromverteiler und um herrenlose Fahrräder. Sie sorgen für Straßenschilder und Straßenmarkierungen. Sie führen Asphalt- und Pflasterarbeiten durch, sind zuständig für die Kanaldeckel, baggern Gräben und Wasserläufe aus, schneiden Hecken und bepflanzen Grünanlagen. Außerdem pflegen sie die Außenanlagen von Kindertagesstätten und die Spielgeräte. Und nicht zuletzt beheben sie Wildschweinschäden.

Schulungen
: An der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg findet ein Entwicklungsprogramm für Führungskräfte statt. Bei einer Schulung – die Teilnehmer treffen sich neun Monate lang etwa alle vier Wochen für einen Tag – sind fünf Mitarbeiter aus dem Führungsteam des Bauhofes, Amtsleiter der Stadt und der Oberbürgermeister Thomas Sprißler dabei. Gefördert wird das Projekt vom Innenministerium des Landes mit 40 000 Euro.