Ursprünglich sollte das Bauernhaus aus dem 16. Jahrhundert abgerissen werden. Weil sich Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt einsetzten und einen Investor fanden, konnten dort komfortable Wohnungen entstehen – eine Roomtour.
Wo früher Heu und Stroh gelagert wurden, wohnt heute ein junges Paar. Nina und Marc Behringer sind seit einem Jahr im Weberhof in Hochdorf zu Hause. Eigentlich sollte der Bauernhof, in dem sich auch Babsis S’Cafele befindet, vor gut zehn Jahren abgerissen werden – heute steht er als Schmuckstück da, gilt als Vorzeigebeispiel für eine gelungene Sanierung und bietet mehreren Familien und Paaren komfortablen Wohnraum hinter historischen Mauern am Talbach.
Nina und Marc Behringer wohnen ganz oben auf der Bachseite des stattlichen Hofs. Gleich beim Eintreten stellt sich der Wow-Effekt ein, denn durch die offene weiße Küche flutet das Licht. Eine Dachgaube sorgt für Sonnenschein pur. Und über einen kleinen Steg gelangt man auf den geräumigen Balkon, der groß genug ist für einen Essplatz und die einladenden Loungemöbel.
Der Balkon bietet einen schönen Ausblick in Hochdorf
Der luftige Freisitz im zweiten Stock bietet vermutlich einen der besten Ausblicke auf den nahen Talbach und zeigt, wie die neuen Balkons auch in den darunter liegenden Wohneinheiten die Wohnqualität des historischen Gebäudes erheblich aufwerten.
Aber auch im Innern gibt es mehrere einladende Plätze. Passend zum Landhausstil hat das junge Paar einen Tisch und zwei Bänke aus Massivholz als Essplatz unter der Schräge eingerichtet. Helle Felle, Kissen und Bilder mit Hirschmotiven erinnern an alpenländische Gemütlichkeit.
Der Dachspitz lädt zu gemütlichen Stunden ein. Foto: Roberto Bulgrin
„Wir sind sehr gerne in Österreich beim Wandern“, berichtet Marc Behringer und ergänzt, für ihn habe sich in der Wohnung schon beim Kennenlernen so etwas wie Ferienhausstimmung breit gemacht. „Die Wohnung gibt den Stil vor“, findet auch Nina Behringer. Die Fachlehrerin für Musik und Hauswirtschaft, die sich zunächst als Bankkauffrau hatte ausbilden lassen, spricht vom guten Zusammenspiel der vorherrschenden Farben Braun und Natur, die das Natürliche dieser besonderen Wohnung unterstreichen.
„Ich habe ein Faible für alte Balken“, ergänzt Marc Behringer und zeigt im Schlafzimmer sein aus Balken selbst gezimmertes Doppelbett. Balken gibt es in der gut 100 Quadratmeter großen Wohnung und im offenen Treppenhaus samt Aufzug eine Menge zu bewundern. Besonders gut kommen sie im Ankleidezimmer zur Geltung, wo sie dank der lang gezogenen flachen Gaube seit dem Umbau als frei tragende Konstruktion zu sehen sind.
Behringer, der Sport im Lehramt studiert, zieht sich auch gerne eine Etage höher an seinen Schreibtisch zurück, zu dem er bequem über eine Holztreppe im Wohnessbereich gelangt. Zunächst hatte das Paar im Dachstock eigentlich das Schlafzimmer einrichten wollen. Dann habe sich aber gezeigt, dass der offene Dachspitz als Wohnzimmer unschlagbar ist. Jetzt lädt die große braune Ledercouch zu gemütlichen Stunden vor dem Fernseher oder zum Lesen ein – und alles wird von dem steilen Dach regelrecht beschirmt.
Auch die kurzen Wege in die Dorfmitte haben das Paar überzeugt, das sich in seiner freien Zeit als Rettungssanitäter beim DRK engagiert. Und wenn Marc Behringer außerdem zum Feuerwehreinsatz gerufen wird, ist er in Windeseile an der Fahrzeughalle neben dem Talbach. Auch zum Ratssaal, wo der 31-Jährige für die CDU im Gemeinderat sitzt, sind es nur wenige Steinwürfe.
Verständlich, dass die beiden wegen dieser Ehrenämter die eher rare gemeinsame freie Zeit gerne auch mal zuhause genießen. Dank der Nähe zum Bach gebe es hier einige Tiere wie den Graureiher und andere Vögel zu beobachten und manchmal raschle auch der Waschbär in einem der großen Bäume.
„Es ist cool, in einem der ältesten Häuser im Ort zu wohnen“, das mache ihn auch ein wenig demütig, sagt Marc Behringer, der zunächst bei seinen Eltern in der ehemaligen Wohnung des Bauern im Weberhof lebte und so das alte Haus schätzen gelernt hat. Das Erdgeschoss, in dem beispielsweise der alte gewalzte Anstrich im Hausflur erhalten geblieben ist, atme noch viel von der Hausgeschichte.
Alte Gebäude bedeuten einen Mehrwert für Hochdorf
Und gefragt nach der Debatte um den Erhalt weiterer Gebäude beispielsweise in der Wettestraße, sagt Behringer, es tue Hochdorf generell gut, seinen dörflichen Charakter zu erhalten, denn mit dem sanierten Rathaus, dem Maurerhof und der Mühle könne man sich als Hochdorfer identifizieren, das bringe einen Mehrwert für den Ort. Aber Behringer erwähnt auch die Schwierigkeit, einen Investor zu finden und dass man mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit nicht alles erhalten könne.
Das Happy End vom Weberhof hat übrigens viele Väter und Mütter. Zunächst wurde der Verein Historische Gebäude und Ortsgeschichte (HGOH) gegründet, der auf das Schicksal des Bauernhofs von 1570 aufmerksam machte, denn es drohte der besagte Abriss. Nach langer Suche präsentierten die Akteure, zu denen auch die beiden Hochdorfer Architekten Peter Reiner und Petra Zimmermann-Reiner gehörten, mit Jochen Göhner aus Ofterdingen bei Tübingen einen Investor mit Gespür und Ideen, und so konnte das Verschwinden eines der stattlichsten Zeugen dörflicher Baukunst in Hochdorf verhindert werden.
Die Gemeinde konnte überzeugt werden
Geschichte Der denkmalgeschützte Weberhof in der Kirchheimer Straße 1 wurde 1570 als gestelztes Einhaus in Holzständerkonstruktion errichtet. 2009 wurde der landwirtschaftliche Betrieb von der Familie Weber aufgegeben. Dank der Vermittlung des Vereins HGOH kaufte die Gemeinde 2015 das gesamte Anwesen unter der Maßgabe, das Bauernhaus an den Investor zur Sanierung weiter zu verkaufen. Auf dem rückwärtigen Grundstück wies die Kommune Bauplätze aus.
Information Der erwähnte Verein HGOH hat den Hochdorfer Ortsrundgang konzipiert. Auf zwei Routen werden auf Informationstafeln Gebäude mit historischer Bedeutung im Dorf vorgestellt. Infos im Netz unter: https://www.hochdorf.de/freizeit-angebote/historischer-ortsrundgang