Beim Zweiten dreht sich das Moderatorenkarussell. Jörg Pilawa geht – kehrt dafür die Allzweckwaffe Johannes B. Kerner ins Zweite zurück?

Stuttgart - Es ist noch nicht so lange her, da konnte man eine beliebige Taste auf der Fernbedienung drücken – und man wusste sofort, wo man gelandet war. Ein Sender, das war die Summe seiner Gesichter. Wo ZDF draufstand, waren Thomas Gottschalk, Carmen Nebel und Johannes B. Kerner drin. Als Visitenkarte spendierte der Sender ihnen einen Werbespot. Er zeigte, wie sich die Mainzer Maskottchen mit zwei Fingern ein Auge zuhielten, um ein Loblied auf ihren Arbeitgeber zu singen. „Mit dem Zweiten sieht man besser.“

 

In diesem Jahr dreht sich das Moderatorenkarussell so schnell, dass es für Zuschauer mit lückenhaftem Gedächtnis schwer werden könnte, den Durchblick zu behalten. Als Neuzugang wird Johannes B. Kerner gehandelt, der Smalltalker, Fußballkommentator und Mann für alle Fälle. Doch Moment mal: War der jemals weg?

2009 hatte er zu Sat 1 rübergemacht. Die Zuschauer würden ihm schon folgen, dachte er, neuer Sender, altes Publikum. Doch der Plan ging nicht auf. Nach nur zwei Jahren stellte Sat 1 sein Magazin ein. Dann verlor der Sender die Rechte an der Champions League. Und wenig später stand JBK ohne Sender da. Beim ZDF indes lief sich sein Nachfolger Markus Lanz in der Zwischenzeit als Talker („Lanz“) und Topfgucker („Lanz kocht“) für die Moderation einer Sendung warm, die hierzulande als Mount Everest der Unterhaltung gilt: „Wetten, dass . . ?“ Jetzt bröckeln dort die Quoten, und schon werden Stimmen laut, die fordern: Wir wollen Gottschalk zurück!

Wer wird der neue Pilawa?

Vermutlich würde der ehemalige ZDF-Liebling nach seinen Pleiten im Ersten und bei RTL nicht mal Nein sagen, der Sender müsste nur mit den Fingern schnippen. Doch erstens ist man beim ZDF nicht gut auf den „Wetten, dass . . ?“-Moderator zu sprechen. Und zweitens wird erst zum Jahresende wieder eine Stelle frei, wenn Jörg Pilawa, erst 2010 als Hoffnungsträger eingekauft, wieder zur ARD wechselt. Es heißt, er habe keine Lust mehr gehabt, auf die Rolle als Quiz-Onkel der Nation reduziert zu werden. Seither rätselt die Branche. Wer wird der neue Pilawa? Als aussichtsreicher Kandidat gilt nun ausgerechnet der Mann, der auf der Liste der beliebtesten Moderatoren zuletzt weit nach unten gerutscht war: Johannes B. Kerner.

Warum nutzt das ZDF jetzt nicht die Gelegenheit, Nachwuchstalenten aus den Spartenkanälen ZDF Kultur oder ZDF neo eine Chance zu geben? Nun, der Quotendruck scheint so groß zu sein, dass der Sender lieber auf Gesichter zurückgreift, die sich schon vor einem großem Publikum bewährt haben, auf Moderatoren wie etwa Inka Bause, die für RTL Landwirte verkuppelt („Bauer sucht Frau“). ZDF-Zuschauer kennen sie schon vom „Traumschiff“ als Fitnesstrainerin Inka. Ab Herbst soll sie nun das Zweite mit einer eigenen Talkshow fit für den Nachmittag machen.

Helene Fischer, die große Hoffnung

Und dann ist da noch Helene Fischer, 28 Jahre alt, eine Stimme wie eine Nachtigall mit der Power einer Iron-Frau. Als Sängerin hat sie den Schlager reanimiert – und wer das schafft, dem traut das ZDF auch noch ganz andere Wunder zu. Die Volksmusik gehört beim Zweiten zur Grundversorgung, und Carmen Nebel, die Frau, die dieses Genre bedient, gilt mit 56 Jahren schon als Wackelkandidatin. Ein Superweib, das an Weihnachten mit einem Kessel Buntes mehr Zuschauer erreichte als das ZDF mit Rosamunde Pilcher, kommt da wie gerufen. Noch in diesem Jahr soll Fischer eine eigene Show im Zweiten bekommen. Von einer „längerfristigen Zusammenarbeit“ ist die Rede. Details will das ZDF aber nicht nennen.

„Zu Helene Fischer würde die Moderation von Galas und Events passen“, heißt es beim Monheimer Institut für Markt- und Medienforschung. Seine Mitarbeiter testen, welcher Moderator zu welchem Format oder zu welchem Sender passt. Dabei helfen ihnen zufällig ausgewählte Zuschauer. Sie werden regelmäßig zu Umfragen ins Haus geladen. Ob das Institut dem ZDF zu der Personalie Fischer geraten hat, erfährt man in Monheim nicht. Die Ergebnisse solcher Celebrity-Analysen sind vertraulich. Auf der Homepage des Instituts findet man das ZDF aber unter den Kunden, neben den Rundfunkanstalten der ARD, Pro Sieben, MTV und dem Frauensender Sixx.

Die Emanzipation der Moderatoren

Gesichter, das haben die Forscher ermittelt, prägen das Profil der Sender. Ob Zuschauer eine Sendung einschalten, hängt entscheidend von der Person des Moderators ab. Was aber bedeutet es, wenn ein Sender seine Aushängeschilder immer öfter austauscht? Riskiert er damit nicht den Verlust seines Profils?

Die Monheimer Marktforscher wollen diese Frage weder bejahen noch verneinen. Sie sagen, die Zunft der Moderatoren habe sich emanzipiert. „Es gibt Menschen, die sind selber eine Marke.“ Ob ein Senderwechsel klappe, hänge also noch von anderen Variablen ab. Bleibe der Moderator seinem Genre treu, sei das Risiko zu scheitern geringer. Siehe Jörg Pilawa. Sein Image als smarter Womanizer habe ihm bisher überall Türen geöffnet, egal ob bei Sat 1 oder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Warum der umgekehrte Transfer von Johannes B. Kerner vom ZDF zu Sat 1 schiefging, erklären sich die Forscher so: Möglicherweise war die Marke JBK nicht stark genug. Und ob Kerner bei seinem alten Arbeitgeber ZDF wieder an erfolgreichere Zeiten anknüpfen könnte, hinge entscheidend vom Format ab, das man ihm anböte.

Beim ZDF will man sich derzeit nicht zur Causa Kerner äußern. Nicht auszuschließen, dass die Mainzelmänner noch auf grünes Licht von der Marktforschung warten. Für den Sender geht es um Sport oder Talk, für Johannes Überall um alles oder nichts.