Die neuen Eigentümer eines Hauses an der Reinsburgstraße, die Schwäbische Bauwerk, hat den Mietern umfangreiche Modernisierungen angekündigt. Die Miete soll deshalb von knapp 400 auf mehr als 1100 Euro steigen. Im Stuttgarter Westen ist das kein Einzelfall. Die Mieter wollen nun klagen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Auf den neuen Besitzer seines Hauses ist Erwin Dobler schlecht zu sprechen, sagt er. „Bedrohen“ der Mieter, das sei dessen Methode. Der 79-jährige Mann wohnt seit 1965 in der Reinsburgstraße 65 im Stuttgarter Westen. 2018 hat das Stuttgarter Unternehmen Schwäbische Bauwerk GmbH das Gebäude gekauft. Bereits kurz darauf flatterte allen Mietern ein Brief ins Haus, in dem der neue Vermieter eine Mieterhöhung ankündigte. Bisher hatte Dobler für die 60,84 Quadratmeter große Wohnung 374,65 Euro kalt bezahlt, umgerechnet 6,16 Euro pro Quadratmeter. Die Erhöhung war dann (zunächst) recht human: Auf 7,08 Euro wollte das Unternehmen die Miete pro Quadratmeter erhöhen– und wies den Mieter an, künftig 430,85 Euro Kaltmiete zu überweisen. „Das hielt ich für gerechtfertigt“, sagt Erwin Dobler.

 

Die erste Erhöhung fanden die Mieter human

Bei der einmaligen Erhöhung sollte es aber nicht bleiben. Für Erwin Dobler und seine Nachbarn folgte im Herbst der Schock: Die Schwäbische Bauwerk kündigte in einem Schreiben vom 7. November 2018 umfangreiche „Modernisierungsmaßnahmen“ an, unter anderem die Installation eines Außenaufzuges, eine Spareinrichtung für die Toiletten und „einen besseren Einbruchsschutz“. Mehr als zwei Dutzend Einzelmaßnamen seien geplant, schrieb die Firma. Doblers Miete werde danach 1139,29 Euro betragen. Falls er das nicht wolle, bestünde natürlich die Möglichkeit, den Mietvertrag außerhalb der Frist zu kündigen.

Der Geschäftsführer der Schwäbische Bauwerk, Marc-Rene Ruisinger, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Eine Assistentin teilte auf Anfrage stets am Telefon mit, man könne eine E-Mail schreiben. Auf unsere E-Mails folgte eine Standardantwort, nach der das Unternehmen innerhalb von 48 Stunden antworten wolle – dies ist in den vergangenen Wochen nicht geschehen.

Eine Mieterin hat viele Sanierungen in Eigenregie übernommen

Auch Doblers Nachbarin Angela Gerace ist wütend auf den neuen Eigentümer. Sie hielt die erste Erhöhung zwar auch für angemessen, hat diese aber trotzdem nicht bezahlt. „Ich habe den Lärm der Bushaltestelle vor der Tür, abends funktioniert der Fernseher oder das Telefon oft nicht“, sagt die 72-Jährige, die seit 1970 in dem Haus lebt. Außerdem habe sie viele Sanierungsarbeiten im Laufe der Jahre selbst bezahlt: Das Bad habe sie gerichtet, einen Gasofen eingebaut, die Küche gefliest und den Balkon neu gestrichen. Inzwischen habe Ruisinger sie zum Beispiel aufgefordert, den Balkon wieder in der „Originalfarbe“ streichen.

Ähnlich wie den Bewohnern an der Reinsburgstraße 65 erging es Anfang des Jahres auch Mietern in der Forststraße 168. Dort gingen die Bewohner im März gegen das Vorgehen des neuen Hauseigentümers, ebenfalls die Schwäbische Bauwerk, auf die Straße. Aus dieser Kundgebung Anfang März heraus entstand bei den Demonstranten die Idee, das Haus an der Forststraße 140 zu besetzen. Dieses hat allerdings einen anderen Eigentümer.

Die Mieter haben sich nun rechtliche Unterstützung geholt

Die Briefe an Dobler und Gerace sind fast gleichlautend mit denen, die Mieter an der Forststraße 168 von der Schwäbische Bauwerk erhalten hatten. Erwin Dobler und seine Nachbarn sind ebenfalls davon überzeugt, dass die Schwäbische Bauwerk sie mit den Ankündigungen der „Luxussanierungen“, wie sie sagen, nur vertreiben wolle.

Beim Mieterverein kennt man die Firma bereits als „Umwandler“, sagt Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Deutschen Mieterbundes Stuttgart. Er geht nicht davon aus, dass die Schwäbische Bauwerk damit durchkommt. „Aber die Mieter müssen dem Druck standhalten“, betont er. Einige Mieter hätten sich bereits an den Verein gewandt, man versuche nun diese rechtlich zu unterstützen. Gaßmann weist zudem darauf hin, dass es seit dem 1. Januar eine Kappungsgrenze gebe. Das bedeutet: Liegt die Ausgangsmiete bei einem Mietpreis unter sieben Euro pro Quadratmeter, darf der Vermieter nicht um mehr als zwei Euro erhöhen.

Angela Gerace hat sich nun einen Anwalt genommen, Erwin Dobler hat im Dezember an Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) geschrieben. Eine Antwort hat er im Januar vom damaligen Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) erhalten. Föll schrieb, es gelte zu prüfen, ob es sich „bei den aufgelisteten Maßnahmen ausschließlich um Modernisierungsmaßnahmen handelt und die Maßnahmen nicht einer Instandsetzung entsprechen“. Denn: „Kosten für instandsetzende Maßnahmen dürfen nicht auf den Mieter umgelegt werden“, so Föll. Eine Einschätzung könne er noch nicht geben, aber einige Positionen seien auf jeden Fall „diskussionswürdig“.

Die Stadt bemüht sich um Kontakt zu dem Eigentümer

Er sicherte zu, das Amt für Liegenschaften und Wohnen werde sich mit der Schwäbische Bauwerk in Verbindung setzen. „Die Stadt hat Interesse an einer sozialverträglichen Lösung des Konflikts“, sagt Pressesprecher Sven Matis. „Wir haben schon mehrfach versucht, beim Eigentümer dafür einzutreten. Leider geht er nicht auf unsere Kontaktversuche ein.“ Ein Gespräch – auch zusammen mit den Mietern – könne klären, ob alle Maßnahmen umlagefähig seien. „Formalrechtlich können wir als Stadt hier nichts erreichen, daher appellieren wir an den Eigentümer“, sagt Matis.

Gerace und Dobler wollen sich sich auf jeden Fall nicht aus ihrer Wohnung vertreiben lassen. „Mein Bestreben ist es, mir nicht von Herrn Ruisinger mein schönes Leben kaputt machen zu lassen“, sagt Dobler.