Projektplaner drängen dazu, die Digitalisierung auf dem Bau voranzutreiben. Doch bislang fehlen einheitliche Standards und Schnittstellen.

'Baue das erste Haus für deinen Feind, das zweite Haus für deinen Freund, das dritte Haus für dich selbst', heißt es in einem Sprichwort. Doch in der Realität hat der Bauherr meist nur einen Versuch, und der muss sitzen. Die Praxis sieht oft anders aus. Vor allem der öffentliche Bau gerät immer wieder in die Schlagzeilen ob seiner terminlichen Verzögerungen oder der Kostenüberschreitungen. Der Grund: In vielen Fällen wird während des Baus noch umgeplant, weil sich der Bedarf verändert hat oder neue politische Konstellationen andere Schwerpunkte setzen wollen. Heute werde beim Bauen noch viel zu viel hin und her geplant, ausprobiert und wieder verworfen. Das mache das Bauen vielfach unkalkulierbar, sagt Mirco Beutelspacher, Partner bei Drees & Sommer. 'Wir werden wieder dazu zurückkommen, uns darüber klar zu werden, welche Ziele wir mit der Erstellung des Gebäudes verfolgen.' Vor allem das digitale Planen und Bauen wird in Verbindung mit den Methoden des sogenannten Lean Managements auf der Arbeitsebene die Zukunft maßgeblich bestimmen, ist er sich sicher. Darunter versteht man 'Methoden und Verfahrensweisen zur effizienten Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette industrieller Güter'.

 

Im Mittelpunkt steht dabei BIM. Die drei Buchstaben stehen für die Planungsmethode Building Information Modeling, die neben einer deutlich verbesserten Qualität auch industrialisierte und damit wirtschaftlichere Prozesse ermöglichen soll. Dass durch die Digitalisierung die Kreativität auf der Strecke bleiben könnte, glaubt Beutelspacher indes nicht. 'Es geht nicht darum, die Planungsfreiheit des Architekten einzuschränken, sondern darum, die Digitalisierung als Chance zu begreifen, frühzeitig die Risiken wie zum Beispiel Kostensteigerungen am Bau zu erkennen. Wie oft erlebten Planer, dass Bauherren oder Nutzer mit dem fertigen Bauwerk und dessen Nutzungsmöglichkeiten nicht zufrieden sind oder andere Erwartungen an die Nutzung hatten, fragt Beutelspacher. Gerade bei Verwaltungsgebäuden oder Krankenhäusern könne es passieren, dass die angestrebten Prozesse auf den gegebenen Grundrissen so gar nicht funktionieren. 'Bei solchen umfassenden Planungen wird die Digitalisierung künftig noch wichtiger werden', glaubt er.

Mehr als ein Strich

Dabei ist die Digitalisierung am Bau längst über die rein dreidimensionale Darstellung von Bauwerken hinausgewachsen. Beim sogenannten Building Information Modeling steht hinter jeder Wand, jeder Decke, Stütze oder jedem Fenster auf dem Plan nicht nur ein dicker Strich. Zu jedem Bauteil sind zusätzliche Informationen über die Beschaffenheit, die Liefertermine und die Kosten hinterlegt. 'Die Architekten werden künftig modellbasiert konstruieren - so wie bei einem Auto', ist er sich sicher. Zwar würden auch beim Auto die ersten Ideen noch vom Designer mit dem Stift gezeichnet, darauf folge aber meistens sehr schnell eine modellbasierte Konstruktion, die die Fertigungsprozesse vorbereite. Mirco Beutelspacher geht davon aus, dass die Digitalisierung die Arbeitsprozesse aller am Bau Beteiligten in den nächsten drei bis vier Jahren maßgeblich verändern wird. 'Wir werden deshalb aber künftig keine schlechteren oder weniger kreativen Gebäude bauen. Nur der Prozess der Kreativität wird anders aussehen.' Durch die Digitalisierung wird das Kreative wieder an den Anfang gestellt. Und die einzelnen Bauprozesse werden dabei wie in der Fertigung eines Autos aufeinander aufgebaut. 'In der Automobilindustrie plant auch keiner mehr das fertige Auto noch einmal komplett um', erläutert er die Vorteile der Digitalisierung für die Bauwirtschaft.

Dort steht man dem Thema aufgeschlossen gegenüber, zumal Materialbestellungen, Liefertermine just in time und Abrechnungen längst digital erfasst und ausgewertet werden. Auch die Baustoffindustrie arbeitet an der Digitalisierung ihrer Materialien. Das Ziel: irgendwann einmal so weit zu kommen, dass die Fertigung direkt mit der Lieferung auf der Baustelle verknüpft werden kann. Doch die Digitalisierung am Bau kommt nur langsam voran - wenn auch schneller als noch vor ein paar Jahren. Woran liegt das? Mirco Beutelspacher führt das auch auf die derzeit noch fehlenden herstellerneutralen Standards zurück. Das muss man sich wie den EAN-Code auf der Nudelpackung vorstellen. Wird er gescannt, weiß die Kasse den Produktnamen, den Preis und die abgegebene Menge. Am Abend weiß der Filialleiter mit einem Knopfdruck, ob es noch genügend Nudeln im Regal hat oder ob er nachbestellen muss. So ähnlich soll irgendwann auch einmal die Digitalisierung am Bau funktionieren. Ein Milliardenmarkt, der auch ganz neue Geschäftsfelder eröffnen wird. Aber auch die Datensicherheit wird bereits in der Branche diskutiert. Wo werden die Daten gelagert, über welche Schnittstellen kann darauf zugegriffen werden. Überhaupt ist die Kompatibilität zu den zahlreichen CAD-Programmen der Architekten die Achillesferse bei der Digitalisierung. Bislang konnte sich die Industrie noch nicht auf einen einheitlichen Standard verständigen. 'In drei bis vier Jahren sind wir weiter', hofft Mirco Beutelspacher.